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Arabische Medien: Eine Einführung Carola Richter & Asiem El Difraoui Als die ersten exklusiven Bin Laden-Videos nach dem 11. September 2001 über den arabischen Satellitennachrichtensender AL-JAZEERA ausgestrahlt wurden, wurde auch den meisten deutschen Zuschauern dramatisch vor Augen geführt, dass die arabischen Länder eine dynamische Medienlandschaft besitzen. Im Kontext der Umbrüche im arabischen Raum erlangte der irreführende Begriff der »Facebook-Revolutionen« große Bekanntheit und fast jeder Mediennutzer außerhalb der arabischen Welt kennt die verwackelten Videos verschiedener Medienkollektive aus den Wirren des Bürgerkriegs in Syrien oder die erschreckend professionellen Clips der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Zahlreiche Artikel und Bücher haben sich nunmehr mit AL-JAZEERA, der vermeintlichen »Social-Media-Revolution« und dem »Medien-Dschihad« in der arabischen Welt beschäftigt. Jedoch werden die arabische Medienlandschaft und die arabischen Mediensysteme kaum in ihrer Gesamtheit betrachtet und in Zusammenhang mit historischen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen gebracht und inner-regional verglichen. Dieses Handbuch ist das erste Überblickswerk in deutscher Sprache, das sich systematisch einer Betrachtung transnationaler Phänomene und nationaler Spezifika in arabischen Ländern widmet und das Wissen zu den medialen Entwicklungen vor Ort so zusammenführt, dass ein umfassendes Verständnis politischer, sozialer und wirtschaftlicher Implikationen der Medienentwicklungen vermittelt werden kann. Der Begriff »Arabische Welt«, die über 300 Millionen Einwohnern umfasst, bezeichnet eine Vielzahl an Staaten, Bevölkerungsgruppen, Herrschaftsformen und Gesellschaftsordnungen. Vielfach wird die geografische Bezeichnung Naher Osten und Nordafrika (oder englisch: Middle East and North Africa = MENA) genutzt, um die riesige Flächenausdehnung der hier beschriebenen Region vom Atlantik bis nach Asien zu beschreiben. Die Staaten der MENA-Region sind alle Mitglieder der 1945 gegründeten Arabischen Liga und verstehen sich somit trotz ihrer Heterogenität als zusammengehörig, was nicht zuletzt in ihrer gemeinsamen Geschichte wurzelt: Insbesondere die sukzessive islamische Eroberung der Region und das spätere Aufgehen vieler der heute existierenden Länder im Jahrhunderte überdauernden Osmanischen Reich waren hier prägend. Das wesentliche einende Kriterium stellt sicherlich die arabische Sprache dar. Dies sollte allerdings nicht verdecken, dass wir es in den in diesem Buch beschriebenen Ländern mit einer Vielfalt an dialektalen Varianten des Arabischen und außerdem mit zahlreichen indigenen Sprachen wie Kurdisch oder Tamazight zu tun haben. Wir betrachten in diesem Buch 18 arabische Länder und ihre Medien, 9 EINFÜHRUNG lediglich die Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga aus dem südlicheren Afrika (Mauretanien, Dschibuti, Komoren und Somalia) werden nicht behandelt. Warum lesen? Zur Bedeutung arabischer Medien Arabische Länder und Gesellschaften sind also nicht homogen. Dennoch lassen sich auch einige in ihren Gemeinsamkeiten begründete Besonderheiten feststellen, die sie als regionales Phänomen speziell machen. Gleichzeitig kann ein tieferer Einblick in die Funktionsweisen und Rahmenbedingungen arabischer Medien zum generellen Verständnis von Medienentwicklungen außerhalb Europas beitragen. Kolonisation, Modernisierung, Kalter Krieg und Globalisierung sind Schlagworte, mittels derer sich die arabische Welt in globalgesellschaftliche Entwicklungen der Moderne einordnen lässt. