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ANTÆUS
Communicationes ex Instituto Archaeologico
Academiae Scientiarum Hungaricae
35–36/2018
Sigel: Antaeus
antæus
35-36
Communicationes ex Instituto Archaeologico
Academiae Scientiarum Hungaricae
Communicationes ex Instituto Archaeologico
Academiae Scientiarum Hungaricae
Distribution of exchange copies by
the Library of the Institute of Archaeology, Research Centre for the Humanities,
Hungarian Academy of Sciences
H-1097 Budapest, Tóth Kálmán u. 4.
General Editor:
FRIDERIKA HORVÁTH
Editoral Board:
VIKTÓRIA KISS, BÉLA MIKLÓS SZŐKE, LÁSZLÓ TÖRÖK, CSILLA ZATYKÓ,
MIHAEL BUDJA, CLAUS VON CARNAP-BORNHEIM,
SIR DAVID WILSON
The publication of this volume was supported by a special grant of the Hungarian Academy of Sciences
HU ISSN 0238-0218
Desktop editing and layout by Archaeolingua
Printed in Hungary by the Prime Rate Kft.
Cover by H&H Design
INHALT – CONTENTS
Abbreviations
9
Transformation und Konfrontation mit der römischen Tradition in der Spätantike
und im frühen Mittelalter – Romani und Barbaren in West- und Ost-Mitteleuropa / Facing and
Transforming the Roman Tradition in the Late Antiquity and the Early Middle Ages – Romanness and the Barbarians in Western and Central Europe
Budapest, 10th–11th November 2016
Péter Kovács: Et semper habitatio imperatorum est – Notes on the imperial residences
in Pannonia in the Late Roman period
13
Friderika Horváth – Anett Miháczi-Pálfi – Sándor Évinger – Zsolt Bernert:
Barbarisierte Römer – Romanisierte Barbaren? Interpretationsmöglichkeiten
der fremden Komponente am Beispiel des Gräberfeldes von Somogyszil
39
Anett Miháczi-Pálfi: Form- und herstellungstechnische Analyse der Bügelfibeln von
Balatonszemes aus dem dritten Viertel des 5. Jahrhunderts
67
Vujadin Ivanišević – Ivan Bugarski: Transformation of burial space in the cities
of Northern Illyricum during the Late Antiquity
91
Orsolya Heinrich-Tamáska – Roland Prien: Keszthely-Fenékpuszta in der Spätantike:
Ein Vorbericht über die deutsch-ungarischen Ausgrabungen zwischen 2009 und 2017
119
Róbert Müller: Romani et Barbari in der Keszthely-Kultur
147
Adrienn Blay: Überlegungen zur Bedeutung und Gültigkeit des Begriffs
„Keszthely-Kultur“ und weitere mögliche Ansätze
167
Hajnalka Herold: Settlements of the Avar Khaganate
187
Levente Samu – Falko Daim: Die Pseudoschnallen in der Awarenzeit
und ihre Transformation
Sonngard Hartmann: Materialanalyse der Pseudoschnallen aus Dunapentele
205
243
Ádám Bollók: Mortuary display, associated artefacts, and the resurrection
of the body in early Christian thought: Some considerations for archaeologist
245
Sebastian Brather: ‚Christianisierung‘ im archäologischen Vergleich:
Merowinger- und Mährerreich
271
Béla Miklós Szőke: Spätantike Reminiszenzen im Karpatenbecken des 8.–9. Jahrhunderts? 291
How long was the ninth century A.D. in the Carpathian Basin? New Data –
New Approaches, Budapest, 8th–9th December 2015
Szabina Merva: Methodological approaches to the archaeology on ninth–tenth-century
sites in Hungary. The current state of research
311
Zbigniew Robak: Chronology and periodisation of imports of Carolingian
military equipment in the Carpathian Basin between the eighth and the tenth centuries
327
Krešimir Filipec: Zwei Kirchen aus dem 9. Jahrhundert in Lobor und ihr Inventar
345
Miklós Takács: How long indeed was the ninth century AD in the Carpathian Basin
and the adjacent territories? Consclusions of a conference
363
Reports
Elek Benkő – Gergely Csiky – Beatrix Darázsy – Gyöngyi Kovács – Gabriella Kulcsár –
Balázs Gusztáv Mende – Krisztián Oross – László Sópajti-Tóth – Tivadar Vida:
The medium-term strategic plan of the Institute of Archaeology of the Research Centre
for the Humanities of the Hungarian Academy of Sciences and its scientific activity
in 2016 and 2017
373
ANTAEUS 35–36 (2017–2018) 345–361
KREŠIMIR FILIPEC
ZWEI KIRCHEN AUS DEM 9. JAHRHUNDERT IN LOBOR
UND IHR INVENTAR
Abstract: With its church dedicated to the Blessed Virgin Mary, the settlement of Lobor was one of the
most important ecclesiastic and political centres of Pannonia between the ninth and eleventh centuries.
An early Christian church was erected in the later fifth or early sixth century in the hilltop settlement.
The pre-Romanesque (ninth century), Romanesque (twelfth–thirteenth centuries) and the Gothic church
(fourteenth–fifteenth centuries) that was finally rebuilt in the Baroque style was built over this early church.
The excavations in the area brought to light numerous earlier carved stone relics originating from the interior
of the pre-Romanesque church that had been incorporated into the later church’s walls. The fragments do
not all date from the same period: the stylistic traits indicate that pre-Romanesque and early Romanesque
remains are both represented, although it is possible that the differences can be attributed to the re-use and
re-carving of the abundant marble fragments by the masons working on the church.
