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Grammatikabriss
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Historischer Abriss der aramäischen Grammatik
In der Darstellung der sprachlichen Tatsachen im Wörterbuch wird eine höhere historische Tiefenschärfe angestrebt als in den üblichen, meist rein beschreibend
ausgerichteten Grammatiken und Lexika. Ein knapper
Abriss soll daher die hier getroffenen Vorentscheidungen (besonders in der Lautlehre und der darauf aufruhenden Rekonstruktion der reichsaramäischen Aussprache) offenlegen. Zugleich führt er in die Grundlagen der aramäischen Formenlehre und Morphosyntax
ein, indem er ganz kurz die verwendete linguistische
Terminologie (etwa bei den Verbalformen und Stämmen, die für Bedeutungsunterschiede in den einzelnen
Artikeln durchgehend eine wichtige Rolle spielen) sowie die damit verbundenen Funktionsbestimmungen
aufschlüsselt. Er ist als bloße Ergänzung zu den gebräuchlichen Handbüchern gedacht: die maßgebliche
Referenzgrammatik für das Biblisch-Aramäische ist
nach wie vor BLA; als Einführung wird oft die hauptsächlich synchrone und diachron nicht immer genaue
Darstellung von F. Rosenthal, A Grammar of Biblical
Aramaic, Wiesbaden 72006, verwendet. Eine moderne
wissenschaftliche Referenzgrammatik des Alt- oder
Reichsaramäischen gibt es bislang nicht, zum Einstieg
s. H. Gzella, Language and Script, in: H. Niehr (Hg.),
The Aramaeans in Ancient Syria, HO I/106, Leiden
2014, 71–107, für das Altaramäische und ders., Imperial Aramaic, in: S. Weninger (Hg.), The Semitic Languages: An International Handbook, Berlin/New York
2011, 574–586, für das Reichsaramäische.
1. Schrift und Schreibung
Mit dem Wandel der Schreiberkultur Syrien-Palästinas von der Keil- zur Alphabetschrift kurz nach 1000
v.Chr. verbreitete sich dieses neue Schriftsystem von
den Phöniziern ausgehend auch unter den Aramäern.
22 Buchstabenzeichen dienten zur Notierung der bedeutungsunterscheidenden Konsonanten; Langvokale,
zunächst vor allem im Auslaut, später zunehmend auch
im Wortinneren, konnten dazu durch plene-Schreibungen mit „Vokalbuchstaben“ (matres lectionis) bezeichnet werden, d.h. w für /ū/ (und später /ō/), j für /ī/
(und später /ē/) und h für /ā/ und /ǣ/. In nachachämenidischer Zeit, z.B. in Qumran, dienten solche Vokalbuchstaben, in bestimmten Fällen sogar für Kurzvokale. Die Orthographie offizieller Texte wie Königsinschriften, Rechts- und Wirtschaftsurkunden sowie
förmlicher Briefe war schon seit den Anfängen fest
normiert und wurde in der achämenidischen Kanzlei
noch stärker vereinheitlicht. Texte mit größerem Abstand zu solchen Kanzleitraditionen (wie Privatbriefe)
weisen mitunter eine weniger konventionelle und stärker phonetische Schreibung auf, orientieren sich aber
in vorchristlicher Zeit insgesamt an der jeweils geltenden Verwaltungs- und Literatursprache; s. A. Millard,
The Alphabet, in: H. Gzella (Hg.), Languages from
the World of the Bible, Berlin/New York 2011, 14–27.
2. Phonologie Grammatikabriss
Die überlieferte Gestalt des biblisch-aramäischen Textes steht unter dem Einfluss späterer sprachlicher Entwicklungen, entweder durch Überarbeitungen bis zur
Endredaktion (im Falle des Danielbuches um 165 v.
Chr.) oder durch die gewandelte Aussprache, die der
in der Punktation festgelegten synagogalen Rezitation
zugrunde liegt. Will man das Biblisch-Aramäische in
seinen historischen Kontext – also die reichsaramäische Schrifttradition – stellen, liegt es nahe, als gemeinsamen Ausgangspunkt die Lautung des achämenidischen Reichsaramäisch von ca. 500 v.Chr. anzusetzen, d.h. um die Zeit, als das Reichsaramäische
zum verbindlichen Standard erhoben wurde. Dessen
Aussprache kann ohne eine feste Vokalisierung zwar
nur annähernd bestimmt werden, lässt sich aber durch
eine Kombination von plene-Schreibungen, Transkriptionen in anderen Schriften, späteren Vokalisierungstraditionen (unter Ausschluss sekundärer Änderungen
wie v.a. des Schwundes unbetonter Kurzvokale in
offener Silbe) und der historisch-vergleichenden Semitistik eingrenzen. Eine solche Rekonstruktion schafft
einen gemeinsamen Rahmen für biblische und außerbiblische Texte und wird jeweils im Lemmakopf angegeben. Die Schrägstriche (/…/) bedeuten dabei eine
„phonemische“ Abstraktion, d.h. sie geben nur die reinen und bedeutungsunterscheidenden Laute (Phoneme) ohne eine Berücksichtigung weiterer Variationen
in der tatsächlichen Aussprache (Allophone) wieder.
Für die ältesten aramäischen Sprachzeugnisse lassen
sich 27 konsonantische Phoneme unterscheiden, die
man nach Artikulationsort und -weise wie folgt gruppieren kann: den stimmhaften Laryngal /ʾ/ (Glottisverschluss) und sein stimmloses Pendant /h/, ebenso die
Pharyngale /ʿ/ (Kehlkopfpresslaut) und /ḥ/ (gefauchtes
h, also in der Aussprache etwa zwischen h und ch wie
in „ach!“), die Velare /g/ und /k/, die Sibilanten /z/
und /s/ (vielleicht noch mit Dentalvorschlag gesprochen, also /dz/ und /ts/), die Dentale /d/ und /t/, die Interdentale /δ/ (wie in englisch this) und /θ/ (wie englisch thin), die Bilabiale /b/ und /p/, den Palatovelar /š/
(wie sch in deutsch „Schiff“), den Lateral /ś/ (dessen
ursprüngliche Aussprache etwa wie das Zischen einer
Gans geklungen haben mag) und einen auf semitisches
*/ṣ́/ zurückgehenden Laut, der aramäisch wohl zuerst
ähnlich wie /q/ ausgesprochen wurde; ferner die „emphatischen“ Gegenstücke des stimmlosen Velars, Sibilanten, Dentals und Interdentals, also /q/, /ṣ/, /ṭ/ und
/θ̣/, deren Aussprache sich im Laufe der Zeit wandelt
vom /ʾ/-Nachschlag („Glottalisierung“) zum /ʿ/-Nachschlag (Pharyngalisierung) oder, jedenfalls bei /q/, Velarisierung (also mit Hebung des hinteren Zungenteils
an den Gaumen); schließlich den Lateral /l/, das „Zungen“-/r/ (wohl „gerollt“, d.h. ähnlich wie im Italienischen gesprochen), den dentalen Nasal /n/ und den bilabialen Nasal /m/ sowie die Halbvokale /w/ (wie in
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Grammatikabriss
englisch water) und /j/. Diese Unterscheidungen sind
sicher und lassen sich direkt an aramäischen Schreibungen erweisen; teils wird dazu ein Unterschied zwischen /ḥ/ und /ḫ/ (wie in „Loch“ oder „ach“) sowie
zwischen /ʿ/ und /ġ/ (spirantisiertes g, wie z.B. im
Neugriechischen oder im Standard-Niederländischen)
angenommen (s. ATTM 101f.), die aber beide durchgehend mit ḥ und ʿ geschrieben werden. In der aramäischen Umschrift werden /ḫ/ und /ġ/ nicht berücksichtigt, wohl aber in der etymologischen Herleitung.