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts gab es kaum ein arabisches Land, das in den heutigen Grenzen existierte. Seither wurden zahlreiche ethnisch und religiös disparate Bevölkerungsgruppen in Staatsgebilde zusammengewürfelt, was bis heute zu politischen und sozialen Spannungen führt. Für die Kolonialmächte Europas und später auch die Sowjetunion und die USA diente die Region nach 1945 mehr noch als Lateinamerika, SubsaharaAfrika und Asien als Spielfeld, um ihre Wirksphären abzustecken. Der starke Einfluss der Franzosen auf die Entwicklungen des Bildungs-, Rechts- und Mediensystems in den Ländern des Maghreb ist noch genauso spürbar wie die Implikationen der britischen Mandatsherrschaften in den Golfstaaten, Palästina und Irak. Das Zusammentreffen und die Konfrontation mit den europäischen Kolonisatoren und das damit verbundene Ende der jahrhundertelangen Dominanz der Osmanen in der Region löste eine Vielzahl von Entwicklungen im Medienbereich aus, darunter den Import neuer Technologien und Formate. Andererseits resultierten der Kolonialismus und die Rivalität der Supermächte nach dem zweiten Weltkrieg in zahlreichen Konflikten und Stellvertreterkriegen, die die Region immer wieder in ihrer Entwicklung zurückwarfen: Seien es die arabischisraelischen Konflikte, der Iran-Irak-Krieg in den 1980er-Jahren oder die IrakKriege von 1990/91 und 2003. Zudem unterstützten die Grossmächte verschiedene autoritäre Herrscher, die interne Stabilität und Loyalität garantierten, um im Kalten Krieg eine politische Machtbalance aufrecht zu erhalten. Dabei handelte es sich sowohl um Königshäuser, die sich über ihre Abstammung legitimieren wie in Saudi-Arabien, Jordanien, Oman, Kuwait, Qatar, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Marokko, als auch um nationalistisch geprägte Regime, die häufig einen starken Führerkult entwickelten wie in Ägypten, Libyen, Syrien, Algerien, Tunesien, im Sudan oder im Irak. Die auf diesen unterschiedlichen autoritären Herrschaftsformen beruhende politische Vermachtung des Mediensektors stellt ein wesentliches Kennzeichen 10 EINFÜHRUNG aller arabischen Länder dar. Der in der Modernisierungsideologie der 1960erJahre verankerte und von den Machthabern in fast allen arabischen Ländern internalisierte Gedanke, dass die Medien unmittelbaren Einfluss auf die Willensbildung der Menschen hätten, führte aufgrund seiner politisch-gesellschaftlichen Implikationen dazu, dass die jeweiligen Herrscher die Massenmedien ihres Landes ihrer Kontrolle unterstellten. Dabei wurden verschiedene Strategien zur Legitimation dieser Vermachtung eingesetzt. Im besten Fall wurden Medien als Instrumente für die Erziehung und Entwicklung der Gesellschaften genutzt, doch in der Regel resultierte die autoritäre engmaschige Kontrolle darin, dass Medien zu Verlautbarungsorganen der Machthaber degradiert wurden. Jeder Herrscher nahm dabei für sich in Anspruch, am besten zu wissen, was gut für die Bevölkerung sei und welche Informationen sie erhalten sollte. In der Regel dienten Informationsministerien, die Lizenzen für alle Medienarten vergaben und Personalentscheidungen trafen oder überprüften, der Implementierung dieser Logik und der damit einhergehenden Zensur. In den meisten Ländern ist der Besitz von Medien noch immer ausschließlich in Staatshand. Die Kontrolle durch ein Informationsministerium ist mittlerweile zwar aufgeweicht, häufig