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Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111./112. Heft Im Auftrag des Vereins herausgegeben von Yves Hofmann Freiberg · 2018 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018), S. 129–164 Susann Lentzsch Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen des Stadt- und Bergbaumuseums Freiberg1 Unter den Sammlungsobjekten des Stadt- und Bergbaumuseums Freiberg finden sich unzählige Raritäten und Besonderheiten. Dazu gehört auch eine japanische Bildrolle2 (Abb. 1) – eine sogenannte Emakimono, die sich als Kunstform bereits im 12. Jahrhundert entwickelte und im Prinzip ein breites religiöses und weltliches Inhaltsspektrum aufweisen konnte.3 Abb. 1: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle im geschlossenen Zustand Die Bildrolle des Stadt- und Bergbaumuseums stammt aus dem Nachlass des Unternehmers Joseph Arwed Walther Dudek, der 1893 in Bernsdorf/ Oberlausitz geboren wurde und in Teplitz-Schönau/Teplice aufwuchs. Im Jahr 1922 schloss er sein Studium an der Bergakademie Freiberg mit dem Diplom als Hütteningenieur ab und leitete ab dem Jahr 1923 die väterliche Zinkfabrik in Böhmen, wobei jedoch eine enge Verbundenheit mit der sächsischen Bergstadt immer bestehen blieb. Nach 1945 übernahm Wal129 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) ther Dudek die Leitung der Metall- und Farbwerke AG, heute ein Teil der Harz-Metall GmbH in Oker bei Goslar im Harz. Nach seinem Tod im Jahr 1951 übergab seine Tochter Hildegard Dudek die Bildrolle kurz nach der Jahrtausendwende an das Museum.4 Das Freiberger Exemplar zählt zu einer überschaubaren Anzahl von Bildrollen, auf denen Szenen von Bergbau und Verhüttung dargestellt wurden. Sie werden nach dem hauptsächlich dargestellten japanischen Montanbezirk, der Insel Sado, als Sadorollen bezeichnet. Bereits Oberberghauptmann Emil Treptow machte 1904 auf diese altjapanischen Bildquellen aufmerksam,5 die unter anderem in elf deutschen Exemplaren6 erhalten sind. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass sie alle auf ein japanisches Original zurückgehen.7 Diese ofenbar erste, jedoch anscheinend nicht überlieferte Rolle – die sogenannte Shokasegikata emaki – wurde während der Kyōhō-Periode (Juli 1716 bis April 1736) vom Magistrat von Sado in Auftrag gegeben und nachweislich 1759 und erneut im Jahr 1819 überarbeitet, um neue oder verbesserte Technologien darzustellen.8 Abb. 2: Schematische Darstellung der Bestandteile einer Emakimono Der technische Aufbau der Freiberger Bildrolle ist typisch für diese Art der Schriftrollen (Abb. 2). Sie wird von rechts nach links gelesen und immer mit der rechten Hand aufgerollt, während die linke Hand das Abrollen unterstützt. Dadurch ist immer nur ein Ausschnitt der Erzählung oder Beschreibung zu sehen. Die Bildrollen zählen zu den frühen Stilformen der sequenziellen Darstellungsweise.9 Der bebilderte Hauptteil (jap. honshi) 130 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 3: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Titel und Vorsatzblatt ist mittels eines Papierfortsatzes (jap. jikuzukegami) an einer – in diesem Fall hölzernen – Querstange (jap. jikugi) befestigt und darauf aufgerollt. Das Vorsatzblatt (jap. mikaeshi) wird auf der Rückseite des Einbands (jap. hyōshi) angebracht. Gemeinsam umschließen sie die Schriftrolle, die anschließend mit einer Kordel (jap. makio) verschlossen werden konnte. Der Titel (jap. daisen) wurde außen so aufgebracht, dass er auch bei geschlossener Rolle lesbar war.10 Im Falle der Bildrolle des Freiberger Museums lautet der Titel Kinginzan-shikiokagasegikatazu (Abb. 3). Übersetzt