Stichwörter: spätantike Befestigung, heidnischer Tempel, frühchristliche Kirche, vorromanische Kirche,
romanische Kirche, Kirche der Muttergottes, Marmorstein, Skulpturen, Bauplastik, Lobor
Die Ortschaft Lobor mit der Kirche der Muttergottes vom Berg (Nordkroatien, Region Hrvatsko
zagorje etwa 50 km nördlich von Zagreb) war im frühen Mittelalter vom 9. bis zum 11.
Jahrhundert eines der wichtigsten kirchlichen und politischen Zentren in Pannonien (Pannonia
inferioris / inter Savum et Dravum).1 Ende des 8. und Anfang des 9. Jahrhunderts wurde die
spätantike Befestigungsanlage umgebaut bzw. eine Palisade oberhalb der spätantiken Wehrmauer,
die auf einem prähistorischen Erdwall2 gebaut worden war, errichtet. Die spätantike Festung und
Höhensiedlung in Lobor lag an der damals kürzesten Straße Siscia ‒ Poetovio, und entstand
an der Stelle einer vorgeschichtlichen Wallburg, sodass man die Siedlungsgeschichte von der
frühen Bronzezeit bis zur jungen Eisenzeit zurückverfolgen kann (Abb. 1. 1). Gegen Ende des
2. Jahrhunderts wurden die Bauaktivitäten an dieser Lokalität wieder intensiver. In der zweiten
Hälfte des 5. Jahrhunderts oder Anfang des 6. Jahrhunderts wurde auf einer Anhöhe innerhalb
der Siedlung eine frühchristliche Kirche ‒ vermutlich an der Stelle eines heidnischen Tempels ‒
errichtet und über ihrem Zentralteil baute man später eine vorromanische (9. Jahrhundert),
danach eine romanische (12.‒13. Jahrhundert) und eine gotische Kirche (14.‒15. Jahrhundert),
die nachher im Barockstil umgebaut wurde (Abb. 1. 2).
Die frühchristliche einschiffige Kirche mit freistehendem Baptisterium hatte eine Vorhalle
(Narthex), und an der Nordseite mehrere Anbauten, die aus verschiedenen Epochen stammen.
Die Nordmauer der Kirche war 17 m lang – also ungefähr genauso lang wie der Narthex –
und etwa 0,6 m breit. Ein vor dem Narthex gelegener Korridor verband die Kirche mit dem
oktogonalen Baptisterium. Innerhalb des achteckigen Baptisteriums (Maße 6 × 6 m) befand sich
1
2
Diese Arbeit wurde vom HRZZ (Croatian Science Foundation) IP-2016-06-6622 finanziert.
Diese Fundstelle wird an mehreren Stellen beschrieben, Filipec 2007 411–422; Filipec 2013 301–310;
Filipec 2015 263–269, Abb. 31–32.
346
KREŠIMIR FILIPEC
Abb. 1. 1. Kirchensitze in Südpannonien (Pannonia inferior) im 9. Jahrhundert, 2. Lobor. Muttergotteskirche
vom Berg (Majka Božja Gorska). Standort mit einzelnen Bauphasen der Sakralobjekte
ZWEI KIRCHEN AUS DEM 9. JAHRHUNDERT IN LOBOR UND IHR INVENTAR
347
Abb. 2. 1. Innenraum der bestehenden gotischen Kirche (rechte Seite des Chorraums) mit den Resten der
vorromanischen Apsis und den weißen Marmorplatten am Sockel, 2. Innenraum der bestehenden gotischen
Kirche (linke Seite des Chorraums). Marmorplatten mit der Vertiefung für die Chorschranke
ein hexagonales Taufbecken (piscina). Der Boden der Piscina war mit Marmorplatten belegt,
die man auch im gotischen Kirchenchor vorfindet, sodass nicht auszuschließen ist, dass auch
der Boden der frühchristlichen und vermutlich auch der vorromanischen und romanischen
Kirche mit solchen Platten belegt war (Abb. 2). Im Baptisterium sind auch der ursprüngliche
Betonboden, eine Treppe und die steinerne Schwelle der Tür, die zum Korridor führte, teilweise
erhalten. Vom Kirchenmobiliar ist die Marmormensa des Altars erhalten geblieben, die auch
später in der vorromanischen Kirche benutzt wurde (Abb. 3. 2), und ebenso mehrere Bruchstücke
der Gitterfenster (Transennen) und zahlreiche Bauplastikfragmente aus Marmor. Im Schutt,
der um das oktogonale Baptisterium lag, wurde eine rustikale Statue der Göttin Diana oder der
Urmutter (Magna mater) gefunden (Abb. 3. 1). Diese war gleichfalls aus Marmor gefertigt,
wurde jedoch beim Bau des Baptisteriums stark beschädigt und weggeworfen. Das rustikale
Bildnis der Göttin belegt, dass Marmor bereits bei der Errichtung des vorchristlichen Tempels
in der Spätantike verwendet wurde. Alle Bruchstücke der Skulpturen sowie der Bauplastik aus
der vorromanischen Kirche sind aus Marmor, und auf einigen kann man alte antike Ornamente
erkennen. In der bestehenden gotischen Kirche sind die Türschwellen des Hauptportals sowie des
seitlichen Südportals aus Marmor wie auch die Bodenplatten im Chorraum erhalten, sie wurden
jedoch während der Einrichtung der Kirche in der Zeit der Gotik teilweise durch Sandsteinplatten
348
KREŠIMIR FILIPEC
Abb. 3. 1. Kopf der Göttin Diana oder der Urmutter (Magna Mater) (ohne Maßstab), 2. Marmoraltar
(Mensa) in der bestehenden gotischen Kirche
ersetzt. Aus Marmor war auch die Mensa des Altars mit einer eingemeißelten Vertiefung für den
hölzernen Reliquienschrein. Der heutige Barockaltar wurde später über der Mensa aufgestellt. Die
obere Platte der Mensa ist gerade – wie auch ihre Seitenränder – und nach unten abgeschrägt. Die
Mensa wurde auf einen rechteckigen Block aus Mauerstein aufgesetzt.3 Obwohl sie vermutlich erst
nachträglich hier aufgestellt wurde, findet man ähnliche Beispiele von Altären mit rechteckigem
Mittelblock aus Mauerstein vielerorts in Dalmatien sowie in der frühmittelalterlichen Kathedrale
von Biograd (Abb. 4).4 Eine weitere Mensa mit profilierter Oberkante und Vertiefungen für
Altarsäulchen an der Unterseite wurde bei archäologischen Grabungen südlich der Kirche
3
4
Die Mensa aus Lobor weist viele Ähnlichkeiten mit dem Lesepult aus der Kirche der Hl. Cäcilia in der
Ortschaft Biskupija bei Knin auf (Gunjača – Jelovina 1976 22, 97; Marasović 2009 534–535).
