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Theorie des Eigentums: Proudhon, 1866“, ARCH+ 221 „Tausendundeine Theorie“, 2015, S. 64-65.

A resume of the core arguments of the canonical writings of Pierre-Joseph Proudhon and Friedrich Engels regarding housing policies, rent and home-ownership.

Eco–Ele 0235 ECONOMIC CRISIS AND CRISIS THEORY 0241 EIGENTUMS, THEORIE DES Proudhon, 1866 Mattick, 1981 0236 ECONOMIC DYNAMICS, THEORY OF Freiheit und Diebstahl. Proudhons Etappendenken — An Essay on Cyclical and Long-Run Changes in Capitalist Economy; Kalecki, 1954 0237 ECONOMIC EVOLUTION, THE GENERAL THEORY OF Dopfer / Potts, 2007 0238 ECONOMIC GROWTH, THEORY OF Lewiss, 2007 0239 ECONOMIC HISTORY, THEORY OF Hicks, 1969 0240 ECONOMIC THEORY, AN — The Entrepreneur; Casson, 1995 64 über bescheidenen Besitz verfügte, aber durch die Entwicklung von Marktmonopolen und Großgrundbesitz zunehmend in Bedrängnis geriet. Im Gegensatz zu den sozialistischen beziehungsweise proletarischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts, die das Bürgertum als Klasse abschaffen und die Produktions- und Tauschmittel sozialisieren wollten, ging es Proudhon darum, eine Eigentümergesellschaft gleichgestellter Individuen einzuführen. Die Erzfeinde Proudhons, gegen die er mit Inbrunst polemisierte, waren sowohl das Big Business – das heißt, die Geldaristokratie jener reichen Bürger, Fabrikbesitzer und Banker, die die Regierung von Louis Philippe während und vor dem Second Empire kontrollierten – als auch ein auf Revolution angelegter Sozialismus. Pierre-Joseph Proudhon: Theorie des Eigentums, Kiel: Verlag für Sozialökonomie, 2010 (franz. Erstausgabe unter dem Titel Théorie de la propriété, Paris: Librairie Internationale, 1866) Gedankenwelt und Theoriegebäude des Handwerkersohns und intellektuellen Autodidakten Pierre-Joseph Proudhon (1809–1865) sind faszinierend und widersprüchlich; und sie veranschaulichen die Notwendigkeit, Theorien und städtebauliche Modelle historisch genau zu kontextualisieren, bevor man ihre Brauchbarkeit für die Gegenwart – etwa im Hinblick auf die Finanzkrise von 2008 – prüft. Proudhons strikte Ablehnung staatlicher Autorität gilt als wichtige Referenz anarchistischer Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts; für eine Stadt- und Architekturdebatte der Gegenwart, die sich sowohl gegen Gentriizierungsprozesse formiert als auch Alternativen zu rigorosen Maßnahmen der öffentlichen Hand zu artikulieren sucht, sind vor allem die Bezüge zwischen Proudhons Gesellschafts- und Eigentumsmodells und den genossenschaftlichen Reformbewegungen der Zwischenkriegszeit interessant. Der gemeinsame Nenner der Stadtund Gesellschaftsmodelle, der deutsche Baugruppen von heute, Genossenschaftler der Weimarer Republik und die Anarchisten des 19. Jahrhunderts in ein iktives Gespräch verwickeln könnte, ist der bürgerliche Standpunkt. Zu Proudhons Lebzeiten im Frankreich Mitte des 19. Jahrhunderts war dies die Position der unteren und mittleren Mittelklasse, die zwar Die Grundfrage Proudhons an die gesellschaftlichen Bedingungen seiner Zeit lautet, wie man Besitzrechte wahren, aber das Ausbeutungssystem des Kapitalismus abschaffen kann. Der klarste und zentralste Punkt seiner Sozial- und Eigentumstheorie ist die Abschaffung „unverdienten“ Einkommens, das heißt die Abschaffung von Zinswirtschaft und Miete. Bodenpacht und Miete werden bei ihm abgelöst durch sukzessiven Grundstückserwerb via freiem Kredit, vergeben von einer neuen Bodenund Austauschbank. Revolution