bedeutet dies vereinfacht in etwa: die Arbeitsverhältnisse in einem Gold-Silber-Bergwerk. Die in Chinesisch gehaltene Notiz am Ende der Rolle des Freiberger Museums unterstreicht dahingegen die Problematik der Ursprünglichkeit bzw. der Datierung einzelner Bildrollen: Tempo Juidoshi Sakakura Genuemon Dekata Tedai Genmatsu Kore o Utsusu – Genmatsu, ein Assistent von Genuemon Sakakura – fertigte eine Kopie an (Abb. 4). Zum einen sind die Bildrollen selbst nur in ausgesprochen seltenen Fällen signiert und datiert, des Weiteren wurden sie aus den verschiedensten Anlässen und von unterschiedlichen Personen kopiert, so dass sich ein Konvolut an Bildrollen 131 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) ergib, das sich heute kaum mehr chronologisch reihen lässt. Einen Zugang zu einer zeitlichen Zuweisung bietet ausschließlich der Inhalt der Rollen selbst. So wurde zum Beispiel das Yoseseriba, eine Art Waschwerk, erst 1759 auf Sado errichtet, so dass die Rollen, die dieses Gebäude zeigen, erst nach diesem Zeitpunkt hergestellt worden sein konnten. Ähnlich verhält es sich mit der dargestellten Grubenbeleuchtung. Der Wandel vom Leuchtspan zur eisernen Froschlampe vollzog sich in den japanischen Bergwerken in den 1750er-Jahren und ist ebenfalls auf den Bildrollen dargestellt.11 Da auf der Bildrolle des Freiberger Museums sowohl das Yoseseriba dargestellt wurde (Abb. 29) und die abgebildeten Bergleute bereits eiserne Froschlampen verwendeten (Abb. 9–16), kann davon ausgegangen werden, dass hier die Zustände eines Bergwerks nach 1759 dargestellt wurden. In der bereits erwähnten Kopiernotiz des Genmatsu findet sich die Datierung in das Jahr 10 (Wildschwein) der von 1831 bis 1845 verwendeten Jahresdevise Tenpō, was einem Zeitraum von Anfang 1839 bis Anfang 1840 entspricht.12 Die Entstehungszeit der Freiberger Bildrolle muss demnach im Zeitraum zwischen 1759 und 1839 liegen, ohne ihn jedoch näher eingrenzen zu können. Abb. 4: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, die in Chinesisch gehaltene Kopiernotiz am Ende der Bildrolle 132 Unabhängig vom sicheren Alter der Bildrollen, liegt ihre hauptsächliche Bedeutung in der Darstellung der noch recht einfachen Bergbau- und Verhüttungsmethoden, die in Japan jedoch wenigstens noch bis zur Beendigung der selbstgewählten Isolation in den Jahren 1853/1854 verwendet wurden. Einige Szenen wurden daher forschungsgeschichtlich auch immer wieder mit den Stichen Agricolas verglichen. Man versuchte daraus einen europäischen Bergbauun- Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen ternehmer zu rekonstruieren, der in Japans Isolation im 17. Jahrhundert drang und eine europäische Montantechnik anregte.13 Dass die Abschirmung gegen äußere Einflüsse nicht total war, zeigen bekundete Of-ShoreBeziehungen mit dänischen Handelsschifen. Ob dies jedoch notwendigerweise zu bemerkenswerten Fortschritten im Montanwesen führte, muss zunächst ofenbleiben. Als gesichert kann hingegen die Lokalisierung des auf der Bildrolle des Freiberger Museums abgebildeten Bergwerks auf der Insel Sado gelten.14 Die isolierte Lage der Insel vor der Küste Japans behinderte aufgrund fehlender Einflüsse anderer Bergbauregionen eine wesentliche technische Weiterentwicklung über viele Jahrhunderte hinweg. Gleichzeitig ließen die lokalen betriebsorganisatorischen Gegebenheiten noch im ausgehenden 19. Jahrhundert einen – für europäische Augen – regen Raubbau der Gruben zu, der in der selben Zeit in Europa kaum mehr erdenklich war. Die Insel Sado liegt etwa 45 km vor der Westküste der japanischen Hauptinsel Honshu (Abb. 5). Zwar erreicht sie mit etwa 857 km2 die Größe der Ostseeinsel Rügen, jedoch