Marasović 2008 317.
ZWEI KIRCHEN AUS DEM 9. JAHRHUNDERT IN LOBOR UND IHR INVENTAR
349
Abb. 4. Marmoraltarsfragment (Mensa), was bei den Ausgrabungen im Jahr 2003 südlich der Kirche
gefunden wurde (ohne Maßstab)
freigelegt, und an mehreren Stellen fand man auch Bruchteile der dazugehörigen Säulchen mit
rechteckigem Profil. Man findet viele ähnliche Mensen in Istrien und Italien, was darauf schließen
lässt, dass sie vermutlich noch aus frühchristlicher Zeit stammt, jedoch auch später im 9. und
10. Jahrhundert verwendet wurde. Auf einer Bodenplatte im gotischen Chorraum kann man
noch die Vertiefungen für die Chorschranken erkennen (Abb. 2. 2). Marmor wurde auch in den
späteren Jahrhunderten massenweise an verschiedenen Stellen, vom Fundament bis zum Dach,
als herkömmliches Baumaterial verwendet, sodass in der heutigen Kirche der Muttergottes vom
Berg etwa 30 m³ Marmorstein gefunden wurde. Die Treppe der vorromanischen Kirche wurde
aus antiken Spolien gefertigt. Viele dieser Bruchstücke waren aus Marmor, profiliert und reich
verziert. Die Treppe führte zum Eingang in die Kirche mit einem Vordach aus Holz. An einer
dieser Spolien ist ein Inschriftsfragment L·D[…] erhalten, und vermutlich lautete der Text L(ocus)
d(atus) [d(ecreto) d(ecurionum)] (Abb. 5. 1). Dies belegt, dass Marmor in Lobor wahrscheinlich
noch zur Zeit des spätrömischen Kaisertums (noch Anfang des 3. Jahrhunderts) bei der Errichtung
eines prachtvollen Gebäudes in der damaligen antiken Siedlung verwendet wurde. Da es sich
um eine größere Menge Marmorstein handelte, spricht dies eher für einen Prachtbau als für eine
Grabkapelle oder mehrere Grabstätten, da auch die bislang gefundenen Stelen oder Fragmente
antiker Grabsteine hauptsächlich aus Sandstein oder gewöhnlichem Kalkstein waren. Da Lobor
zum Gebiet von Ptuj bzw. dem Ager Poetovio gehörte, wurde Marmor aus dem Westen in die
südöstlichen Teile der gleichnamigen Gemeinde transportiert. Es handelt sich um eine erstaunlich
große Menge, da der Marmor seit der Antike bis zum heutigen Tage ständig wiederverwertet wurde.
Einige architektonische Bruchstücke und Teile der Bauplastik, die in dieser Arbeit präsentiert
werden, wurden als Spolien in die Mauern der romanischen oder heutigen gotischen Kirche,
die über dem Vorgängerbau errichtet wurde, eingebaut. Bislang wurden etwa Dutzend größere
und kleinere Bruchstücke vorromanischer Skulpturen gefunden, die sich je nach Bearbeitung,
Verzierung und Epigraphik voneinander unterschieden (Abb. 5. 2). Nach den Stilmerkmalen kann
man diese in den Zeitraum vom 9. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts datieren.5
5
Gewisse Ähnlichkeiten der Verzierung kann man auch bei einigen anderen Bruchstücken aus Pannonien
erkennen wie beispielsweise aus Sisak in Kroatien (Horvat 1954), aus Slivnica bei Maribor in Slowenien
(Karaman 1952 93–95; Cevc 1963 25, Abb. 11–12) oder Zalavár (Burg Zalavár) in Ungarn (Cs. Sós –
Bökönyi 1963 Taf. XCVIII. 2).