Alle Konsonanten, auch die Laryngale und Pharyngale („Kehllaute“), konnten „gelängt“ werden, d.h. sie
wurden dann zwischen Ansatz und Verstummen länger artikuliert (traditionell, aber ungenau, „Gemination“ genannt). Als phonemische Vokale sind kurzes
/a/, /e/ (aus semitischem */i/) und /o/ (aus semitischem
*/u/), langes /ā/, /ī/, /ū/ und /ǣ/ (gesprochen wie langes
ä, sekundär aus betontem auslautenden /-ī/ entstanden,
cf. ATTM 97) sowie die beiden Halbvokale /aw/ und
/aj/ direkt oder wenigstens indirekt nachweisbar.
Da die phönizische Alphabetschrift, die von den Aramäern übernommen wurde, nur über 22 verschiedene
Buchstabenzeichen (hier kursiv transliteriert) verfügt,
dienten einige davon im Altaramäischen zur Bezeichnung mehrerer Konsonanten: š für /š/, /ś/ und meist /θ/
(in der Tell-Fekherye-Inschrift für /θ/ hingegen s), z
für /z/ und /δ/, ṣ für /ṣ/ und /θ̣/ sowie q für /q/ und die
aramäische Entsprechung von */ṣ́/. (Zu ḥ möglicherweise auch für /ḫ/ und ʿ auch für /ġ/ s.o.)
Zwischen dem älteren Altaramäischen und dem achämenidischen Reichsaramäischen können durch bestimmte Schwankungen in der Schreibung und teils
Transkriptionen verschiedene Lautveränderungen festgestellt werden: unstrittig ist der Zusammenfall der Interdentale /θ/, /δ/ und /θ̣/ mit den korrespondierenden
Dentalen /t/, /d/ und /ṭ/ vor etwa 700 v.Chr., da sie
dann meist mit t, d und ṭ geschrieben wurden (ATTM
100f.), und um 650 v.Chr. der von */ṣ́/ mit /ʿ/, wofür
sodann in der Schreibung ʿ statt älterem q diente (H.
Gzella, A Cultural History of Aramaic: From the Beginnings to the Advent of Islam, Leiden 2015, 38f.;
früher noch auf ca. 600 v.Chr. datiert). Vor allem bei
altem */δ/ in den sehr häufigen Demonstrativpronomina sowie der Relativpartikel hat sich aber teils noch
in die nachachämenidische Zeit hinein die historische
Schreibung mit z gehalten, also znh für /denā/ (aus
*/δenā/) und zj für /dī/ „dass“ (aus */δī/). Im BiblischAramäischen ist jedoch die phonetische Schreibung
durchgeführt, daher begegnen dort nur dnh und dj.
Wohl sogar noch älter könnten erste Fälle des Schwundes von silbenschließendem /ʾ/ unter Längung eines
vorangehenden Kurzvokals sein (mit typisch aramäischem */-aʾ/ > /-ē/ [ATTM 138: /-ǣ/]), was zum Zusammenfall von Verben IIIʾ (d.h. mit /ʾ/ als drittem
Radikal) mit IIIī (vokalisch auslautenden) führte (von
ATTM 104–106 zwischen das 9. und das 8. Jh. v. Chr.
datiert). Weil aber historische Schreibungen entsprechender Formen mit ʾ teils noch lange fortdauerten,
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phonetische mit h dagegen erst ab ca. 600 v.Chr.
häufiger erscheinen (was wohl auch mit der anfangs
eher langsamen Verbreitung einer weniger stark standardisierten Orthographie wie in Privatbriefen zusammenhängt), bleibt das genaue Zeitfenster des Wandels
unsicher. Bei diesen Verben wird im Lemmakopf zudem die ursprüngliche Wurzelgestalt angegeben.
Ferner beginnt wohl noch in altaramäischer Zeit beim
Präfix des Kausativstammes der Wandel von /h/ zu /ʾ/,
zuerst beim „Imperfekt“ durch Schwund von /-h-/ zwischen Vokalen, dann als Folge von Analogie auch im
Anlaut bei „Perfekt“ und Imperativ (/ha-/ > /ʾa-/), wodurch aus dem „Haphel“ (ha) ein „Aphel“ (aph) wird
(ATTM 148). Historische Schreibungen bewahren jedoch Formen mit etymologischem h. Es ist nicht ausgeschlossen, dass schon zu dieser Zeit in Teilen des
Sprachgebietes eine Monophthongierung von /aw/ und
/aj/ zu /ō/ und /ē/ stattfand (anders ATTM 116–120).
Transkriptionen von Personennamen in Keilschrift legen sodann für um 500 v.Chr. den Beginn zweier weiterer Entwicklungen nahe, der Dissimilation von /a/ zu
/e/ beim Präfix des Grundstamm-„Imperfektes“ vor
zunächst nur dem Themavokal /a/ (d.h. die erste Stufe
des „Barth-Ginsberg-Gesetzes“, ATTM 109f.) und der
Anaptyxe (Silbenaufsprengung) einer wortauslautenden Doppelkonsonanz durch einen Hilfsvokal (ǝ), der
danach zu einem Vollvokal wurde (ATTM 112). In
nachachämenidischer Zeit sind beide wegen zunehmender Vokalbuchstaben für Kurzvokale in aramäischen Schreibungen selbst nachweisbar und erscheinen auch in der biblisch-aramäischen Punktation. Nomina (etwa der Bildungstypen qatl, qitl und qutl) werden im Lemmakopf ohne die Sprossvokale transkribiert, im Teil über Etymologie und Form wird in relevanten Fällen aber auf das Phänomen hingewiesen.