entstand das bewegte Relief Sados durch Vulkanismus. Damit erreichen die beiden Gebirgszüge im Norden und Süden der Insel Höhen von über tausend Metern (Abb. 6). In Japan war das Gold der Insel wahrscheinlich bereits seit dem Ende der Heian-Zeit bekannt, was in etwa mit dem europäischen Hochmittelalter kongruiert. Erstmals schriftlich erwähnt wurde es in dem Japanischen Werk Uji Shūi Monogatari, welches wohl um den Beginn des 13. Jahrhunderts entstand. Vermutlich handelte es sich dabei jedoch um Gold aus den Seifen des Flusses Nishimikawa im Südwesten der Insel. Erst die Entdeckung der Lagerstätte der späteren Sawamura-Tsuruko-Silbergrube initiierte die untertägige Gewinnung von Edelmetallen auf Sado im Jahr 1542.15 Wenig später wurden die frühesten Bergwerke eröfnet, die noch bis zum Zweiten Weltkrieg bestanden. Bereits im Jahr 1607 war eine händische Wasserhaltung unzulänglich, so dass man mit dem Aufahren von Stollen von der Küste her begann. Wie auch im Abbau wurden die Arbeiten beim Stollenvortrieb bis weit ins 19. Jahrhundert ausschließlich mit Schlägel und Eisen ausgeführt. Ab 1637 kennt der japanische Bergbau Drehpumpen und Wasserhebeeinrichtungen nach dem Prinzip der Archimedischen Schraube. In der Aufbereitung treten erstmals 1697 Wasserräder zum Antrieb von Pochwerken auf. Da diese jedoch auf fast allen Bildrollen abgebildet sind ergibt sich hieraus ein terminus post quem zur Datierung des ursprünglichen Originals. Der Versuch einer 133 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 5: Wirtschaftsverhältnisse Japans während des Tokugawa-Shōgunats (16.–19. Jahrhundert) 134 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 6: Japan, Insel Sado mit den wichtigsten Bergwerken 135 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 7: Japan, Insel Sado, abgebauter Erzgang durch den Gipfel eines Berges des Aikawa(auch Sado-)Bergwerks Rekonstruktion aller Produktionsmengen der Bergwerke auf Sado, die im Jahr 1965 angefertigt wurde, ergab etwa 70 Tonnen abgebautes Gold und etwa 2.300 Tonnen Silber. Dabei wurden sowohl die alluvialen Lagerstätten als auch die Erzgänge der Insel abgebaut.16 Die drei wichtigsten Erzgänge auf Sado sind hydrothermalen Ursprungs und streichen in Ost-West-Richtung durch das tertiäre Gestein der beiden Inselmassive. Mit wechselndem Einfallen erreichen sie Längen bis zu 1,5 km und wurden von der Tagesoberfläche bis in eine Teufe von etwa 300 m abgebaut. Dabei entstanden massive Geländeveränderungen wie der gespaltene Berg des Aikawa- (auch Sado-)Goldbergwerks (Abb. 7). Der etwa auf Meeresniveau liegende Stollen erreichte bei Aufgabe des Bergbaus 1989 eine Länge von knapp 4 km. Die Erzgänge enthalten vor allem Gold, Argentit, Chalkopyrit (Kupferkies). Hinzu kommt wenig Galenit (Bleiglanz) und Sphalerit (Zinkblende). Calcit, Baryt und Amethystquarz treten als Gangminerale auf17 (Abb. 8). In einer sehr stilisierten Form sind diese Erzgänge auch auf den Bildrollen dargestellt (Abb. 15). Jedoch reichen die Abbildungen montaner Tätigkeiten noch viel weiter. 136 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 8: Gangstück der polymetallischen Erzlagerstätten auf Sado Auf der immerhin 19,7 m langen Rolle sind sowohl der untertägige Bergbau wie auch die Aufbereitung, die Verhüttung und die Weiterbehandlung der gewonnenen Metalle umfassend dargestellt. Die Bildrolle des Freiberger Museums beginnt mit der Abbildung eines Bergmannes, der dabei ist, das Bergwerk durch ein vollverzimmertes Mundloch zu betreten (Abb. 9).18 Da solch ein aufwendiger Ausbau ansonsten nur vereinzelt dargestellt ist, kann davon ausgegangen werden, dass dies – ganz ähnlich wie im europäischen