350
KREŠIMIR FILIPEC
Abb. 5. 1. Fragment einer der antiken Spolien mit Inschrift: L·D[…], was in die Treppe der vorromanischen
Kirche eingebaut wurde (ohne Maßstab), 2. Eine Auswahl von architektonischen Bruchstücken und
Bauplastikfragmenten aus der vorromanischen Kirche
Die spätantike Festungsanlage wurde von den Slawen Ende des 6. Jahrhunderts zerstört. Wegen
ihrer strategisch wichtigen Position wurde sie Ende des 8. und Anfang des 9. Jahrhunderts zur
Zeit der Kriege zwischen den Awaren und Franken vermutlich mehrmals belagert, bis letztendlich
ZWEI KIRCHEN AUS DEM 9. JAHRHUNDERT IN LOBOR UND IHR INVENTAR
351
dieser gesamte Teil von Pannonien an die Franken fiel. Aus dem 8. Jahrhundert stammen
Fragmente von Keramikgefäßen und ein Brandgrab. Zwischen den Ruinen der frühchristlichen
Kirche aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts oder Anfang des 6. Jahrhunderts sowie eines
bislang nur teilweise erforschten antiken Bauwerks wurde an der Stelle, wo man auch teils
erhaltene Urnengräber fand ‒ die also noch vor der Ankunft der Franziskaner, die in diesem
Gebiet als Missionare tätig waren, als Bestattungsstätte diente ‒, Anfang des 9. Jahrhunderts
eine einschiffige Holzkirche mit rechteckiger Apsis und einer Dachtraufe über dem Eingang
errichtet. Ihre Errichtung an einer Stelle, wo sich eine heidnische Begräbnisstätte befand, hatte
gewiss eine symbolische Bedeutung. Von der Holzkirche sind nur die Gräben und Pfahllöcher
übrig geblieben, in die man senkrecht hölzerne Pfähle einsteckte. Der Bodenbelag der Kirche
war aus Tonerde, die mit Schutt vermischt wurde, und teils auf Steingrund lag. Vor dem Chor
blieben Löcher der Säulen, die einst vor der Apsis standen, erhalten; vermutlich handelt es sich
um Überreste einer Altarschranke aus Holz. Das Kirchenschiff einschließlich Apsis war 11 m
lang und etwa 6 m breit. Im Laufe des 9. Jahrhunderts entstand ein Friedhof um die Kirche, wo
die christianisierte Bevölkerung bestattet wurde. Das Grab einer jungen Frau (Grab Nr. 536) links
in der Apsis der Holzkirche konnte anhand der traubenförmigen Ohrringe aus Silberguss sowie
der ovalen Drahtohrringe mit Aufsätzen und einer Metallbeere in die Mitte oder 2. Hälfte des
9. Jahrhunderts datiert werden.6 Dieser Schmuck belegt einerseits den gesellschaftlichen Status
der Verstorbenen und bietet andererseits einen wichtigen Anhaltspunkt für die Bestimmung der
Entstehungszeit der Kirche. In der Kirche wurden Fragmente einer mit Beinintarsien verzierten
Holzschatulle gefunden. Vermutlich handelte es sich um einen Reliquienschrein.7
Über der frühchristlichen Kirche mit freistehendem Baptisterium wurde die vorromanische
Kirche aus Mauersteinen errichtet, doch es ist schwer zu bestimmen, ob sie zur gleichen Zeit
wie die Holzkirche oder einige Jahrzehnte später gebaut wurde. Einen entsprechenden Hinweis
liefern vorromanische Skulpturenfragmente, die nach ihren Stilmerkmalen aus dem 9. Jahrhundert
stammen. Die Kirche hatte drei Schiffe und drei eingebaute Apsiden, eine Vorhalle und einen
Glockenturm an der Frontseite, von dem aus man die Kirche betreten konnte. Der Chorraum
der romanischen Kirche wurde an gleicher Stelle errichtet, wo sich der Chor des Vorgängerbaus
befand, nur war er etwas breiter, und die mittlere Apsis kann man noch immer bis zu einer
Höhe von über 2 m in der heutigen, aus der Gotik stammenden Apsis erkennen. Die romanische
Apsis wurde in die gotische Kirche eingegliedert. Die Profilierung der Nord- und Südmauer
der vorromanischen Kirche bestand aus einfachen Lisenen, während der Glockenturm durch
Strebepfeiler an der Südseite abgestützt wurde, die man im 11. Jahrhundert noch verstärkte. Von
der Frontseite bis zum Ende der Südapsis war die Kirche 24 m lang und etwa 13 m breit. Die
erhaltenen Fundamente lassen keinen Seiteneingang an der Südseite erkennen, sodass lediglich
die Treppe darauf hindeutet, dass er überhaupt existierte. In Lobor gab es um die Mitte des
9. Jahrhunderts ganz bestimmt zwei Kirchen: eine Holzkirche und eine gemauerte Kirche. Von
der Ausstattung der Holzkirche sind nur Teile des Reliquienschreins erhalten geblieben, während
zahlreiche Fragmente der Innenarchitektur sowie liturgische Gegenstände und Bauplastiken mit
fragmentarisch erhaltenen Inschriften Anhaltspunkte bezüglich des Mobiliars der gemauerten
Kirche bieten (Abb. 6). Von den in der heutigen Kirche noch vorhandenen Gegenständen
wie Mensa, Bodenplatten und Türschwellen war bereits die Rede. Außerdem wurden viele
Bruchstücke gefunden, die sich nicht nur anhand der Ornamentik unterscheiden, und die man
6
7
Filipec 2015 263–264, Abb. 99.
Die Holzkirche und der Reliquienschrein wurden bereits an mehreren Stellen beschrieben (siehe
Filipec 2010 51–59; Filipec 2013 301–310). Bei den archäologischen Grabungen im Jahr 2014 wurde
ein vergoldeter Zungenriegel mit ähnlichem Flechtband wie bei den Intarsien aus Bein gefunden, was die
Vermutung nahe legt, dass damit das Zungenschloss des Reliquienschreins verriegelt wurde.