Dagegen ist die für das achämenidische Reichsaramäisch charakteristische „degeminierende“ Schreibung
(auch „Geminatendissimilation“ genannt) wohl keine
lautliche, sondern eine orthographische Entwicklung:
wie in den übrigen semitischen Sprachen Syrien-Palästinas wird auch im Aramäischen /n/ in Kontaktstellung üblicherweise assimiliert (also z.B. /ʾáttā/ „du“
aus */ʾanta/, altaramäisch ʾt geschrieben; Ausnahmen
entstehen bei /ḥ/ wie bei mhnḥt /mohanḥet/ „Herabbringer“ in KAI 309,2; → nḥt). In achämenidischer
Schreibung erscheinen solche Langkonsonanten dann
mit einem vorgeschalteten n (wie ʾnt „du“), was sich
unter dem Einfluss der reichsaramäischen Kanzleitradition in nachachämenidischer Zeit noch eine Weile
fortsetzt und auch im Biblisch-Aramäischen begegnet
(ATTM 89–95). Die Variation mit Schreibungen ohne
n und das baldige Aussterben dieser Besonderheit mit
der Erosion achämenidischer Orthographie weisen indes auf eine rein graphische Besonderheit und nicht
auf eine nasalisierte Aussprache. Mithin wird in der
Transliteration im Lemmakopf eine Schreibung mit n
gebraucht, in der rekonstruierten Vokalisierung Assimilation vorausgesetzt (wie → ḥnṭh /ḥeṭṭā/ „Weizen“).
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Grammatikabriss
Auch nach dem Fall des Achämenidenreiches blieb das
Aramäische in großen Teilen Syrien-Palästinas und
Mesopotamiens Umgangssprache, weshalb es sich unter der Oberfläche der oft noch an achämenidische
Konventionen anknüpfenden aramäischen Schriftsprachen hellenistisch-römischer Zeit im ganzen Verbreitungsgebiet veränderte. Erst nachachämenidisch zuverlässig nachweisbare und der biblisch-aramäischen
Punktation zugrunde liegende, teils aber wohl schon
ältere Prozesse fortsetzende Entwicklungen sind die
Ausbreitung des Präfixvokals /e/ beim Grundstamm„Imperfekt“ bei allen Themavokalen (ATTM 110f.)
und ein regelmäßiger Sprossvokal bei zuvor wortauslautender Doppelkonsonanz (ATTM 113–115; daher
gibt es auch im Biblisch-Aramäischen „Segolata“).
Einige weitere Lautveränderungen, die zuerst nachachämenidisch anzutreffen sind und daher in der Rekonstruktion nicht berücksichtigt werden, nähern das
Aramäische noch deutlicher seiner tiberischen Gestalt
an: um 200 v.Chr. wurde /e/ vor wurzelauslautendem
/h/, /ḥ/, /ʿ/ oder /r/ generell zu /a/ assimiliert (ATTM
107f.), vor Zischlauten teils umgekehrt /a/ zu /e/ (ebd.
115f.), und die Monophthongierung /aw/ > /ō/ und /aj/
> /ē/ abgeschlossen (ATTM 116–120); sie hatte vielleicht in manchen Varietäten schon früher eingesetzt.
Ferner wurden zur gleichen Zeit lange Auslautkonsonanten gekürzt (→ gw; ATTM 120–122) und der wohl
nicht geradlinige Zusammenfall von */ś/ mit /s/ abgeschlossen (→ šmš /šamš/; ATTM 102f.). Nach 150 v.
Chr. wurden /ʾ/, /ʿ/ und /r/ auch im Inlaut nicht mehr
lang artikuliert, worauf vorangehende Vokale meist
ersatzgedehnt wurden (ATTM 122). Sodann fielen unbetonte lange Auslautvokale im gesprochenen Aramäisch aus (ATTM 122–125), blieben aber in der traditionellen Rezitation u.a. des Biblisch-Aramäischen
teils erhalten und sind deshalb dort mit Vokalzeichen
versehen (ATTM 124f.). Weiterhin bildeten schon etwas zuvor aspirierte Verschlusslaute in Schwachartikulation (d.h. generell nach Vokal) frikative Allophone aus, weshalb plosive Aussprache von /b,g,d,k,p,t/
biblisch-aramäisch durch ein Dagesch markiert wird
(ATTM 125–128). Wenn noch zwischen /ḥ,ḫ/ und /ʿ,
ġ/ differenziert wurde, fielen beide jetzt zusammen.
Noch später, nämlich um 250 n.Chr., wurde der Ausfall kurzer unbetonter Vokale in offener Silbe abgeschlossen (ATTM 128–136). Erst dadurch hat das
Aramäische der vokalisierten Überlieferungen seine
gegenüber z.B. dem Hebräischen oder Arabischen
charakteristische Lautgestalt bekommen.
Schließlich spiegelt die biblisch-aramäische Punktation einige noch spätere Änderungen: /-ūn/ > /-ōn/ beim
Suffix (nach ATTM 136 um 400 n.Chr.), wie im gesamten Aramäisch, und die nur in Teilen des Sprachgebietes durchgeführte Minderung /e/ > /i/ sowie /o/ >
/u/ (ATTM 138–140: 7.–8. Jh. n.Chr.), weshalb z.B.
das „Imperfekt“-Präformativ hier gegen die ältere aramäische Lautung ji- punktiert wird; ferner /a/ > /e/ in
geschlossener unbetonter Silbe (ATTM 140f.).
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Der Ton fällt meist auf die letzte Silbe, wobei aber der
einzelsprachliche Befund durch Druckverschiebungen
kompliziert ist (ATTM 142–147). Vereinzelte Pausalformen im Biblisch-Aramäischen (wie z.B. ḥājil in
Dan 3,4; Esr 4,23; → ḥjl) sind aus dem Hebräischen
übertragen und nicht ursprünglich, ebenso vermutlich
sporadische Fälle von Ersatzdehnung statt Reduktion
unbetonter Kurzvokale in offener Silbe (z.B. mārīm
„er erhöht“ [→ rīm] in Dan 5,19). Ebenso ist die Ersatzdehnung vor im Inlaut vereinfachtem /ʿ/ öfter nicht
durchgeführt (vgl. BLA §40g). Die tiberische Punktierung des Biblisch-Aramäischen ist damit noch heterogener als die des Biblisch-Hebräischen. Fragmente des
Danielbuches aus Qumran stehen aber der reichsaramäischen Schreibung teils näher als MT.
3. Morphologie und Morphosyntax
Die selbständigen Personalpronomina dienen wie in
anderen semitischen Sprachen zur Bezeichnung des
Subjekts in Nominalsätzen oder für Emphase (etwa bei
Kontrastierung: „ich aber …“) in Verbalsätzen:
1.
2.mask.
2.fem.
3.mask.
3.fem.