handelt es sich aber lediglich um Pseudo-Liberalisierungen. Von wirklich unabhängigen Medien, die sich frei von Einflüssen der Machteliten als Vermittlungsinstanz zwischen Bürgern und Entscheidungsträgern verstünden, lässt sich derzeit in keinem arabischen Land sprechen. Tunesien kommt nach der Vertreibung Zine alAbedin Ben Alis diesem Ideal noch am nächsten, doch wie in den meisten liberaleren Autokratien der arabischen Welt werden die Medien auch dort häufig als politische Instrumente ihrer Besitzer verstanden. In keinem einzigen arabischen Land existieren Medien, die man als »öffentlich-rechtlich« im europäischen Sinne bezeichnen kann. Entsprechend ist ein kritischer Blick auf die politische Ökonomie der Medien unerlässlich. In der Beschreibung der einzelnen Länder werden einem häufig die Wörter »Rentierstaat« oder »Rentenökonomie« und »Neo-Patrimonialismus« begegnen. Eine Rentenökonomie basiert auf Einnahmen, die nicht durch die Produktion von Gütern oder Dienstleistungen erwirtschaftet wird. Renten können beispielsweise aus dem Verkauf von Rohstoffen oder staatliche kontrollierten stabilen Einkommensquellen stammen, wie dem Suez-Kanal in Ägypten. Rentierstaaten sind also sehr stark von wenigen Einnahmequellen abhängig, ihre Ökonomien verfügen zumeist über einen nur sehr geringen Diversifikationsgrad. Zahlreiche arabische Staaten zählen zur Kategorie der Rentierstaaten – von den reichsten Golfländern über Libyen und Algerien bis zum armen Sudan. In anderen Ländern wie Ägypten und Marokko verfügen die Staatseliten über Monopolstellungen in zahlreichen Wirtschaftszweigen. Die oligarchischen Wirtschaftssysteme favorisieren ebenso wie die Rentenökonomien Neo-Patrimonialismus und Klientelismus: über die Verteilung der Ressourcen entscheiden die Machthaber. Wer davon profitieren will, muss sich loyal gegenüber den herrschenden 11 EINFÜHRUNG Eliten verhalten. In den meisten Ländern sind deshalb häufig Patronage- und Klientelnetzwerke entstanden, in deren Mittelpunkt die Herrschaftseliten stehen, die mittels ihrer Kontrolle der politische Institutionen und der Wirtschaft ihre Stellung festigen und Strategien entwickeln, um sich dauerhaft die Loyalität der Bevölkerung als »Klientel« zu sichern. Den Medien kommt dabei als wirtschaftliche Unternehmen und gleichzeitig als politische Instrumente eine besonderere Bedeutung zu. Die zumeist wegen politischer oder wirtschaftlicher Legitimationskrisen eingeführten Liberalisierungsmaßnahmen der 1990er und 2000er-Jahre haben selten mehr als eine Verlagerung des Medienbesitzes und der Medienkontrolle auf die dem Regime nahestehende Klientel aus den Wirtschaftseliten bewirkt. Auch die transnationale Expansion von Medien, insbesondere des Satellitenfernsehens, ist vor allem als Ausdruck der Stabilisierung oder Ausweitung politischer Einflusssphären vor allem von Saudi-Arabien, Qatar und Ägypten zu verstehen. Dabei wird entsprechend der Maxime »Teile und Herrsche« auch eine kritischere Berichterstattung in Kauf genommen, solange diese die Grundpfeiler der eigenen Herrschaft nicht angreift. Zudem sichern die Machthaber mit Garantieabnahmen und Subventionen für Printmedien die »Loyalität« der Medienmacher gegenüber ihrer Politik. Kommerziell erfolgreiche Finanzierungsmodelle für Presse oder Fernsehen sind in der arabischen Welt hingegen eine Seltenheit. Trotz oder vielleicht sogar wegen dieser engen Verbindungen von Politik, Wirtschaft und Medien sind die arabischen Mediensysteme mittlerweile hoch dynamisch. Seit dem 