352
KREŠIMIR FILIPEC
Abb. 6. Holzschatulle bzw. Reliquienschrein mit Intarsien aus Hirschbein, die mit Motiven aus der Tierwelt,
Blumen sowie abstrakten, sakralen und geometrischen Mustern verziert war. Es wurde bei der Freilegung
der Holzkirche gefunden (Rekonstruktion nach Krešimir Rončević)
wegen der Übereinstimmungen mit Fragmenten aus italienischen und dalmatinischen Fundorten
in den Zeitraum vom 9. bis zum 11. Jahrhundert datieren kann. An dieser Stelle sei nur kurz
erwähnt, dass es sich auch um Unterschiede bei der bildnerischen Gestaltung handelt, die einen
Rückschluss auf verschiedene Entstehungsepochen erlauben. Einen Anhaltspunkt dafür bietet
vor allem die Inschrift auf der Chorschranke, viel mehr als andere Fragmente, die belegen, dass
die Kirche bereits im 9. Jahrhundert verziert war, jedoch später noch Ausstattungsgegenstände
wie das Ziborium, das erhöhte Lesepult und Kirchenbänke hinzukamen. Man kann auch die
Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Ausstattung des Kircheninnenraums während einer
längeren Zeitspanne angeschafft bzw. angefertigt wurde. Anhand der schön verzierten Pilaster
und der Chorschranken kann man die Pracht der einstigen Bauplastik nachvollziehen. Als
Beispiel möchten wir hier zwei Pilaster mit Flechtornament und Pflanzenmotiven erwähnen.
An einem kann man den Lebensbaum erkennen, aus dem ein Kreuz mit Voluten emporsteigt ‒
eine für das erste Drittel des 9. Jahrhunderts typische Darstellung (Abb. 7. 1). An dem zweiten
Pilaster mit beidseitiger Verzierung sind auf einer Seite Blumenmotive zu erkennen und auf der
anderen ein dreifaches Flechtbandornament mit rundem Knotenmuster. Die Bogen enden in
Schlangenköpfe (Abb. 7. 2). Die Chorschranken sind überwiegend mit dreifachen Flechtbändern
verziert, die verschiedene Formen wie Knoten, Kreise, Brezeln oder geometrische Motive bilden.
Ein sehr schönes Beispiel stellt die teilweise erhaltene Chorschranke mit einem Kreis dar, in dem
ein Vogel mit nach hinten gewandtem Kopf abgebildet ist (Abb. 7. 3). Im Raum zwischen den
Kreisornamenten sind Seelilien wie auf der bekannten Chorschranke aus Koljani bei Vrlika aus
dem 9. Jahrhundert dargestellt.8 Von den Bruchstücken aus dem 9. Jahrhundert unterscheidet sich
stilistisch vor allem die runde Brüstung des Ambos mit der Darstellung zweier Greife neben einem
nur teilweise erhaltenen Baum (Abb. 7. 4). Nicht nur die heraldische Darstellung, sondern auch
8
Marasović 2011 60–68, Abb. 83.
ZWEI KIRCHEN AUS DEM 9. JAHRHUNDERT IN LOBOR UND IHR INVENTAR
353
Abb. 7. 1. Pilaster mit Darstellung des Lebensbaums und eines Kreuzes am Baumwipfel, 2. Pilaster
mit Knotenornament, welches in Schlangenköpfe endet 3. Bruchstück der Reliefplatte (Pluteus) der
Chorschranke, 4. Bruchstück mit Darstellung zweier Greife und des Lebensbaums, vermutlich ein Teil des
Ambos (ohne Maßstab)
354
KREŠIMIR FILIPEC
Abb. 8. 1. Bärtiger Mann. Bruchstück der Transenne aus Lobor, 2. Kroatischer Würdenträger. Bruchstück
der Transenne aus Biskupija bei Knin (nach Gunjača – Jelovina 1976 35) (ohne Maßstab)
die Bearbeitung dieses Bruchstücks ist anders als bei den bereits erwähnten Beispielen; der Stein
ist wesentlich gröber behauen, und das Flechtbandornament ist viel flacher. Der Ambo wurde
wahrscheinlich um die Mitte oder gegen Ende des 11. Jahrhunderts in der Kirche aufgestellt, zur
gleichen Zeit wie das neue Ziborium und die Transenne, die zur Abgrenzung des Altars diente
und mit einem Relief, das einen bärtigen Mann zeigt, verziert ist (Abb. 8. 1). Von dieser Figur
sind Kopf und Oberkörper gut erhalten, und die Gestaltung weist gewisse Ähnlichkeiten mit
Fundstücken aus Dalmatien auf, vor allem mit der Transenne der Kirche Biskupija-Crkvina bei
Knin (Abb. 8. 2).9 Diese Übereinstimmungen sind vorwiegend an der Bearbeitung des Steins und
der Gestaltung einzelner Körperteile – beispielsweise des Mundes – zu erkennen. Es ist schwer
zu sagen, ob es sich dabei um einen Heiligen, einen Würdenträger oder um einen Teil einer
figurativen Komposition, etwa einer Bibelszene, handelt. Anhand des Fundstücks aus BiskupijaCrkvina könnte man annehmen, dass es ein Würdenträger bzw. ein Schirmherr war, der die
Innenausrichtung der Kirche mitfinanzierte. Die verblüffende Ähnlichkeit mit der Transenne aus
Biskupija bei Knin, dem Mittelpunkt des damaligen kroatischen Königreichs, lässt die Annahme
zu, dass einer der Schirmherren der Kirche aus der ehemaligen Königsresidenz stammte. Vielleicht
handelt es sich sogar um einen König, und man kann ebenfalls nicht ausschließen, dass auch
Steinmetzen aus diesem Gebiet nach Lobor kamen.