Bergbau – nur an den Stellen geschah, an denen dies aufgrund der geologischen Instabilität nötig war. Abb. 9: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Bergmann mit einer Art Froschlampe betritt das Bergwerk 137 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Die Fahrung im japanischen Bergwerk geschah ofenbar hauptsächlich über zwischen die Stöße geklemmte Rundhölzer. Eine Technik, wie sie im europäischen vor allem im hoch- und spätmittelalterlichen Bergbau von hydrothermalen Erzgängen immer wieder vorkommt, da so eine künstliche Sohle zur Befahrung der Grube in den zum Teil mehrere Meter hohen Abbauen angelegt werden konnte. Gewisse senkrechte Abschnitte wurden mittels eines Steigbaums überwunden (u.a. Abb. 10). Abb. 10: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Fahrung über Querhölzer und an Bühnen angelegte (vereinzelt befestigte) Steigbäume Ebenfalls zeigt die Rolle verschiedene Szenen der Wasserhaltung und -lösung (Abb. 11). Aus größerer Teufe wurde das Grubenwasser mittels Daubeneimern gehoben, die entweder weitergereicht oder an Seilzügen befestigt über größere Höhen gehoben wurden. Immer wieder finden sich rechteckige Wasserkästen, die zur Zwischenlagerung dienen. Ebenfalls sind einfachste Pumpen dargestellt, die zum Teil als Krüppelpumpen und zum Teil nach dem Prinzip der archimedischen Schraube funktionieren. Einmal auf Stollenniveau, wurde das Wasser mittels hölzerner Wasserinnen aus dem Berg geleitet. Neben den meist leichtbekleideten Bergleuten die mit körperlich schwerer Arbeit beschäftigt sind, tragen ofenbar höhergestellte Personen eine schwarze „Uniform“. So auch die Gruppe Markscheider 138 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 11: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Wasserhaltung – rechts händisch, links mit einer einfachen Handpumpe (Krüppelpumpe) und deren Gehilfen, die anhand der genutzten Lachterkette, hier eher als einfacher Strick dargestellt, gut erkennbar sind (Abb. 12). Gleichzeitig gehören sie zu den wenigen, die hauptsächlich Leuchtspäne zur Beleuchtung des Grubenbaus nutzen und nicht eiserne Froschlampen, wie sie hier sonst dargestellt wurden. Abb. 12: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, weitere Untertageszenen – rechts Markscheider bei der Grubenvermessung 139 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 13: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Abbau und Förderung unter Tage – links oben Grubenausbau Abb. 14: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Wasserhaltung mittels archimedischer Schraube 140 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 15: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, links unten Erzabbau, rechts Belüftung mittels eines handbetriebenden Ventilators Die letzte Szene des Bergwerks selbst zeigt einen Erzträger, der es durch ein Stollenmundloch wieder verlässt, vor dem eine Gruppe Zimmerlinge mit der Bereitung weiterer Grubenhölzer beschäftigt ist (Abb. 16). Nur wenige Sadorollen zeigen wie das Freiberger Exemplar das Wiegen der individuellen Fördermenge der einzelnen Erzträger in einer kleinen Hütte in unmittelbarer Nähe des Mundlochs. Weitere Szenen zeigen im Folgenden die Bergschmiede (Abb. 17 oben) und die Scheidebänke bzw. die Erzwäschen (Abb. 17, 18), die Grubenverwaltung (Abb. 19–21) sowie die weitere Erzaufbereitung unmittelbar im Fluss (Abb. 22), die Versteigerung des Erzes (Abb. 23) und den Weitertransport (Abb. 24). Einen Einblick in die Werkstätten erhält der Betrachter durch vom Zeichner weggelassene Seitenwände sowie durch strategisch platzierte Fenster. So erkennt man zum Beispiel auch vermeintliche Kleinigkeiten, wie, dass gerade die Aufbereitung wohl hauptsächlich von Frauen durchgeführt wurde, der Transport der Erze in ofenbar geflochtenen Körben stattfand, bis hin zur Konstruktionsweise der Häuser. Mit ähnlicher Sorgfalt und Detailgetreue wurden auch die folgenden Szenen illustriert. 