19. Jahrhundert entwickelte sich in den arabischen Ländern eine eigene Medienkultur. Eine stark oral geprägte Kommunikationskultur, die auch aufgrund des immer noch weit verbreiteten Analphabetentums fortbesteht, erklärt den spektakulären Erfolg des Radios und später des Fernsehens im Bereich der Massenmedien. Printmedien wie Zeitungen erreichen seit ihrer Entstehung vor allem die Bildungseliten und somit nur eine begrenzte Leserschaft. Sie wurden im Gegensatz zum Rundfunk zumeist weniger stark staatlich reglementiert. Internetbasierte Medien übernehmen zunehmend die Rolle von Print. Die Bevölkerung in der arabischen Welt ist sehr jung: Aufgrund der nach wie vor sehr hohen Geburtenrate sind je nach Land zwischen 20-40 % der Menschen jünger als 15 Jahre. Sie wachsen als digital natives mit Handy und Internet auf und umgehen unter Nutzung der digitalen Medien die bislang klar reglementierten Zugänge zu den klassischen Medien. Blogs und Social-Media-Plattformen bieten neue und vielfältig genutzte Möglichkeiten der Artikulation, sei es für gelernte Journalisten oder Aktivisten, oder für bisher marginalisierte Gruppen wie ethnische Minderheiten und Frauen – zugleich aber auch für Extremisten wie die des IS. Auch die Regime rüsten medientechnologisch auf. Sie versuchen sich an einem Spagatakt zwischen dem für die eigene Legitimation so wichtigen Anschluss an die technologische Moderne und einer möglichst engmaschigen Kon- 12 EINFÜHRUNG trolle von Diskursen in den neuen Medien. Der Wettlauf hat jedoch gerade erst begonnen und angesichts der vielfältigen Auswirkungen von Internetkommunikation auf alle Lebensbereiche auch abseits des dezidiert politischen scheint ein Gesellschaftswandel unaufhaltsam. Die Vernetzung vormals marginalisierter politischer Gruppen oder die Herausforderung von religiösen und politischen Autoritäten, neue zwischen-geschlechtliche Kommunikationsmöglichkeiten, wiederauflebende Verbindungen von Bevölkerungsgruppen mit ihren Verwandten in der Diaspora – die durch die neuen Medien geschaffenen öffentlichen Räume werden über kurz oder lang einen Politikwandel unausweichlich machen. Die Beobachtung der Entwicklung arabischer Medien ermöglicht also einerseits ein besseres Verständnis autoritärer Kontrollmechanismen im Zeitalter der Globalisierung und Transnationalisierung und andererseits die Analyse neuer Formen von medialer Artikulation, die in westlichen Gesellschaften bisher weniger ausgeprägt sind. Wenngleich sich durch das Internet und das Satellitenfernsehen Grenzen aufzulösen scheinen, so verdeutlichen die einzelnen Länderstudien, dass nationale Rahmen immer noch bedeutsam sind und ganz unterschiedliche Anpassungsversuche an den Medienwandel unternommen werden. Hierbei setzt sich ein historisches Muster der Ungleichzeitigkeit der Entwicklung arabischer Medien fort. Während bereits im 19. Jahrhundert Kairo, Beirut und Bagdad intellektuelle Zentren mit einer lebhaften Presselandschaft waren, gab es Massenmedien in den heute technologisch führenden Golfstaaten noch gar nicht. Genau wie damals aber sind es auch heute wieder hochmobile arabische Journalisten und Medienproduzenten, die den inner-regionalen und auch internationalen Austausch und die Medienentwicklungen vorantreiben. Ob nun damals syrische Intellektuelle von Beirut nach Kairo reisten um Zeitungen zu gründen und heute Tunesier beim Fernsehsender AL-ARABIYA in den Emiraten moderieren oder qatarische Finanziers eine palästinensische Zeitung in London unterstützen, arabische Medien