Die Bruchstücke aus Lobor stammen gewiss nicht aus der gleichen Epoche, da auch die
Stilmerkmale darauf hindeuten, dass wir es hier mit echter Vorromanik und Frühromanik zu tun
haben. Allerdings liegt auch die Vermutung nahe, dass die Unterschiede bei einzelnen Reliefs
auch darauf zurückzuführen sind, dass sie aus vor Ort gefundenem Marmorstein gemeißelt oder
9
Gunjača – Jelovina 1976 33–37; Marasović 2008 350–351.
ZWEI KIRCHEN AUS DEM 9. JAHRHUNDERT IN LOBOR UND IHR INVENTAR
355
von verschiedenen Steinmetzen während eines längeren Zeitraums angefertigt wurden. Solche
abweichenden Elemente, die Ähnlichkeiten mit jenen aus Norditalien oder Dalmatien aufweisen,
findet man sogar an derselben Chorschranke oder in derselben Kirche.10 Da die dreischiffige
Kirche drei Apsiden hatte, war sie wahrscheinlich architektonisch reich gegliedert, und es könnte
sein, dass einzelne Teile der Inneneinrichtung aus verschiedenen Epochen stammen. Einen Beleg
für mehrfachen Umbau sowie später hinzugekommene neue Ausstattungsgegenstände liefern uns
vor allem die steinernen Fragmente mit Inschriften.
An den Fragmenten des Säulengebälks aus Lobor kann man sehr gut italienische Einflüsse ‒
vor allem aus den Regionen Venetien und Istrien (Venetia et Histria) ‒ erkennen.11 Die gleiche
Anordnung mit Hacken an den Kanten, einer Inschrift in der Mitte und einem zwei- oder dreifachen
Flechtornament im unteren Teil findet man in Istrien auf einer Inschrift mit dem Namen des
Presbyters Leopardis, des Schirmherrn der Kirche in Poreč, auf dem Steinfragment aus der Kirche
des Heiligen Pelagius in Poreč, auf einem Bruchstück aus Gurano, oder einem Architravfragment
aus der Kirche der Heiligen Theodora in Pula sowie auf einigen bislang unveröffentlichten
Bruchstücken aus Pula, die im Lapidarium des Archäologischen Museums ausgestellt sind.
Ähnlichkeiten weisen auch die Fundstücke aus der Krypta der St.-Maria-Kirche in Bale (ohne
Inschrift in der Mitte), drei Fragmente eines Architravs aus dem Archäologischen Museum in
Aquileia oder die Architravsfragmente aus der Kirche der Heiligen Euphemia in Grado, die eine
Inschrift über die Einrichtung der St.-Markus-Kapelle im Jahr 807 unter dem Patriarchen Iohannes
Iunior tragen, sowie die Inschrift aus der Basilika der Heiligen Maria und Donatus auf Murano,
in der der Schirmherr der Kirche erwähnt wird.12 Architrave mit ähnlicher Anordnung findet
man in Dalmatien, und sie werden mit der Tätigkeit der Steinmetzwerkstatt von Trogir aus dem
ersten Drittel des 9. Jahrhunderts in Verbindung gebracht, für die Säulengebälke mit einer von
Hacken und dreifachen Flechtornamenten gesäumten Inschrift oder gebrochene Giebel über dem
Chordurchgang ohne Flechtbandornament charakteristisch waren.13 Ähnliche Architrave findet
man auch in Split mit elegant geformten Hacken und doppelten Flechtbändern oder in Pađeni und
Morinj (ohne Inschrift), in Žedno auf der Insel Čiovo sowie bei einigen kleineren Bruchstücken
aus der St.-Georg-Kirche auf Putalj mit doppeltem Flechtbandornament.14 Diese Merkmale sind
sowohl in Dalmatien als auch in Pannonien auf norditalienische Einflüsse zurückzuführen und
werden oftmals mit dem Kirchenpatriarchen Fortunato aus Grado in Zusammenhang gebracht.15
An den Bruchstücken des Gebälks in Lobor wiederholt sich stets das gleiche Schema mit Hacken
an der Kante, einer Inschrift in der Mitte sowie zweifachen oder dreifachen Flechtbändern,
während beim Rundgiebel über dem Chordurchgang keine Hacken vorhanden sind.16 Auf dem
Architrav sind mehrere Fragmente mit doppeltem Flechtband und die teilweise erhaltene Inschrift
†SVMME… an der linken Seite außen zu erkennen (Abb. 9. 1), genauso auf dem Bogengiebel
10
Tavano 1981; Marasović 2008; Marasović 2009; Marasović 2011.
Tavano 1981; Tagliaferri 1981; Burić 2001 169–182, 191–193; Basić – Jurković 2011 170–177; Jakšić
2015 267–294.
12
Tagliaferri 1981 166–168, Taf. XLIV. 417 Taf. CXLI. 540–543, Taf. CXCIV; Burić 2001 191; Jakšić
2015 93–94, 287, Anm. 48–53, Abb. 19.
13
Delonga 1996; Delonga 2001 91–92; Jakšić 2015 93–94, 267–294. Eine ähnliche Komposition weist
auch das Bogenfragment einer Chorschranke mit Inschrift auf, die vermutlich aus Sisak stammt (Horvat
1954 93–104).
14
Jakšić 2015 287.
15
Delonga 2001 91. Der Stil und die Formen der Ornamente und Inschriften auf dem Bruchstück aus Lobor
entsprechen der bildnerischen Gestaltung und Epigrafik der vorromanischen Architrave, die während der
ersten 3 Jahrzehnte des 9. Jahrhunderts. an der Nordadria (Grado, Murano, Torcello, Poreč) entstehen
(Burić 2001 191; Tavano 1981; Jakšić 2015 288).