141 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 16: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Zurichtung von Grubenholz vor dem Stollenmundloch, oben Abwiegen der individuellen Fördermenge Abb. 17: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, oben Bergschmiede, unten Scheidebänke 142 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 18: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Scheidebänke im unmittelbaren Bergwerksumfeld Abb. 19: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Grubenverwaltung, u. a. Ausbildung der Bergjungen 143 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 20: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Grubenverwaltung mit etwa kniehoher Schranke Abb. 21: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Bereich unmittelbar vor der Grubenverwaltung 144 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 22: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Erzaufbereitung unmittelbar im Fluss in strohgedeckten Unterständen Abb. 23: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, rivalisierende Gruppen bei der Erzversteigerung 145 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 24: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Abtransport der ersteigerten Erze u. a. auf Ochsen Dem Erztransport auf Ochsen schließt sich eine Straßenszene an (Abb. 25, 26), die eventuell in der Siedlung der Bergleute spielt. Neben einer Garküche und spielenden Kindern wurde hier hauptsächlich der Transport wichtiger bergwerksrelevanter Güter dargestellt. Abb. 25: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Bergleutesiedlung mit Garküche und spielenden Kindern 146 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 26: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Bergleutesiedlung mit Händlern und Wohnhaus Abb. 27: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Abladen der Erze vom Ochsen und Transport in die Hütte Anschließend wird die weitere Aufbereitung der goldhaltigen Erze abgebildet. Neben einem weiteren groben Pochen der Erze (Abb. 28) und der Darstellung der Erzmühlen wurde hier auch das bereits erwähnte Yoseseriba gezeigt (Abb. 29). In den langen Tüchern verfing sich das schwerere Erz, während das taube Gestein mit dem Wasserfluss weggeschwemmt und schließlich auch aus dem Gebäude geleitet wurde. 147 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 28: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Pochen der Erze Abb. 29: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, rechts Mahlen der Erze, links Auswaschen der Erze im Yoseseriba 148 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Der Verhüttung der Erze widmen sich die weiteren Szenen (Abb. 30–35). Sowohl die Probieröfen (Abb. 30) als auch die Hüttenöfen (besonders Abb. 34) sind in verschiedenen Produktionsstadien, von der initialen Befeuerung der Öfen bis hin zum Abstechen des gewonnenen Metalls, dargelegt. Abb. 30: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Probieren der Erze Abb. 31: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Verhüttung der Erze im sogenannten Universalherd 149 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 32: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Feinbrennen des Goldes unter Aufsicht Abb. 33: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Goldverhüttung 150 