Singular
ʾnh /ʾanā/ „ich“
ʾnt /ʾáttā/ „du“
ʾntj /ʾáttī/ „du“
hw /hū/ „er“
hj /hī/ „sie“
Plural
ʾnḥn(h) /ʾanáḥnā/ „wir“
ʾntm /ʾattūm/ „ihr“
(*/ʾattenn/ „ihr“)
hm(w) /hóm(ū)/ „sie“
hnj /hénnī/ „sie“
In reichsaramäischer Orthographie werden die Formen der zweiten Person mit n geschrieben (altaramäisch ist für die 2.mask.sg. nur ʾt belegt). Gleiches gilt
für das Biblisch-Aramäische, wo aber ʾnt(h) als ʾant
punktiert und wohl zumindest ursprünglich /ʾat/ ausgesprochen wurde (d.h. mit vereinfachtem /-t/ im Auslaut [s.o. 2.] und nach Analogie mit dem Plural plosiv
artikuliert, wie im Syrischen), da /n/ sich regelmäßig an
den folgenden Konsonanten assimiliert und **/ʾant/
unwahrscheinlich ist. Die dritte Person Singular wird
reichsaramäisch in hw und hj differenziert, das Altaramäische hat für beide Formen die Schreibung hʾ.
Im Biblisch-Aramäischen erscheinen beide wohl unter
hebräischem Einfluss graphisch als hwʾ und hjʾ. Daniel hat für die zweite und dritte Person des maskulinen
Plurals beim Pronomen wie bei den „Perfekt“-Endungen (s.u.) /-n/ statt /-m/ (ʾattūn in 2,8), gleich späteren
aramäischen Sprachstufen, aber so bereits in Privatbriefen aus Hermopolis. In der Vokalisierung wurde
bei den gleichen Formen das /e/ des Femininums auf
das Maskulinum übertragen und zu /i/ gemindert (vgl.
ATTM 138–140), also himmō(n) (Esr 5,4 ʾinnūn). Das
unbetonte auslautende /-ā/ der 2.mask.sg. fiel nachreichsaramäisch aus (ATTM 122–125), doch das /-ū/
der 3.mask.pl. wurde durch Druckverschiebung auf
die Ultima bewahrt und in Daniel um /-n/ erweitert.
Die 3.fem.pl. erscheint biblisch-aramäisch als ʾinnīn
(Dan 7,17); alt- und reichsaramäisch noch unbelegt ist
die aus dem späteren Befund rekonstruierte 2.fem.pl.
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Grammatikabriss
Als Demonstrativa dienen znh /dénā/ (selten dnh, zn(ʾ)
oder dn(ʾ) geschrieben), zʾ /dā/ und ʾl(h)/ʾln /ʾellǣ(n)/
„diese(r)“ (Maskulinum und Femininum im Singular,
gemeinsamer Plural) sowie analog zk /dek/, zk /dāk/
und ʾlk /ʾellǣk/ „jene(r)“ (mit Nebenformen znk oder
zkm/dkm, zkj und ʾlkj, biblisch-aramäisch dikkēn); /d/
geht hier auf */δ/ zurück und wird in diesen häufigen
Formen auch reichsaramäisch noch mit z geschrieben,
ebenso bei der Relativpartikel zj /dī/. Das BiblischAramäische indes hat überall phonetische Schreibungen mit d und verwendet wie schon das Altaramäische die selbständigen Personalpronomina der dritten
Person für die Ferndeixis „jene(r)“ (Dan 2,32.44). Die
Interrogativa sind mn /man/ „wer?“ und mh /mā/
„was?“, für Indefinitausdrücke steht öfter gbr /gabar/
„jemand“ (→ gbr) und ab den Briefen aus Hermopolis
mndʿm /meddeʿm/ „etwas“ (→ jdʿ).
Nomina einschließlich der Adjektive flektieren nach
Genus (Maskulinum/Femininum), Numerus (Singular,
Plural und Reste des Duals) und Status (st.abs., st.det.,
st.cstr.), aber nicht jedes Femininum ist äußerlich gekennzeichnet, und teils unterscheiden sich Singular
und Plural im Genus (das wird dann in den betreffenden Lemmata jeweils angegeben). Vereinzelte Versuche, Reste einer produktiven Kasusflexion im Aramäischen nachzuweisen, sind gescheitert. Die drei übrigen Dimensionen werden durch Endungen markiert:
Singular
st.abs.m. /-Ø/
st.cstr.m. /-Ø/
st.det.m. -ʾ /-ā/ (<*/-āʾ/)
st.abs.f. -h /-ā/ (<*/-at/)
st.cstr.f. -t /-at/
st.det.f. -tʾ /-tā/ (<*/-tāʾ/)
Plural
Dual
-(j)n /-īn/
/-ajn/
-j /-aj/ (>/-ē/)
= pl.
-jʾ /-ajjā/ (<*/-ajjāʾ/) = pl.
-n /-ān/
/-tajn/
-t /-āt/
/-taj/
-tʾ /-ātā/ (<*/-ātāʾ/) –
Für Formen des st.det. erscheint statt der historischen
Schreibung mit ʾ teils schon im älteren Aramäisch eine phonetische mit h. Der Dual hat sich bei den Zahlwörtern „zwei“ und „zweihundert“ sowie natürlichen
Paaren wie Körperteilen erhalten. Die alte Femininendung */-at/ ist reichsaramäisch in einigen adverbial
gebrauchten Nomina bewahrt, wie z.B. qblt „als Klage“ (TADAE A6.8,3; → qbl), rḥmt „freiwillig“ (oft;
→ rḥm) oder ʾntt „zur Frau“ (TADAE B3.8,22), vielleicht durch Analogie mit Adverbien auf /-īt/ und /-ūt/.
Der st.abs. ist die unmarkierte Nennform, die auch bei
Zahl- und Totalitätsausdrücken sowie bei prädikativen
Adjektiven steht, und wird jeweils im Lemmakopf angegeben; der st.cstr. markiert ein Genitivverhältnis mit
dem folgenden Wort und kann durch dj umschrieben
werden; der st.det. zeigt meist Definitheit an und ersetzt erst im nachchristlichen Ostaramäisch den st.abs.
als Nennform. Zugehörigkeitsadjektive mit der Endung /-āj/ (wie Völkernamen) bilden den Plural des st.
det. auf /-ǣ/ statt /-ajjā/, was ostaramäisch die übliche
Pluralendung wird. Nomina der Form qatl, qitl, qutl
haben wohl eine zweisilbige Pluralbasis /qVtal-/.
850
Neben diesem in allen semitischen Sprachen sehr häufigen Typ kennt auch das Aramäische zahlreiche weitere Nominalformen mit und ohne äußere Vermehrung
(für eine Übersicht s. ATTM 425–445). Einige davon
sind fest mit bestimmten Bedeutungen verbunden, wie
qattīl für Adjektive (z.B. /ḥakkīm/ „weise“, → ḥkm)
oder qattāl für Berufsbezeichnungen (etwa /tarrāʿ/
„Torhüter“, → trʿ), solche mit Präfix /ma-/ (später >
/mi-/, so in der biblisch-aramäischen Punktation) häufig für einen Ort (wie /maškab/ „Bett“, → škb).