16
Karaman 1948 109–110, Taf. 1. 1; Karaman 1952 96–97; Delonga 2001 91–92, Nr. II. 13; Filipec 2001
92, Nr. II. 14; Burić 2001 191; Filipec 2015 263–269, Abb. 166–167.
11
356
KREŠIMIR FILIPEC
Abb. 9. 1. Bruchstück eines steinernen Altarschrankenbalkens mit Innschrift: +SVMME... (Photo von
Tihomil Stahuljak 1946), 2. Bruchstück des Giebels der Chorschranke mit Inschrift: …P oder R?A A…, 3.
Bruchstück des Giebels der Chorschranke mit Inschrift: […ad hon]ORE[m]BEA[ti]… […], 4. Bruchstück
des Giebels der Chorschranke mit Inschrift: …0(?) SVA S[an]C[t]A M(?)…, 5. Bruchstück eines steinernen
Altarschrankenbalkens mit Inschrift: …[deo gra]CIAS AM[en] M[...] (ohne Maßstab)
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Abb. 10. 1. Bruchstück des Ziboriums mit Inschrift: […ad hon]ORE[m]BEATI A I, M oder N?)[…],
2. Säulenfragment des Ziboriums (ohne Maßstab)
mit einem Loch, durch das Blei gegossen wurde, mit dem Text …P oder R?A A… (Abb. 9. 2),
und an der rechten Seite des Bogens …VEO…, jedoch ohne Flechtband und Hacken und mit
einem größeren Abstand zwischen den Buchstaben. Die Form und Bearbeitung der Buchstaben
weisen darauf hin, dass sie nicht vom gleichen Denkmal und vermutlich auch nicht aus der
gleichen Epoche stammen. Daher handelt es sich wahrscheinlich weder um Teile der gleichen
Inschrift noch um Fragmente des gleichen Architravs. Man findet hier auch Bruchstücke mit
ähnlicher Anordnung innerhalb des Inschriftfeldes, jedoch mit dreifachem Flechtband. An einem
anderen Architrav ‒ oder dem gleichen nur mit unterschiedlicher Verzierung ‒ kann man auf
dem Bogen Teile einer Inschrift erkennen: […ad hon]ORE[m]BEA[ti]… […] (Abb. 9. 3), sowie
…RVM D..., und ebenso am Übergang des Bogens zum Architrav rechterseits … den Text 0(?)
SVA S[an]C[t]A M(?)… (Abb. 9. 4), und rechts vom Bogen …[deo gra]CIAS AM[en] M[...]
(Abb. 9. 5). Dies würde bedeuten, dass ein Architrav oder vielleicht sogar zwei mit einem
doppelten Flechtband und Inschrift und ein weiterer Architrav mit einem dreifachen Flechtband
verziert waren. Unterschiede sind nicht nur in der Gestaltung des Flechtbandornaments sondern
auch in der Bearbeitung zu erkennen, wobei die Exemplare mit dreifachem Flechtband feiner
bearbeitet wurden. Doch auch die Bruchstücke mit doppeltem Flechtband unterscheiden sich
voneinander, indem das Fragment mit der Inschrift …VEO… elegantere Formen aufweist, und das
Bruchstück mit dem Text †SVMME… gröber behauen ist, während sich die Buchstaben auf dem
Textfragment …P oder R?A A… von allen anderen durch die Gestaltung der Haste unterschieden.
Ähnlich gestaltet ist auch die Inschrift auf dem Ziborium mit Hacken und dreifachem Flechtband
mit dem Text […ad hon]ORE[m]BEATI A I, M oder N?)[…] (Abb. 10. 1). Zum Ziborium
gehörten wahrscheinlich auch das Akroterion, das sich an der Giebelspitze befand, sowie das
Säulenfragment mit dreifachem Flechtbandornament (Abb. 10. 2).17 Diese Inschrift deutet darauf
hin, dass das Ziborium einem Heiligen geweiht war, dessen Name mit „A“ beginnt und auch die
Buchstaben I, M oder N enthält. Den zweiten Buchstaben kann man nicht eindeutig entziffern, da
nur der obere Teil erhalten ist. Im Kirchengebiet von Aquileia, das auch Dalmatien und Liburnien
umfasste, waren unter den Schutzpatronen, deren Name mit „A“ beginnt, vor allem die heiligen
17
Ähnlich gestaltete Säulen fand man auch in Kapitul bei Knin, die vermutlich zum rechteckigen Ziborium
gehörten (Burić 2001 191–193).