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 34: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, weitere Verhüttungsszenen mit Beschriftung der genutzten Werkzeuge I Abb. 35: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, weitere Verhüttungsszenen mit Beschriftung der genutzten Werkzeuge II 151 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Der Rest der Bildrolle widmet sich – im Gegensatz zu der bisher dargestellten Gewinnung, Aufbereitung und Verhüttung von untertägig geförderten Erzen aus hydrothermalen Ganglagerstätten – den Seifenlagerstätten. So wurde die Gewinnung von Flussgold (Abb. 36–40) ebenso illustriert wie die Seifengoldgewinnung am Meeresstrand (Abb. 41, 42) sowie der Abbau dieser alluvialen Lagerstätten am Flussufer bzw. in Flussnähe (Abb. 44– 48). Auch dabei spielt die Aufbereitung eine zentrale Rolle, wobei deutlich wird, dass es hier im unverkennbar geringeren Maße nötig war, das Material zu pochen oder zu mahlen, so dass es relativ rasch in den Verkauf gelangen konnte, was schließlich auch auf der letzten Szene der Bildrolle dargestellt wurde (Abb. 49). Abb. 36: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Flussgoldgewinnung, unten Hütte des Bergschmieds 152 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 37: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Beispiel eines Textfelds (hier zur Flussgoldgewinnung) Abb. 38: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Nutzung der Wasserkraft zur Sedimentation des Goldes aus Flussseifen 153 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 39: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Abbau und Förderung des Flussgoldes aus dem Flussbett Abb. 40: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Abbau und Förderung des Flussgoldes aus dem flussnahen Uferbereichen 154 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 41: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Seifengoldgewinnung aus Seesand am Ufer des japanischen Meeres, Wasserhaltung mittels archimedischer Schraube Abb. 42: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Auswaschen des Seifengoldes am Strand 155 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 43: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Mahlen und erneutes Auswaschen des Substrates des am Strand gewonnen Erzes Abb. 44: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Auswaschen von Substrat im Fluss 156 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 45: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, untertägiger Abbau von Seifengold im flussnahen Bereich, unten Sedimentation des Erzes im Fluss Abb. 46: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Abbau von flussnahem Sediment zur Seifengoldgewinnung und Sedimentation im Fluss 157 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 47: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Auswaschen des Seifengoldes im Fluss Abb. 48: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Auswaschen des Substrats im Fluss und Abwiegen des Seifengoldes 158 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 49: Freiberg, Stadt- und Bergbaumuseum, Bildrolle, Goldverkauf Es bleibt die Frage nach der Vergleichbarkeit der hier dargestellten Bergbau-, Aufbereitungs- und Verhüttungstechniken in einer japanisch-europäischen Gegenüberstellung. Die Sadobildrollen zählen zu den frühesten umfassenden Darstellungen der Lebens- und Arbeitswelt von Berg- und Hüttenleuten weltweit. In Europa bieten die im ausgehenden 15. Jahrhundert einsetzenden Bildquellen eingängige Vergleiche zum reellen Bergwerksbetrieb. Doch gibt es neben den allseits bekannten frühneuzeitlichen