müssen gleichzeitig in ihrem nationalen und ihrem transnationalem Kontext, mit all den daraus resultieren Implikationen, verstanden werden. Wie lesen? Aufbau des Buchs Der vorliegende Band ist entsprechend in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil – Transnationale Phänomene arabischer Medien – widmen sich acht Beiträge wichtigen Aspekten von Medienentwicklungen, die für viele oder gar für alle arabischen Länder relevant sind. Dabei denkt man sicherlich zuallererst an grenzüberschreitende Medientechnologien wie Satellitenfernsehen und soziale Medien, die die Idee eines pan-arabischen Kommunikationsraums auch für uns in Europa sichtbar gemacht haben. Der Beitrag von BETTINA GRÄF zur Geschichte arabischer Medien wird aber deutlich machen, dass wir seit der Einfüh- 13 EINFÜHRUNG rung von Massenmedien in arabischen Ländern unbedingt die transnationalen Verbindungen zwischen den arabischen Ländern, aber auch zwischen Europa und dem Nahen Osten mitdenken müssen, um die Medienentwicklungen und ihre sozialen und politischen Implikationen zu verstehen. Der Beitrag von CAROLA RICHTER & ASIEM EL DIFRAOUI beschreibt danach die Strukturen des für die arabische(n) Öffentlichkeit(en) so konstitutiven Satellitenfernsehens, das sich nicht nur auf AL-JAZEERA reduzieren lässt. ALMUT WOLLER wirft im Kapitel zu Media Cities einen Blick auf die ökonomischen Strategien, die arabische Regime mit Medien verbinden. MARIA RÖDER-TZELLOS widmet sich den sozialen Medien und zeigt auf, wie sich die häufig postulierte politische Wirkung dieser Medien anhand von konkreten Akteurstypologien wirklich fassbar machen lässt. INES BRAUNE wiederum legt eine ethnografische Perspektive an die in der arabischen Welt zur Verfügung stehenden Medien an und betrachtet Medienwandel und seine Auswirkungen im Alltag. Fragen von Repräsentation stehen im Mittelpunkt der folgenden Beiträge. Angesichts der Vielfalt arabischer Gesellschaften, die aber häufig aufgrund politisch oder religiös bedingter Machtverhältnisse nicht angemessen repräsentiert wird, sind Medien ein Konfliktfeld für das Austragen von Fragen der Identität und Anerkennung. XENIA TABITHA GLEISSNER etwa legt dar, wie sich Genderkonstruktionen und Stereotype von Geschlechterrollen in arabischen Medien manifestieren. Dabei wird deutlich, dass die arabischen Diskurse um weit mehr als das Kopftuch kreisen und die Debatten eine Vielfalt von Konfliktfeldern offenbaren, die derzeit und in den nächsten Jahren die Gesellschaften und die Medien prägen werden. Genauso relevant sind Fragen der Repräsentation von ethnischer, religiöser und sprachlicher Vielfalt in den Medien. In einem Gemeinschaftsbeitrag zeigen SEBASTIAN ELÄSSER, ANDREA FISCHER-TAHIR UND KRISTIN PFEIFER exemplarisch an den ägyptischen Kopten, den irakischen Kurden und den marokkanischen Imazighen auf, wie sich das Ringen um öffentliche Sichtbarkeit und damit auch Fragen kultureller und politischer Identität von Minderheiten in und mittels Medien manifestieren. Schließlich geht ASIEM EL DIFRAOUI auf die Vielzahl der islamistischen Gruppen ein, die in ihren verschiedenen Ausprägungen von moderater Opposition bis zu dschihadistischen Terroristen entsprechende Kommunikationsstrategien ausgeprägt haben, die die autoritären Staaten der Region herausfordern, aber auch Einfluss auf die öffentlichen Diskurse in Europa und den USA haben. Während der erste Teil also einen Überblick über verschiedene transnationale Phänomene gibt, widmet sich der zweite Teil jedem einzelnen arabischen