bedeutet bei Proudhon weder Diktatur des Proletariats noch Enteignung der Produzenten, sondern die Reform des Bankenwesens durch die Annulation der Zinswirtschaft, kostenlose Kredite, die Aufhebung der Relation zwischen Gold und dem Zirkulationsmedium des Geldes, und die Möglichkeit einer Tauschwirtschaft, die jede Art von Ware zum potentiellen Tauschmittel des Handels erklärt. Nichts läge Proudhon jedoch ferner als den Privatbesitz von Gegenständen und Grundstücken aufzuheben, im Gegenteil: Sein ökonomisches Modell basiert auf Wettbewerb und einer Vorstellung von Privatbesitz, die eng mit dem Maßstab des konkret fassbaren Gebrauchswert assoziiert ist. Dementsprechend irreführend ist das bekannte und von ihm mitgeprägte Diktum, „Eigentum ist Diebstahl!“, das er in seinen ersten Denkschriften publiziert und das er 1846 mit dem Gegensatz ergänzt: „Eigentum ist Freiheit!“1 Im resümierenden Rückblick zu seiner Theorie des Eigentums stellt er beide Sätze unvermittelt nebeneinander: „Eigentum ist Diebstahl; Eigentum ist Freiheit. Diese beiden Sätze sind […] gleichermaßen bewiesen und bleiben nebeneinander in Kraft.“ 2 Methodisch offenbart diese Gegenüberstellung von These und Antithese eine Art sukzessives Etappendenken, das Hegels Drei-Stufen-Dialektik von These, Antithese und Synthese (die den gesamten Sozialismus des 19. Jahrhunderts maßgeblich beeinlusst) ablehnt: Proudhon erkennt in der Gegenüberstellung unaulöslicher Widersprüche ein Grundprinzip intellektueller Produktivität. Inhaltlich führt das Diebstahl- und Freiheits-Eigentum zum Kern der Proudhon’schen Sozialtheorie: Das Diebstahl-Eigentum ist jenes, dass sich ohne Zutun produktiver Arbeit allein durch die Gesetze von Finanzwirtschaft und Immobilienmarkt akkumuliert.3 Im Gegensatz dazu entsteht das Freiheits-Eigentum, oder auch, wie Proudhon es nennt, das „wirkliche Eigentum“, durch produktive Arbeit. Dieses Eigentum ist für ihn das Bollwerk, das das Individuum vor staatlicher Autorität schützt, und deshalb umgekehrt vor Übergriffen durch Staat und Großkapital geschützt werden muss; zugleich ist das freiheitsbildende Eigentum die Basis einer Tausch- und Subsistenzökonomie unter Gleichen, das hieß damals, unter männlichen Bürgern.4 Bedingung für Gleichheit und Freiheit ist jedoch, dass Ausgleichsmaßnahmen oder gemeinschaftliche Institutionen nicht von staatlicher Hand, sondern von konkreten kollektiven Zusammenschlüssen festgelegt und organisiert werden. Staatliche Formen der Kollektivität sind für Proudhon hingegen gleichbedeutend mit Tyrannei, eine Position, die ihn postum zur Referenzigur der Pariser Kommune von 1871 machte, welche ebenfalls die Gewalt des französischen Zentralstaates aufheben wollte. Proudhons Polemik gegen den Staatskommunismus, der besitzende Bürger der Fuchtel staatlicher Autorität unterwerfe, und seine Deinition des Eigentums als Widerstandsmoment gegen staatliche Autorität handeln ihm jedoch auch die vehemente Kritik von Karl Marx und Friedrich Engels ein, die nichts lächerlicher inden, als die Revolution mit Interessen der Mittelklasse zu verbinden. Die drei Gegenargumente Friedrich Engels Die scharfen Unterschiede der Positionen zwischen Fürsprechern des Proletariats und Fürsprechern des Kleinbürgertums treibt Friedrich Engels in seiner Polemik gegen den „Proudhonismus“ im Aufsatz „Zur Wohnungsfrage“ von 1872 auf die Spitze. Erstens, so schreibt Engels, sei es gerade nicht der Besitz, sondern die Besitzlosigkeit und andauernde Mobilität des Proletariats, die zur „allererste[n] Bedingung […] [der] geistigen Emanzipation der arbeitenden Klasse“ geführt habe, während der besitzende Kleinbürger seit jeher zu den reaktionärsten Schichten der Gesellschaft gezählt werden müsse.5 Zweitens würde die Abschaffung der Zinswirtschaft nichts anderes bewirken als den der Arbeiterklasse vorenthaltenen Mehrwert der Arbeit unter Kapitalisten anders zu verteilen, also nur die Verhältnisse unter den bereits Besitzenden verschieben.6 Drittens würde Proudhon in seinem Glauben, durch Gesetze den Markt regulieren und transformieren zu können, die grundlegenden Bedingungen der industriellen Produktion und der kapitalistischen Wirtschaft ignorieren: Proudhons Annahme, ein Produkt könne jederzeit als Tauschmittel dienen, verkennt die Tatsache, dass Produkte nicht automatisch immer den geeigneten Abnehmer inden; und sein Glaube, der „ewige Rechtstitel“ an einem Haus könne automatisch im Laufe eines halben Jahrhunderts das fünf- bis zehnfache der Errichtungskosten einspielen, ignoriere sowohl die Tatsache schwankender Bodenpreise als auch von Betriebsund Instandhaltungskosten.7 Keynesianismus oder Faschismus? Das politische Gewicht des Kleinbürgertums Proudhons Kritik an der Zinsspekulation (Diebstahleigentum) weist Parallelen zur Sozialtheorie John Maynard Keynes’ auf (1883–1946), da beide den Privatbesitz an Produktionsmitteln grundsätzlich befürworten und die Ursache der Übel des Kapitalismus (Mangel an Nachfrage, Krise, Depression, Arbeitslosigkeit und Armut) vor allem der Manipulation des Finanzkapitals zuschreiben.8 Die von Proudhon eingeforderte Sozialisierung der Finanzwirtschaft macht ihn für die Gegenwart genauso interessant wie die von ihm vorgedachte Möglichkeit zu politischer Teilhabe qua Grundbesitz (Freiheitseigentum), die auch in den genossenschaftlichen Wohnungsbaumodellen der Zwischenkriegszeit anklang. Diese tendierten eher zum Proudhon’schen Kommunitarismus als zum Engels’schen Etatismus. Sowohl Hans Schmidt als auch Hans Bernoulli oder Martin Wagner kombinierten in ihren idealen Modellen für moderne Siedlungen gemeinschaftlichen Bodenbesitz mit privaten Produktionsmitteln. Kollektivität geht in diesen Modellen, wie etwa in Wagners Wachsendem Haus (1931/32), nur so weit, wie sie im Rahmen der unmittelbaren Interessen von Beteiligten überschaubar zu organisieren ist – und sie basieren im Fall des wachsenden Hauses auch auf individuellem Grundbesitz.9 Der Engels’sche Vorwurf des Hyperreaktionären im kleinbürgerlichen Denken Proudhons ist jedoch ebenfalls nicht von der Hand zu weisen: Proudhons offen artikulierter Antisemitismus, seine Kriegsverherrlichung und seine Misogynie, die Frauen ähnlich wie später im Nationalsozialismus die Rolle der Kriegergattin und Soldatenmutter zuwies, rechtfertigen den Vorwurf an ihn, den Nährboden für faschistisches Gedankengut bereitet zu haben.10 Zum Schluss: Maßstabsfragen Bezüglich der Eigentumsfrage relativiert die Finanzkrise von 2008 sowohl die Position von Engels als auch die Proudhons. Ursächlich lässt sie sich sowohl auf das aggressive Marketing von Eigenheimen in den USA zurückführen, die Engels in seiner Kritik an Proudhon implizit erfasste, inklusive der Neutralisierung und Disziplinierung sozialer Protestbewegung, denn „debt-encumbered home-owners don’t go on strike“ 11, wie auch der Stadtforscher David Harvey 2010 mit Blick auf die Parallelen zwischen Finanzkrise von 2008 und US-amerikanischen Regierungsstrategien der 1930er-Jahre bemerkte. Finanztechnisch erklärt sich die Krise von 2008 