Nomina verschiedener Bildungstypen weisen in der
Flexion einige Besonderheiten auf: Feminina mit den
ursprünglichen Endungen */-āt/, */-īt/ und */-ūt/ verlieren im Aramäischen im st.abs. das /-t/, aber behalten
den langen Vokal, weshalb hier in solchen Fällen als
Nennform z.B. /malkū/ (< */malkūt/) „Königtum“ angegeben wird. Im Plural indes wird der Auslautvokal
vor vokalischen Endungen zu einem Triphthong zerdehnt, also bei /-ā/ st.abs. /-awān/, st.cstr. /-awāt/, st.
det. /-awātā/; bei /-ī/ analog /-ijān/, /-ijāt/, /-ijātā/; bei
/-ū/ dann /-uwān/, /-uwāt/, /-uwātā/ (vgl. biblisch-aramäisch st.cstr. malḵwāṯ, st.det. malḵwāṯā). Ähnlich
verhalten sich Nomina auf */-ī/ (aramäisch > /-ǣ/), wie
z.B. die Partizipien von Wurzeln IIIī: beim Maskulinum im Singular st.abs. und cstr. /-ǣ/, st.det. /-ijā/, im
Plural st.abs. /-ajn/, st.cstr. /-aj/, st.det. /-ajjā/; beim
Femininum im Singular st.abs. /-ijā/, st.cstr. /-ijat/, st.
det. /-ītā/, im Plural st.abs. /-ijān/, st.cstr. /-ijāt/, st.det.
/-ijātā/. Einzelne andere Nomina zeigen weitere Auffälligkeiten: /bajt/ „Haus“ (→ bjt) wurde im Aramäischen zu einem nicht mehr genau zu bestimmenden
Zeitpunkt im st.abs. des Singulars wie ein Femininum
auf Langvokal und /-t/ behandelt, also /baj/ (st.det.
/bajtā/), und hat im st.det. des Plurals /bāttajjā/; /ʾettā/
„Frau“ (→ ʾnth) nimmt für den Plural die suppletive
Basis /nešīn/ (in KAI 309,22f. dagegen /nešawān/),
/bar/ „Sohn“ (→ br) behält in der Pluralbasis /ban-/
das alte /n/; und wiederum andere erweitern im Plural
eine zweikonsonantige Basis, entweder mit Zerdehnung wie /ʾab/ „Vater“ (→ ʾb) zu /ʾabah-/ oder Reduplikation wie /rabb/ (→ rb) zu /rabrab-/. Bei /ʾab/
„Vater“, /ʾaḥ/ „Bruder“ (→ ʾḥ) und /ḥam/ „Schwiegervater“ (zuerst nachachämenidisch belegt, vgl. PAT
0117,3) hat sich in Formen mit konsonantisch anlautenden Suffixen (s.u.) ein alter st.cstr. in /-ū/ erhalten.
Sporadische Belege der Pluralendung /-īm/ für den
maskulinen st.abs. im Biblisch-Aramäischen (Dan 4,
14; 7,10; Esr 4,13) und in Qumran sind Hebraismen.
Akkadische, iranische, griechische und andere Lehnwörter sind in unterschiedlichem Maße in die aramäische Nominalflexion eingegliedert worden.
An den st.cstr. eines Nomens können pronominale
Suffixe zur Bezeichnung eines Besitzverhältnisses treten („mein“, „dein“ usw.), ebenso bei Präpositionen
für eine adverbiale Relation mit einem pronominalen
Element („bei ihr“, „mit uns“) und bei Verben für ein
pronominales direktes Objekt („sie haben es geschrieben“, „ich habe ihn gesehen“ etc.). Bei einer konso-
Grammatikabriss
851
nantisch auslautenden Nominalbasis wie generell im
maskulinen Singular (außer /ʾab/, /ʾaḥ/ und /ḥam/) und
im ganzen Femininum tritt vor ein konsonantisch anlautendes Suffix (d.h. überall außer bei der ersten Person des Singulars /-ī/ „mein“) ein Bindevokal, dessen
Farbe im Wesentlichen der des ursprünglichen Vokals
des jeweiligen Suffixes zu entsprechen scheint:
1.
2.mask.
2.fem.
3.mask.
3.fem.
Singular
-j /-ī/
-k /-ák(ā)/
-kj /-ék(ī)/
-h /-eh/
-h(h) /-áh(ā)/
Plural
-n(ʾ) /-ánā/
-km/kn /-okūm, -okūn/
-kn /-ekenn/
-h(w)m/hwn /-ohūm, -ohūn/
-hn /-ehenn/
An die auf /-aj/ auslautende Nominalbasis des maskulinen st.cstr. im Plural sowie des maskulinen und femininen st.cstr. im Dual werden die Suffixe hingegen
ohne Bindevokal angefügt, ebenso bei /ʾabū-/, /ʾaḥū-/
und /ḥamū-/ (s.o.; jedoch /ʾabī/ „mein Vater“), so dass
synchron zwei Reihen von Suffixen (mitunter „Singular-“ und „Pluralsuffixe“ genannt, da die ersten meist
bei singularischen, die zweiten bei pluralischen Basen
vorkommen) unterschieden werden können:
1.
2.mask.
2.fem.
3.mask.
3.fem.
Singular
Plural
-j /-ajj/
-jn(ʾ) /-ájnā/
-jk /-ájk(ā)/
-jkm/jkn /-ajkūm, -ajkūn/
-jkj /-ájkī/
-jkn /-ajkenn/
-wh(j) /-áwhī/ -jh(w)m/jhwn /-ajhūm, -ajhūn/
-jh(h) /-ájh(ā)/ -jhn /-ajhenn/
In der 3.mask. entstand /-hī/ aus */-hū/, /-aw-/ durch
Dissimilation aus */-aj-/. Maskuline Suffixe der 2./3.
Person Plural auf /-n/ begegnen in Daniel und im späteren Aramäisch. Die biblisch-aramäische Punktation
spiegelt den sekundären Wandel /-ūn/ > /-ōn/ (ATTM
136). Sie hat bei den Suffixen an vokalisch auslautender Basis („Pluralsuffixe“) in der 2.mask. des Singulars -āḵ (im Konsonantentext -jk), in der 3.fem. -ah
(Konsonantentext -jh) und in der 1. des Plurals -anā
(Konsonantentext -jnʾ; ATTM 153), sonst die erwartete Monophthongierung /aj/ > /ē/ und in der 3.mask.
des Singulars /aw/ > /ō/, in der 1. des Singulars die
Kürzung /-ajj/ > /-aj/ (s.o. 2.). Zuweilen erscheint bei
der 3.fem. des Plurals ein Genusunterschied zwischen
der maskulinen Form im Konsonantentext und der
femininen Form in der Vokalisierung (Dan 7,8.19).