Land und dessen Mediensystem. Das Wissen um historisch gewachsene nationale Besonderheiten ist unerlässlich, um transnationale Geschehnisse und ihre lokal unterschiedlichen Auswirkungen erklären und einordnen zu können. Außerdem ermöglichen die 18 Beiträge in diesem Teil eine vertiefende Beschäftigung mit konkreten Ereignissen und Entwicklungen in den Staaten der Region. Um diesen 14 EINFÜHRUNG Teil auch für ein vergleichende Studien fruchtbar zu machen, sind alle Beiträge wie folgt strukturiert: zunächst wird ein historischer Rückblick gegeben, dann die gesellschaftlichen Verhältnisse erläutert, ehe auf die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, den ökonomischen Kontext und schließlich die technologische Infrastruktur eingegangen wird. Ein Ausblick identifiziert jeweils die wichtigsten der gegenwärtigen Probleme des Landes, für die in naher Zukunft Lösungen gefunden werden müssen. Die Thematisierung dieser aktuellen Probleme soll gern auch als Anreiz verstanden werden, Recherche- und Forschungsfragen zu entwerfen und sich diesen Problemen in eigenen Forschungsarbeiten zu widmen. Die Autorinnen und Autoren der Beiträge haben sich alle selbst in Studien intensiv mit den Ländern beschäftigt und sind somit ausgewiesene Experten, die für diesen Band noch aktuelle Informationen aus einer Vielzahl an Quellen zusammengetragen haben. Die Reihenfolge der Beiträge ist nach Großregionen geordnet und folgt damit auch einer gewissen Selbstverortung der Länder: zuerst behandeln wir Ägypten und Sudan, dann folgt der erweiterte Maghreb mit Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen. Im Anschluss wird die Levante (arab. Balad al-Shaam) mit Syrien, Libanon, Palästina, Jordanien und Irak angeschaut, ehe zum Schluss die Golfregion und die arabische Halbinsel mit dem Schwergewicht Saudi-Arabien und den vielen kleinen Staaten VAE, Qatar, Bahrain, Kuwait, Oman und schließlich Jemen beschrieben wird. Um die Lesbarkeit der Beiträge zu vereinfachen, haben wir auf die umfangreiche Verwendung von Fußnoten verzichtet. Statistische Angaben, beispielsweise zur Bevölkerungszahl und -verteilung, der Analphabetenrate, dem Pro-KopfEinkommen sowie den Zugangsdaten zu Internet und Mobilfunknutzung haben wir jeweils aus einer Quelle bezogen, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Die Zusammenfassung der Daten findet sich in einer Tabelle am Ende dieser Einführung. Für die Transliteration arabischer Eigennamen ist eigentlich eine spezielle Umschrift erforderlich, auf die wir aber aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet haben und uns an den deutschen Aussprachegewohnheiten bzw. der gängigen Verwendung von Eigennamen in deutschen Medien orientiert haben. Der ehemalige libysche Herrscher heißt somit bei uns einfach Gaddafi und nicht wie eigentlich richtig al-Qadhdhafi. Zudem kommt bei der Orientierung an den gängigen Standards und der eigenen Transkription eine gewisse Uneinheitlichkeit zustande: al-Jazeera schreiben wir in seiner englischen Umschrift und nicht alDschasira, wie es eine deutsche Transliteration erfordern würde, aber das weniger gebräuchliche Saut al-Arab für Stimme der Araber schreiben wir lieber so, als die englische Variante des Sawt al-Arab zu nutzen. Zudem unterscheidet sich eine gebräuchliche französische Transliteration von einer englischen wie beispielsweise bei den Zeitungsnamen al-Shoruq und Echourouk, die im arabischen gleich geschrieben werden. 