Buchmalereien, wie zum Beispiel der Siegener Randleiste, der Abbildung des Bergwerks im Wolfgegger Hausbuch (fol. 35), der Graduale von SaintDié (fol. 353) sowie den bekannten Kuttenberger Illuminationen kaum bildliche Darstellungen des Montanwesens. Umso verführerischer ist es, die Ähnlichkeiten der Gegebenheiten des neuzeitlichen japanischen und mittelalterlichen europäischen Bergbaus als unangreifbar vergleichbar darzustellen. Aber auch wenn die dargestellten Techniken Japans denen ähneln, gibt es doch – mehr oder weniger subtile – Unterschiede und Anachronismen. Am deutlichsten wird dies an der dargestellten Wasserlösung. Während selbst auf den jüngsten Bildrollen das Grubenwasser noch hauptsächlich per Hand oder mittels einfachster Pumpentechnik bzw. einer 159 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Abb. 50: Freiberg, Mendenschacht, Wassersäulenmaschine der Alten Mordgrube, Aufnahme 2009 archimedischen Schraube gehoben wird, wäre eine solche Technik in einem gleichzeitigen und ähnlich bedeutsamen europäischen Bergbaurevier völlig undenkbar (Abb. 50). 160 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen Abb. 51: Siebenbürgen, Fahrung per Steigbaum, Aufnahme um 1940 Dass man jedoch eine Vergleichbarkeit nicht von vornherein negieren kann zeigt wiederum die abgebildete saigere Fahrung mittels Steigbäumen. Eine Technik die vergleichsweise für das Erzgebirge zuletzt in den spätmittelalterlichen Bergwerken von Niederpöbel dokumentiert werden konnte.19 Im heute rumänischen Siebenbürgen wurden noch um 1940 Steigbäume verwendet 20 (Abb. 51), die sich im Großen und Ganzen weder von denen des mittelalterlichen Osterzgebirges noch von denen des japanischen Bergbaus um 1800 unterscheiden. 161 Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 111/112 (2018) Es bleibt also festzuhalten, dass Abbildungen des Montanwesens – wie auch immer sie geartet sein mögen – zu allererst den geografischen und zeitlichen Rahmen ihrer Entstehung darstellen. Die schleppende Weiterentwicklung bergbaulicher Techniken bietet die Möglichkeit, den Bildnissen ein montanes Lebensbild abzuringen, das sich verlockend einfach auf andere Epochen und Regionen extrapolieren lässt. Jedoch sind ein kritischer Umgang mit dem Quellenmaterial und eine tiefgreifende Analyse des jeweils vorliegenden Materials von eminenter Wichtigkeit. Abbildungsnachweis 1, 6 Susann Lentzsch; 2 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a3/ Emakimono_schema.png/1280px-Emakimono_schema.png; 3, 4, 9–49 Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg; 5 Wolf-D. Barloewen (Hrsg.): Abriss der Geschichte außereuropäischer Kulturen. II. Band – Nord- und Innerasien, China, Korea, Japan (Wien–München 1964), S. 399; 7 https://www.city.sado.niigata.jp/mine/en/aikawa_edo.html (17.08.2017); 8 http://whaton. uwaterloo.ca/pic/japan2a.jpg; 50 Jens Kugler, Kleinvoigtsberg; 51 nach Schneider 2001 (wie Anm. 19), S. 147. Anmerkungen 1 Dieser Aufsatz ist dem kürzlich verstorbenen Geologen, Historiker, Denkmalschützer und Ehrenmitglied des Freiberger Altertumsvereins, Dr. Heinrich Doufet, gewidmet, dem ein Blick über Tellerrand hinaus immer eminent wichtig war. 2 Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg, Inv.-Nr. 2003/7. – Nicht unerwähnt darf hier ein ebenfalls im japanischen Kunststil gehaltenes Leporello (Inv. –Nr. 2003/8) aus dem Bestand des Museums bleiben. Es ist ausschließlich der Kupferverhüttung gewidmet und weicht damit inhaltlich deutlich von der hier vorgestellten Bildrolle ab. Um beiden Stücken gerecht zu werden, ist eine getrennte Veröfentlichung vorzuziehen. 3 Hasé, Akihisa, und Dietrich Seckel: Emakimono: the art of the Japanese painted handscroll. London 1959. 