Änderungen in der Silbenstruktur beim Antritt von
Suffixen oder Endungen bewirken den Erhalt unbetonter Kurzvokale, die sonst in offener Silbe ausgefallen wären (wie ʿaḇḏōhī „seine Diener“ in Esr 5,11 aus
/ʿabadawhī/, mit wie bei anderen qatl-, qitl- und qutlNomina ursprünglich zweisilbiger Pluralbasis, was am
spirantisierten ḏ in der Vokalisierung noch zu erkennen ist; dagegen ʿaḇeḏ „Diener“ zur Grundform /ʿabd/
nach Anaptyxe /ʿabǝd/, Spirantisierung, Steigerung
des Hilfsvokals zum Vollvokal und Vokalschwund).
852
Räumliche, zeitliche oder logische Beziehungen werden durch Präpositionen bezeichnet. Am häufigsten
begegnen /ba-/ „in“, /la-/ „für, zu“ und /ka-/ „wie“, daneben /ʾel/ „nach“ (im Laufe der Zeit dann durch /ʿal/
ersetzt), /bajn/ „zwischen“, /men/ „von, aus“, /ʿad/
„bis“, /ʿal/ „auf, gegen“, /ʿemm/ „mit“ und einige ursprüngliche Nomina, die im Gebrauch meist zu Präpositionen reduziert wurden, wie z.B. /ḥalp/ „statt“ (→
ḥlp), /qobl/ „vor, gemäß“ (→ qbl), /qodām/ „vor“ (→
qdm) oder /taḥt/ „unter“. Bei Suffixen haben /ʾel/,
/bajn/, /ʿal/, /qodām/ und /taḥt/ eine erweiterte Basis
auf /-aj/, nehmen also die „Pluralsuffixe“ (s.o.). Die
Funktionen bestimmter präpositionaler Ergänzungen
bei Verben sind in den jeweiligen Artikeln vermerkt.
Sehr häufig ist /la-/ für das indirekte Objekt, woraus
sich in der reichsaramäischen Tradition ein Gebrauch
als Markierung auch eines (oft belebten) direkten Objektes entwickelt hat (ebenso im späteren Ostaramäisch), während die altaramäischen Sprachen Syriens
dafür die Partikel /ʾijjāt/ verwenden, das Westaramäische die verwandte Form /jāt/ (s. H. Gzella, Differentielle Objektmarkierung im Nordwestsemitischen als
Konvergenzerscheinung, in: R. Kuty u.a. [Hg.], Nicht
nur mit Engelszungen, FS Arnold, Wiesbaden 2013,
113–124). Im Biblisch-Aramäischen treten beide Objektpartikeln auf. Andere allgegenwärtige Funktionswörter sind die Konjunktionen /wa-/ „und“ und /ʾaw/
„oder“, die Konditionalpartikel /hen/ „wenn“ sowie
verschiedene unterordnende Konjunktionen auf der
Grundlage der Relativpartikel /dī/ zusammen mit einer
Präposition wie /ka-/ (z.B. kzj /kadī/ „wann“) oder
einem Präpositionalausdruck mit /qobl/ (→ qbl). Objektsätze und andere Nebensätze werden ebenfalls mit
/dī/ „dass“ eingeleitet; die Konstruktion bei Verben
wird im jeweiligen Artikel vermerkt (z.B. → jdʿ; šmʿ).
Der Existenzmarker /ʾīt(aj)/ „es gibt“, negiert /lajt(aj)/
„es gibt nicht“, wird zusammen mit /la-/ für „haben“
verwendet, da semitische Sprachen dafür kein eigenes
Verb kennen. Als Negationen dienen /lā/ und im älteren Aramäisch bei Verboten /ʾal/. Weiterhin begegnen
deiktische Partikeln wie z.B. /hā/, /ʾarū/ oder /(hā)lū/
„siehe!“ (im Biblisch-Aramäischen häufig bei Visionsberichten, → ḥzī) und Adverbien wie /ʾajk/ „wie?“,
/ʾān/ „wo?“, /ʾap/ „auch“, /ken/ „so“, /kaʿat/ „nun“,
/tūb(ā)/ „wiederum“ (→ tūb) und andere mehr.
Verbalhandlungen werden durch Verbalwurzeln bezeichnet. Diese erscheinen stets in einem bestimmten
Stamm zur Markierung der Aktionsart (unmarkiert,
faktitiv, kausativ) und der Diathese (Aktiv und NichtAktiv, d.h. Mediopassiv oder Passiv sowie damit assoziierte Kategorien wie Reflexiv). Alle Stämme bilden finite Konjugationen und bestimmte paradigmatische Verbalnomina (Partizipien und Infinitiv) aus. Die
finiten Formen werden jeweils nach Person, Genus
und Numerus konjugiert, die Partizipien wie andere
Nomina dekliniert. Im unmarkierten Stamm („Grundstamm“ oder Peal [pe]) kann zwischen dynamischen
und stativischen Verben unterschieden werden.
853
Grammatikabriss
Die finiten Konjugationen bezeichnen die semantischen Kategorien Tempus (Zeitlageverhältnis eines
Sachverhaltes), Aspekt (innere Kontur) und Modalität
(Verhältnis einer Aussage zur tatsächlichen, möglichen
oder erwünschten Wirklichkeit). Beim Tempus wird
zunächst zwischen Vergangenheit und Gegenwart-Zukunft unterschieden, beim Aspekt zwischen der subjektiven Darstellung einer Handlung als abgeschlossen (oder punktuell) und unabgeschlossen (im Verlauf)
und bei der Modalität zwischen epistemisch (verschiedene Nuancen der Möglichkeit) und deontisch (Aufforderungen). Diese drei semantischen Grundkategorien überschneiden sich gegenseitig, so dass z.B. die
Gegenwart immer im Verlauf, die Zukunft generell unsicher und damit der Modalität nahestehend und eine
Aufforderung oder eine Erzählung aufeinander folgender Ereignisse meist der punktuellen Darstellungsweise zugeneigt ist. Solche Zusammenhänge sind sprachübergreifend erwiesen (s. H. Gzella, Some General
Remarks on Interactions between Aspect, Modality,
and Evidentiality in Biblical Hebrew, Folia Orientalia
49, 2012, 225–232). Da sich Tempus, Aspekt und Modalität im älteren Aramäisch auf nur zwei oder drei
Verbalkategorien verteilen, ist statt simpler Grundbedeutungen (in veralteten Darstellungen öfter auf ein
relatives Zeitstufen- oder ein binäres Aspektsystem zurückgeführt) eher von breiteren und fließenden Funktionsspektren auszugehen, die dann in spezifischen
Verwendungen je nach Kontext zu einer deutlicheren
temporalen, aspektuellen oder modalen Nuance erstarren (s. dazu ausführlich H. Gzella, Tempus, Aspekt
und Modalität im Reichsaramäischen, Wiesbaden
2004; zu Daniel ähnlich auch T. Li, The Verbal System of the Aramaic of Daniel, Leiden 2009).