15 EINFÜHRUNG Wir haben auch auf ein gender-neutrale Sprache verzichtet. Selbstverständlich inkludieren die verwendeten maskulinen Bezeichnungen auch immer Frauen. Wo weiterlesen? Auswahlbibliografie relevanter Übersichtswerke zu arabischen Mediensystemen Mit diesem Band legen wir das erste umfassende Überblickswerk zu arabischen Mediensystemen in deutscher Sprache vor. Auch in englischer Sprache gibt es derzeit keine vergleichbare Lektüre. Dennoch beschäftigen sich natürlich zahlreiche Autoren und Autorinnen mit Medien in der arabischen Welt. Im Folgenden wollen wir deshalb auch auf die wichtigsten Wissenschaftler und Werke verweisen, die es lohnt, für eine Erweiterung des hier vermittelten Wissens zu konsultieren. Wir konzentrieren uns dabei auf Werke, die nicht nur auf ein arabisches Land fokussieren, sondern die ganze oder Teile der Region in den Blick nehmen. Standardwerk zur arabischen Presse mit einer systematischen Einteilung entsprechend der politischen Instrumentalisierung von Medien (Mobilisierungssysteme, loyalistische und diverse Systeme). Die Version von 2004 bezieht auch Rundfunkmedien mit ein und erweitert die Typologisierung um transitionale Systeme: Rugh, William A. (1979): The Arab Press. News Media and Political Process in the Arab World. London: Syracuse University Press (Second edition 1987) Rugh, William A. (2004): Arab Mass Media. Newspaper, Radio, and Television in Arab Politics. Westport: Praeger. Überblickswerk über Entstehung und Charakteristika aller arabischen Rundfunksysteme geordnet nach Ländern: Boyd, Douglas A. (1982). Broadcasting in the Arab World: a Survey of Radio and Television in the Middle East. Philadelphia: Temple University Press. (Second Edition 1993, Third Edition 1999). Enthält kurze Kapitel über alle arabischen und mittelöstlichen Staaten sowie Israel, Zypern und die Türkei. Fokussiert auf eine chronologisch historische Darstellung der Entwicklung der Medien bis Anfang der 1990er-Jahre: Kamalipour, Yahya R./ Mowlana Hamid (Hg.) (1994): Mass Media in the Middle East: A Comprehensive Handbook. Westport: Greenwood Press. 16 EINFÜHRUNG Historische Verortung der Presseentwicklung in Ägypten, der Levante und Irak bis 1945. Dazu schlüssige Einblicke in Mediennutzung, Medienökonomie, journalistische Ausbildung und Rechtslage: Ayalon, Ami (1995): The Press in the Arab Middle East: a History. New York: Oxford University Press. Faktenreiche Übersicht über die aktuelle Situation verschiedener Mediensysteme. Neben allen europäischen gibt es auch Länderkapitel zu ausgewählten arabischen Mediensystemen. Bis 2005 ist das Handbuch jährlich aktualisiert erschienen: Hans-Bredow-Institut (Hg.): Internationales Handbuch für Hörfunk und Fernsehen 2009. Baden-Baden: Nomos. Überblickswerke zur politischen Ökonomie des arabischen Fernsehmarktes mit konkreten Einblicken in personelle und strukturelle Zusammenhänge: Sakr, Naomi (2001): Satellite Realms. Transnational Television, Globalization and the Middle East. London: I.B. Tauris. Sakr, Naomi (2007): Arab Television Today. London: I.B. Tauris. Sakr, Naomi/ Skovgaard-Petersen, Jakob/ Della Ratta, Donatella (Hg.) (2015): Arab Media Moguls. London: I.B. Tauris. Herausgeberbände mit Beiträgen zu einer Vielzahl von Bereichen, z. B. Mediennutzung, Medienwirkung, Medienpolitik, journalistische Ethik, Medienökonomie und Medienkultur in der arabischen Welt: Hafez, Kai (Hg.) (2001): Mass Media, Politics & Society in the Middle East. Cresskill: Hampton Press. Seib, Philip (Hg.) (2007): New Media and the New Middle East. New York: PalgraveMacmillan. Hafez, Kai (Hg.) (2008): Arab Media. Power and Weakness. New York: Continuum. Nach Ländern geordnete Übersichten über Entwicklungen im Rundfunkbereich und die dahinterstehende Politik. Bezieht auch die aktuellen Umbrüche nach 2011 mit ein: Guaaybess, Tourya (Hg.) (2013): National Broadcasting and State Policy in Arab Countries. Houndmills: PalgraveMacmillan. Studien zu allen Ländern der Levante und Ägypten im Hinblick auf politische Rahmenbedingungen der Medien: 17 EINFÜHRUNG Al-Zubaidi, Layla (2004): Walking the Tightrope. News Media & Freedom of Expression in the Arab Middle East. Beirut: Heinrich-Böll-Foundation. Aktuelle Länderstudien zum Status des Journalismus und der Medienfreiheit sind online abrufbar bei: x x x x x x Reporter ohne Grenzen: http://en.rsf.org/ Freedom House: https://freedomhouse.org/ Human Rights Watch: https://www.hrw.org/ Article 19: http://www.article19.org/ Committee for the Protection of Journalists: http://cpj.org/ Media in Cooperation and Transition: http://www.mict-international.org/ Einige wissenschaftliche Journals und Buchreihen haben sich auf den arabischen Raum spezialisiert und enthalten interessante Einzelstudien: x x x x 18 Arab Media & Society: http://www.arabmediasociety.com/ Middle East Journal of Culture and Communication: http://www.brill.com/middle-east-journal-culture-and-communication Journal of Arab & Muslim Media Research: http://www.intellectbooks.co.uk/journals/view-Journal,id=148/ Buchreihe Medien und Politische Kommunikation – Naher Osten und Islamische Welt bei Frank&Timme, Berlin. Alter unter 15 Jahre* (2014) Alphabetisierungsrate** (2009-2013) Internetzugang* (2013) Handybesitz* (2013) Rang Pressefreiheitsindex *** (2014) 82.056.400 37.964.300 33.008.200 39.208.200 10.886.500 6.201.500 22.845.600 4.467.400 4.332.881 6.459.000 33.417.500 28.828.900 9.346.100 2.168.700 1.332.200 3.368.600 3.632.400 24.407.400 80.621.800 3.337$ 1.985$ 3.392$ 5.886$ 4.467$ 7.942$ + 2.807$ 10.531$ 2.783$ 5.460$ 6.474$ 25.401$ 44.771$ 94.744$ 28.424$ 44.850$ 21.688$ 1.655$ 47.201$ 31,1% 41,2% 27,9% 27,8% 23,2% 29,4% 35,1% 20,8% 38,5% 34,0% 40,1% 29,0% 15,3% 13,6% 21,0% 24,8% 23,5% 40,2% 13,1% 73,9% 73,4% 67,1% 73,6% 79,7% 89,9% 85,1% 89,6% 95,9% 97,9% 79,0% 94,4% 90,0% 96,7% 94,6% 95,5% 86,9% 66,4% 99,0% 49,6% 22,7% 56,0% 16,5% 43,8% 16,5% 26,2% 70,5% 31,8% 44,2% 9,2% 60,5% 88,0% 85,3% 90,0% 75,5% 66,4% 20,0% 84,0% 121,5% 72,9% 128,5% 102,0% 115,6% 165,0% 56,0% 80,6% 70,2% 141,8% 96,1% 176,5% 171,9% 152,6% 165,9% 190,3% 154,6% 69,0% 119,0% 159 172 136 121 133 137 177 106 138 141 153 164 118 113 163 91 134 167 16 19 * alle Angaben nach Statistisches Bundesamt und International Telecommunication Union (www.destatis.de und www.itu.int/ en/ITU-D/Statistics/Pages/stat/default.aspx). ** alle Angaben nach Unicef (www.unicef.org). *** alle Angaben nach Reporter ohne Grenzen (http://rsf.org/index2014/en-index2014.php). + Angaben für 2010. ++ Angaben für 2012 von CIA World Fact Book EINFÜHRUNG BIP pro Kopf* (2014) Kerndaten im Überblick Ägypten Sudan Marokko Algerien Tunesien Libyen Syrien Libanon Palästina++ Jordanien Irak Saudi-Arabien VAE Qatar Bahrain Kuwait Oman Jemen Deutschland Einwohnerzahl* (2013) Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die wichtigsten Kerndaten der hier besprochenen 18 arabischen Länder und Deutschland im Vergleich: Land EINFÜHRUNG Landkarte 20 Karte (modifiziert): Lencer ("own work",used BlankMap-World6.svg) CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)],via Wikimedia Commons.  21