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Abb. 11. Bruchstück mit einer zweizeiligen Inschrift: PAV LVS
Andreas, Anastasius, Ambrosius und Anselmo (Asel) sehr verbreitet.18 Auf der Chorschranke
mit dreifachem Flechtband fand man das Fragment einer Inschrift […ad hon]ORE[m]BEA[ti]…
[…], und eine weitere Inschrift …0(?) SVA S[an]C[t]A M(?)… deutet darauf hin, dass die Kirche
bereits damals der heiligen Maria gewidmet war.19 Laut historischen Quellen wurde die Kirche um
das Jahr 1639 der Muttergottes oder der Geburt Mariä geweiht. Auch die spätgotische Skulptur
der Seligen Jungfrau Maria auf dem Barockaltar belegt, dass die heilige Maria um das Jahr 1500,
in der Entstehungszeit der Skulptur, bereits die Schutzpatronin der Kirche war. Zu dieser Zeit
erfolgte auch die letzte Umgestaltung der damals gotischen Kirche (14. bis 15. Jahrhundert). Seit
dem 18. Jahrhundert bis heute werden der Tag der Heiligen Dreifaltigkeit, der Tag der Heiligen
Petrus und Paulus sowie Mariä Geburt als wichtigste Kirchenfeste gefeiert. Also könnte die
Kirche schon in früherer Zeit der Seligen Jungfrau Maria geweiht gewesen sein, obwohl dies trotz
der Inschrift „hl. M.” nicht ganz eindeutig ist. Denn es könnte sich auch um eine andere Heilige –
beispielsweise die heilige Martha oder Marcella – handeln, da auch auf dem Ziborium der Selige
Ai…, Am… oder An… erwähnt wird. In der Ortschaft Nin in Dalmatien gibt es eine Kirche, die
den Schutzheiligen Marcella, Anselmo (Asel) und Ambrosius gewidmet ist. Daher könnte auch
die Chorschranke einem dieser Heiligen geweiht sein, wie aus der Inschrift […ad hon]ORE[m]
BEA[ti]… […] hervorgeht. Vedrana Delonga ist der Auffassung, dass der erste Teil der besagten
Inschrift †SVMME… mit einer symbolischen Invokation begann – daher das Kreuzzeichen, das
eine Abkürzung für die Anrufung Gottes In nomine Domini darstellt. Wenn man das Kreuz mit
dem folgenden Wort svmme verbindet, steht dies laut Delonga für die Anrufung der Heiligen
Dreifaltigkeit In nomine summe Trinitatis.20 In einem Grab aus der Neuzeit südlich der Kirche
18
Marasović 2008 165.
Filipec 2001 92.
20
Delonga 2001 91. Ähnliche Formeln findet man laut Delonga auch bei mittelalterlichen Urkunden
(Innomine summe et individue trinitatis).
19
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fand man ein dreieckiges Bruchstück mit einer zweizeiligen Inschrift PAV LVS (Abb. 11). Es
könnte sich dabei um einen weltlichen oder kirchlichen Würdenträger handeln, oder auch um den
heiligen Paulus.
Letztendlich kann man davon ausgehen, dass die Kirche in Lobor mehrere Schutzpatrone
hatte, was während des frühen Mittelalters in Dalmatien und im Kirchengebiet von Aquileia ein
durchaus verbreitetes Phänomen war. Unter den Inschriften findet man die Namen der heiligen
Maria, Martha oder Marcelle sowie des heiligen Andreas, Ambrosius oder Anselmo bzw. eines
anderen Heiligen mit dem Anfangsbuchstaben „A“ sowie des heiligen Paulus, und bei der
Anrufung handelt es sich wahrscheinlich um die Heilige Dreifaltigkeit. Man kann jedoch nicht
ausschließen, dass es sich um Fragmente aus dem Zeitraum vom 9. bis zum 11. Jahrhundert
handelt, also aus verschiedenen Epochen der Umgestaltung der Kirche, bei der nicht nur die
Innenausstattung ausgetauscht wurde, sondern die Kirche auch einen neuen Schutzpatron bekam.
Die erste Chorschranke stammt zweifelsohne aus dem ersten Drittel des 9. Jahrhunderts, doch die
Ausgestaltung des Innenraumes wurde bis Ende des 11. Jahrhunderts fortgesetzt. Während der
Umgestaltung gegen Ende des 11. Jahrhunderts bekam die Kirche ein Ziborium, einen Ambo und
vielleicht auch eine neue Mensa und Chorschranke. Diese zweite Umgestaltung hängt vermutlich
mit dem Anstieg der Macht des kroatischen Königs im Gebiet zwischen den Flüssen Save und Drau
zusammen. Auf die Verbindungen mit dem Sitz des damaligen kroatischen Staates weisen auch die
Bruchstücke des Ziboriums und der Transenne mit der Darstellung des bärtigen Mannes hin. Die
Kirche wurde Ende des 12. Jahrhunderts oder um die Mitte des 13. Jahrhunderts abgerissen, was
die Gräber der sog. Kultur von Bijelo Brdo belegen, die über den niedergerissenen Seitenwänden
ausgehoben und teils mit Schutt abgedeckt wurden. Ein Teil des vorromanischen Chorraums wurde
in die halbkreisförmige Apsis der romanischen Kirche eingegliedert, die über dem Zentralteil
des Vorgängerbaus entstand. Auch die Skulpturen aus der Vorromanik wurden hauptsächlich als
Spolien bei der Errichtung der romanischen Kirche verwendet, doch ein Teil der herumliegenden
Gebäudereste wurde bei der Errichtung anderer Gebäude sowie der gotischen Kirche eingesetzt.
Dass dieser Sakralbau kontinuierlich benutzt wurde, belegt auch der Friedhof, an den Bestattungen
vom Übergang des 8. Jahrhunderts zum 9. Jahrhunderts bis zum 19. Jahrhundert stattfanden. Im
Frühmittelalter war Lobor, das zur Region Zagorje gehörte, ein wichtiger Kirchensitz auf dem
Gebiet Pannoniens, das dem Patriarchen von Aquileia unterstand. Später gehörte es zum Bistum
von Sisak, die der heiligen Metropole von Salona (Split) unterstellt war.
Die archäologischen Forschungen in Lobor sind noch nicht abgeschlossen, und die Fundstücke
sowie viele verzierte Steinfragmente sind noch immer nicht restauriert worden, daher wurde hier
nur ein kleiner Teil des reichen Kircheninventars dargestellt.
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