Im Alt- und Reichsaramäischen einschließlich des Biblisch-Aramäischen sind ein durch Afformative gebildetes „Perfekt“ (auch als Afformativ- oder Suffixkonjugation bezeichnet) sowie ein durch Prä- und Afformative gebildetes „Imperfekt“ („Präfixkonjugation“)
produktiv, das zweite in einer „Lang-“ (manchmal
auch nur „Imperfekt“ genannt) und einer „Kurzform“
(„Jussiv“). Dieses „Kurzimperfekt“ hat sich nachachämenidisch nur noch in Qumran erhalten und schwindet
darauf ganz im Aramäischen; es unterscheidet sich
von der Langform durch andere Endungen in einigen
Formen. Die Basis beider Konjugationen wird jeweils
durch den übergeordneten Verbalstamm bestimmt, die
Prä- und Afformative beim „Perfekt“ und „Lang-“ sowie „Kurzimperfekt“, die an diese Basis treten, sind in
allen Stämmen gleich. Das „Perfekt“ deckt verschiedene Schattierungen der Vergangenheit ab (ohne Unterschied zwischen punktuell und durativ, dazu resultativ, performativ [„Hiermit …“], manchmal auch in
zeitlos gültigen Aussagen [„gnomisch“] sowie in der
Protasis von Konditionalsätzen für relative Vorzeitigkeit), im Grundstamm ist der Vokal in der zweiten Silbe der Basis lexikalisch (meist /a/ bei Handlungs- und
/e/ bei Zustandsverben); hier das Paradigma für → ktb:
1.
2.mask.
2.fem.
3.mask.
3.fem.
Singular
ktbt /katáb-(ǝ)t/
ktbt /katáb-t(ā)/
ktbtj /katáb-tī/
ktb /katab-Ø/
ktbt /katáb-at/
854
Plural
ktbn /katáb-n(ā)/
ktbt(w)n /katab-tūn/
ktbtn /katab-ten/
ktbw /katáb-ū/
ktbw /katáb-ū/
Der Plural der 3.fem. wird reichsaramäisch durch die
maskuline Form ersetzt, für das Altaramäische fehlen
bislang Belege. Nachreichsaramäisch erscheint hier
jedoch eine eigene Form ktbh /katab-ā/ (ebenso in der
biblisch-aramäischen Vokalisierung). Biblisch-aramäisch haben sich die unbetonten auslautenden Langvokale des „Perfektes“ gehalten, der Schwund der Kurzvokale und die Umlautung /e/ > /i/ haben im Singular
bei der 1. und 3.fem. zu kiṯḇeṯ „ich schrieb“ und kiṯḇaṯ
„sie schrieb“ geführt, sonst lautet die Basis keṯaḇ. Diese Basis ist aber teils auch für die 3.fem. des Singulars
belegt (beṭelaṯ „sie hörte auf“, Esr 4,24).
Das „Langimperfekt“ bewegt sich im Funktionsbereich
von Gegenwart-Zukunft, Dauer/Unabgeschlossenheit
und epistemischer Modalität. Auch hier hat die Basis
im Grundstamm einen lexikalischen Vokal, bei Handlungsverben meist /o/ (biblisch-aramäisch /u/, s.o. 2.):
1.
2.mask.
2.fem.
3.mask.
3.fem.
Singular
ʾktb /ʾa-ktob/
tktb /ta-ktob/
tktbjn /ta-ktob-īn/
jktb /ja-ktob/
tktb /ta-ktob/
Plural
nktb /na-ktob/
tktb(w)n /ta-ktob-ūn/
tktbn /ta-ktob-(ǝ)n, -ān/
jktbwn /ja-ktob-ūn/
jktbn /ja-ktob-ān/
Beim Vokal des Präformativs ist für das Alt- und
Reichsaramäische strittig, wie lange sich noch altes /a/
gehalten hat und wann es durch /e/ (so in den späteren
Punktationen) ersetzt worden war (s.o. 2. zum „BarthGinsberg-Gesetz“). Für die 2./3.fem. des Plurals weisen die Vokalisierungen auf /-ān/ nach Analogie des
Maskulinums statt ererbtem */-n(ā)/, aber der Zeitpunkt dieses Wandels ist unbekannt (ATTM 147).
Dagegen ist das „Kurzimperfekt“ für Aufforderungen
und Wünsche (negiert mit /ʾal/) nur in der 2.fem. des
Singulars sowie den 2./3. Personen des Plurals in der
Schrift von der „Langform“ zu unterscheiden:
1.
2.mask.
2.fem.
3.mask.
3.fem.
Singular
ʾktb /ʾa-ktob/
tktb /ta-ktob/
tktbj /ta-ktob-ī/
jktb /ja-ktob/
tktb /ta-ktob/
Plural
nktb /na-ktob/
tktbw /ta-ktob-ū/
tktbn /ta-ktob-(ǝ)n/
jktbw /ja-ktob-ū/
jktbn /ja-ktob-(ǝ)n/
Nachreichsaramäisch wird das „Kurzimperfekt“ durch
die „Langform“ ersetzt. In der Tell-Fekherye-Inschrift
begegnet beim nicht-negierten „Kurzimperfekt“ bereits
als Präformativ /l-/ statt /j-/, biblisch- und Qumran-aramäisch nur bei → hwī. Das Ostaramäische hat statt /j-/
generell /l-/ oder (wohl daraus entstandenes) /n-/.
855
Grammatikabriss
Die zweiten Personen des „Kurzimperfektes“ ohne
Präformativ sind im Regelfall identisch mit dem Imperativ; für dessen Verneinung steht das mit /ʾal/ negierte „Kurzimperfekt“. Das aktive Partizip ktb /kāteb/
wird in prädikativer Funktion spätestens seit reichsaramäischer Zeit als Präsens- oder Verlaufsform immer
stärker ins Verbalsystem integriert und dient teils auch
als historisches Präsens; zusammen mit „Perfekt“ oder
„Imperfekt“ von → hwī bildet es periphrastische Konjugationen zum Ausdruck von Dauer oder Verlauf in
Vergangenheit und Zukunft. Das passive Partizip ktjb
/katīb/ hat meist resultative Nuancen und wird oft wie
ein Adjektiv verwendet. Der Infinitiv lautet ab dem
Reichsaramäischen mktb /maktab/ (> /miktab/), er fungiert zusammen mit der Präposition /la-/ meist als verbales Komplement bei Hilfsverben; im Altaramäischen
sind auch Formen ohne m-Präfix (/ktab/?) bezeugt.