jedoch vor allem durch die aggressive Zinsspekulation und die Entkopplung gegenseitiger Verantwortung von Schuldner zu Gläubiger, die Proudhon als „Diebstahl-Eigentum“ des frühen Industriekapitalismus angegriffen hat. Die Rezession von 2008, deren Last heute von der Allgemeinheit getragen wird und deren Bedingungen und Folgen in der Stadtpolitik der Gegenwart deutlich zu spüren sind, macht es notwendig, die Verhältnisse von Besitz und Eigentum neu zu überdenken. Wer dies tut, reiht sich in die Genealogie der Vordenker ein und bezieht ihnen gegenüber Position. Dabei gilt es heute weniger die Frage zu klären, ob Zins oder Eigentum abzuschaffen sei, als die Frage nach der Größenordnung zu stellen, in der sich „Kollektivität“, das heißt: gemeinschaftliche Teilhabe an öffentlichen Gütern, innerhalb einer neoliberalen und globalisierten Wirtschaft entfalten kann. Anne Kockelkorn 1 Pierre-Joseph Proudhon: Système des contradictions économiques, ou philosophie de la misère, Paris: Guillaumin, 1846 2 Siehe Proudhon 2010, S. 28 3 Proudhon 2010, S. 13: „Herr Blanqui […] gibt zu, dass das Eigentum eine Fülle von Mißbräuchen, von widerwärtigen Mißbräuchen in sich trägt; ich meinerseits nenne ausschließlich die Summe dieser Mißbräuche Eigentum.“ 4 Ebd., S. 173: „[Das Freiheits-Eigentum ist] eine unentgeltliche Gabe, die dem Menschen überreicht wird, um ihn gegen jeglichen Eingriff staatlicher Macht und gegen Übergriffe seitens seiner Mitmenschen zu schützen. Es ist der Brustpanzer seiner Persönlichkeit und der Gleichheit, unabhängig von Unterschieden in Talent, Charakter, Kraft, Geschicklichkeit.“ Siehe ebenso S. 174: „Eigentum-Staat, das sind die zwei Pole der Gesellschaft.“ 5 Friedrich Engels: „Zur Wohnungsfrage“ ( 1872 ), in: Günter Hillmann ( Hrsg.): Über die Umwelt der arbeitenden Klasse: aus den Schriften von Friedrich Engels, Gütersloh: Bertelsmann, 1970, S. 165 6 Ebd., S. 172–73 7 Ebd., S. 162 8 Dudley Dillard: „Keynes and Proudhon“, in: The Journal of Economic History 2, Heft 1 ( 1942 ), hier S. 67 f. 9 Martin Wagner: Das Wachsende Haus. Ein Beitrag zur Lösung der städtischen Wohnungsfrage, Berlin: Bong, 1932, S. 30–34 10 Siehe Pierre-Joseph Proudhon: La guerre et la paix ( Paris: Dentu, 1861 ) und J. Salwyn Schapiro: „Pierre Joseph Proudhon, Harbinger of Fascism“, in: The American Historical Review 50, Heft 4 ( 1945 ) 11 Für eine allgemeine Einführung, siehe David Harvey: Spaces of Global Capitalism ( London: Verso, 2006 ). – Das Zitat „debt-encumbered home-owners don’t go on strike“ in Bezug auf die Wohnungspolitik der 1930er-Jahre stammt aus Harveys Vortrag „The Crisis of Capitalism“, gehalten vor der „Royal Society for the encouragement of Arts, Manufactures and Commerce“ in London, April 2010 ( https://www.thersa.org/globalassets/pdfs/ blogs/rsa-lecture-david-harvey-transcript.pdf; zuletzt abgerufen am 19. September 2015 ) 0242 EINKAUFSVERHALTENS, EINE THEORIE DES Wack, 1975 0243 EISENBAHNOBERBAUES, BEITRÄGE ZU EINER DYNAMISCHEN THEORIE DES 0246 EISENBETONS, VORLESUNGEN ÜBER THEORIE DES Hager, 1916 0247 EKEL: THEORIE UND GESCHICHTE EINER STARKEN EMPFINDUNG Menninghaus, 1999 0248 ELECTIONS, A BEHAVIORAL THEORY OF Bendor / Diermeier / Bendor, 2011 0249 ELECTROMAGNETIC FIELD, A DYNAMICAL THEORY OF THE Dreyer, 1925 Maxwell, 1865 0244 EISENBETONS, BEITRAG ZUR THEORIE DES 0250 ELECTROMAGNETISM, THE THEORY OF Fruchthändler, 1912 0245 EISENBETONS, ENTWICKLUNGSGESCHICHTE UND THEORIE DES Jones, 1964 0251 ELEMENTARY DECISION THEORY Chernoff / Moses, 1988 Foerster, 1912 65