4 Ulrich Thiel: Eine japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen – Bedeutender Neuzugang im Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg. In: Der Anschnitt 56 (2004), S. 110–113, hier S. 110. 5 Treptow, Emil: Der altjapanische Bergbau und Hüttenbetrieb, dargestellt auf Rollbildern. In: Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen, 1904, S. 149–160. Ebenfalls von größter Wichtigkeit sind die Werke von Heinrich Winkelmann: Winkelmann, Heinrich: Das Sado-Goldbergwerk auf japanischen Rollbildern. In: Der Anschnitt 9 (1957), Heft 4, S. 20–25 und vor allem Winkelmann, Heinrich: Altjapanischer Goldbergbau. Wethmar–Post Lünen1964. Forschungsgeschichtlich zusammenfassend zuletzt Mathias, Regine: Picture Scrolls as a historical source on Japanese mining. In: Kim, Nanny, und Keiko Nagase-Reimer (Hrsg.): Mining, Monies, and Culture in Early Modern Societies. East Asian and Global Perspectives. Leiden–Boston 2013, S. 291–310. 6 Die genaue Anzahl aller Sado-Rollen ist zunächst nur schwer zu ermitteln. Japanische Forscher konnten 1985 17 Bildrollen auf Sado selbst und 23 anderswo in Japan identifizieren (TEM Research Institut [Ed.]: Zusetsu Sado kinzan. Tokio 1985; Todd, Hamish: The Bri- 162 Lentzsch: Die japanische Bildrolle mit Bergbaudarstellungen 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 tish Library‘s Sado Mining Scrolls. In: The British Library Journal Vol. 24, No. 1 (1998), S. 130–143, S. 132). Hinzu kommen zwei Bildrollen, die sich in britischem Privatbesitz befinden, sowie eine in der Bibliothek der Royal School of Mines des Imperial College. London 1995, S. 1 f.) und eine Bildrolle, die in der British Library verwahrt wird (Todd 1998). Winkelmann 1964 (wie Anm. 5), S. 18. Todd 1998 (wie Anm. 6), S. 132. Okada Yoshiyuki: Emaki. In: Encyclopedia of Shinto: http://k-amc.kokugakuin.ac.jp/DM/ detail.do?class_name=col_eos&data_id=22434 (2005), (zuletzt. abgerufen: 10.03.2017). 日本美術図解事典 [Nihon bijutsu zukai jiten] (Bildlexikon zur japanischen Kunst): Schema einer Bildrolle. Tokyo 2012, S. 24. Todd 1998 (wie Anm. 6), S. 134. Hashimoto, Hirofumi: Research results for Austria, Germany, the Czech Republic and Slovakia. In: Hashimoto, Hirofumi (Supervisor): Visiting session on the “Internationalization of the Asahimachi Museum” (courtesy of the President’s discretionary expense fund): Visiting Europe to uncover materials related to Sado Gold Mine – Eforts to promote world heritage registration. Niigata 2012, S. 21–40, hier S. 22. Ford, Trevor D., und Ivor J. Brown: Early Gold Mining in Japan: The Sado Scrolls. In: Bulletin of the Peak District Mines Historical Society, Vol. 12, No. 6 (1995), S. 1–17, hier S. 16 mit weiterführender Literatur. Hashimoto 2012 (wie Anm. 12), S. 22. Winkelmann 1964 (wie Anm. 5), S. 13. Ford/Brown 1995 (wie Anm. 13), S. 16 f. Ford/Brown 1995 (wie Anm. 13), S. 16. Die Abbildungen 9 bis 49 zeigen sämtliche Bilder der Rolle in der richtigen Reihenfolge. Schmidt-Reimann, Philipp: Planung, Organisation und Ablauf der Nassholzkonservierung im Rahmen des Ziel 3-Projekts ArchaeoMontan. In: Smolnik, Regina (Hrsg.): ArchaeoMontan 2014. Ergebnisse und Perspektiven. Dresden 2014. S. 55–68, hier S. 63. = Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege, Beiheft 29. Schneider, Sigrid: Einblicke in eine unbekannte Welt – Fotografien von Arthur Oskar Bach, Albert Schotsch und Bazil Roman. Bochum 2001, S. 147. = Slotta, Rainer, Volker Wollmann und Ion Dordea: Silber und Salz in Siebenbürgen. Katalog zur Ausstellung im Deutschen Bergbau-Museum Bochum vom 27. Oktober 2002 bis zum 30. März 2003, Bd. 6. 163