Mit Ausnahme des Partizips können die Verbalformen
um Suffixe zur Markierung eines pronominalen Objektes erweitert werden. Die 1. Person des Singulars
hat /-nī/ „mich“ (mit Hilfsvokal /-anī/), sonst sind die
Suffixe identisch mit denen beim Nomen (s.o.), z.B.
/jahabtā-hā/ „du hast sie gegeben“. Seit dem Reichsaramäischen haben bei der 3. Person des Plurals die
selbständigen Personalpronomina die entsprechenden
Suffixe ersetzt. „Langimperfekt“-Formen ohne Afformative hängen Suffixe üblicherweise an die sonst anscheinend funktionslose „Energicus“-Endung /-an/ ohne Bindevokal an, wobei /-n/ in der Aussprache vermutlich an das /-k/ des Suffixes assimiliert wird, wie
etwa /jaśīmákkā/ „er stellt dich“ (< /jaśīm-án-kā/).
Bei den abgeleiteten Stämmen verändert sich nur die
Basis: beim Dopplungsstamm (Pael [pa]) für faktitive
Nuancen mit Längung des mittleren Wurzelkonsonanten, beim Kausativstamm (Haphel/Aphel [ha/aph], dazu s.o. 2.) mit Präfix /ha-/ (> /ʾa-/). Grund-, Dopplungs- und Kausativstamm haben je einen t-Stamm mit
infigiertem /-t-/ für mediopassive oder reflexive Nuancen (Etpeel [itp], Etpaal [itpa] und Ettafal [ittaph])
und bis Ende des 1. Jahrtausends v.Chr. ein mit Ablaut gebildetes „inneres Passiv“ auf der Grundlage des
Aktivs; danach wird dessen Funktion vom jeweiligen
t-Stamm übernommen. Die Grundformen sind:
pe
itp
pa
itpa
aph
ittaph
„Perf.“
„Impf.“ Partizip
Infinitiv
/katab/
/jaktob/ /kāteb/
/maktab/
/ʾetkateb/ /jetkateb/ /metkateb/ /ʾetkatābā/
/katteb/ /jakatteb/ /makatteb/ /kattābā/
/ʾetkattab/ /jetkattab/ /metkattab/ /ʾetkattābā/
/ʾakteb/ /jakteb/ /makteb/ /ʾaktābā/
/ʾettakteb/ /jettaktab/ /mattaktab/ /ʾethaktābā/
Bei Verben, die sowohl einen Dopplungs- als einen
Kausativstamm ausbilden, unterscheidet sich die Bedeutung im Einzelfall. Das innere Passiv (pe: „Perf.“
/katīb/, „Impf.“ /joktab/, Ptz. /katīb/; pa: „Perf.“ /kotteb/, „Impf.“ /jakottab/, Ptz. /makattab/; aph: „Perf.“
/ʾokteb/, „Impf.“ /joktab/, Ptz. /maktab/) schwindet
856
zuerst im „Imperfekt“, weshalb dort die t-Stämme bereits mit passivischer Nuance auftreten. Das „Perfekt“
des inneren Passivs hat mitunter resultative Bedeutung.
Ein wurzelanlautender Sibilant geht mit dem /-t-/ der tStämme meist Metathese ein (mit /-tz-/ > /-zd-/). Die
Infinitive der abgeleiteten Stämme zeigen diachrone
wie synchrone Variation (vgl. knapp ATTM 150).
Verschiedene Verbklassen weisen als Folge instabiler
Wurzellaute Veränderungen auf: silbenschließendes /ʾ/
schwindet unter Ersatzdehnung, weshalb Verben IIIʾ
mit solchen IIIī verschmolzen sind; /n/ als erster Wurzellaut wird assimiliert, ebenso /l/ bei lqḥ (→ nśī), und
der Imperativ hat dann eine zweiradikalige Basis (z.B.
/qaḥ/ „nimm!“). Verschiedene Verben mit anlautendem /j/ längen beim „Imperfekt“ den zweiten Wurzellaut (/jaddaʿ/ „er weiß“) und haben ebenfalls einen
zweikonsonantigen Imperativ (/hab/ „gib!“), ursprüngliches anlautendes /w-/ ist im Kausativstamm erhalten.
Verben mit langem zweiten Radikal längen bei Formen mit Präformativen und Präfixen den ersten: /ʿallat/
„sie trat ein“, aber /taʿʿol/ „du trittst ein“ (oft degeminierend tnʿl geschrieben); in itp, pa und itpa verhalten
sie sich regelmäßig. „Hohle“ Wurzeln mit mittlerem
Langvokal erhalten diesen im „Langimperfekt“ (doch
bei der „Kurzform“ wohl gekürzt) und haben sonst den
entsprechenden Vokal regelmäßiger Verben (also im
„Perfekt“ /qām/, „Imperfekt“ /jaqūm/). Aktives Grundstamm-Partizip und pa sind regelmäßig, zuweilen begegnet ein „Längungsstamm“ (→ rīm). Bei vokalisch
auslautenden Verben (IIIī) erhält sich /-ī/ in „Perfekt“
und Imperativ (> /aj/ bei Afformativen mit /i/ und >
/aw/ bei solchen mit /ū/), aber wird zu /-ǣ/ in „Imperfekt“, Partizip und Grundstamm-Infinitiv. Oft begegnet ein „Perfekt“ mit /-ā/ (> /-aj-/ vor konsonantischen
Afformativen, > /-āt/ in 3.fem.sg. und /-aw/ in 3.pl.).
Suffigierte Formen IIIī diphthongieren den Langvokal
vor dem Bindevokal (/haḥwiján(ā)/ „er zeigte uns“).
4. Syntax
Im älteren Altaramäisch herrscht die Wortstellung
Verb – Subjekt – Objekt bei Verbalsätzen und Subjekt
– Prädikat bei Nominalsätzen (oft mit Personalpronomen als Kopula, z.B. Dan 2,38: „du bist das Haupt aus
Gold“) vor. Änderungen der Satzstruktur, wohl zuerst
teils unter akkadischem, dann unter persischem Einfluss, führen aber spätestens ab dem Reichsaramäischen zur Erosion fester Wortfolgemuster mit Tendenz zur Nachstellung des Verbs und Voranstellung
des direkten Objekts, die sich auch im Biblisch-Aramäischen beobachten lässt. Als Folge derselben Einflüsse entstehen die im späteren Aramäisch so typischen proleptischen Suffixe wie brh dj PN „sein Sohn,
der des N.N.“ = „N.N.s Sohn“. Andere syntaktische
Erscheinungen entsprechen dem nordwestsemitischen
Befund insgesamt: doppelte Unterordnung wird generell durch Beiordnung aufgelöst; zusammengesetzte
Subjekte, Kollektivbegriffe und passive Prädikate weichen zuweilen von der regelmäßigen Kongruenz ab.