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Held

2010

Lexikon zur zeitgenössischen Kunst von Com&Com N° 31 sonst die Eidgenossenschaft nicht zustande käme («La Suisse n’existe pas»), was für jeden heutigen Schweizer selbstverständlich eine Katastrophe wäre. Com&Com spielt mit vielfältigen Schichten von Fiktion und Wirklichkeit: dem Tell-Mythos, Versatzstücken aus Schillers Drama, dessen populärkulturellen Aneignungen, Hollywood-Blockbustern als den neuen globalen Mythen, Scifi-Mystery-TV-Serienhits, Verschwörungstheorien und was das alles für die Schweizer Identität bedeutet. Dass dabei ein Riesentamtam um einen Film gemacht wird, den es gar nicht gibt, spiegelt in gewisser Weise die Tendenz nationaler Identitäten, sich auf Helden zu stützen, die in der Realität auch nie (oder zumindest nicht so wie in der populären Überlieferung) existiert haben. «It’s so superficial but it’s true» steht im virtuellen Schnee der Alpenidylle des Google Earth Art-Videos geschrieben. Der Film war zu sehen im Zuge der Ausstellung Shifting Identities im Kunsthaus Zürich (2008), in der es um Identitätsmöglichkeiten und -verschiebungen im Zeitalter der Globalisierung und Migration ging. Der Film zeigt zu meditativer Musik die mythenbesetzte Schweizer Alpenlandschaft als computergenerierte Oberfläche, die gerade in dem Schriftzug, der ihre Realität behauptet, nur virtuell existiert, als elektronischer Code, der sich in einer bestimmten Pixelanordnung auf dem Bildschirm äussert. Aber sind nicht alle kollektiven Identitäten letztlich virtuell und auf Symbole und Mythen verwiesen? Diana Porr Begriffe > Fiktion, Gemeinschaft, Geschichte, Globalisierung, Held, Identität, Kitsch, Landschaft, Mythologie, Schweiz, Soziale Plastik, Tradition, Virtualität, Volkskultur Werke > 025 C-Files: Tell Saga, 031 I love Switzerland, 032 Side By Side, 050 D’Schwiz, 052 Google Earth Art HELD Unter den verschiedenen Helden, die die Geisteswissenschaften im Laufe der Zeit produziert haben, sticht jener heraus, dem wir in Georg Wilhelm Friedrich Hegels Berliner Vorlesungen über die Ästhetik begegnen. Mag Hegels humanistisches Kunstverständnis, das so ganz auf den Begriff des Schönen fixiert ist, auf den ersten Blick auch antiquiert und bieder erscheinen, so kommt ihm doch das Verdienst zu, der Kunst epistemische Kompetenzen zugestanden zu haben. Die Kunst soll nicht nur Ausdruck eines Ideals sein, sondern selber helfen dieses prozesshaft zu entwickeln. Die Wahrheit ist nur, insofern sie auch scheint, und der schöne Schein zeigt sich im Gegenzug als notwendig wahr. Das privilegierte Motiv dieser schönen Kunst oder des Kunstschönen, wie Hegel es pragmatisch nennt, ist die Figur des Helden. Der hegelianische Held zeichnet sich dadurch aus, dass er im System der Künste nicht nur einen Ort, sondern auch einen Auftrag sein Eigen nennen kann. Detailliert beschreibt Hegel in seinen Vorlesungen Eigenheiten und Vorraussetzungen für die darzustellende heroische Figur. Das immer wiederkehrende Motiv ist dabei der Gegensatz von Individuum und Staat. Heldentum ist nur in einer vorstaatlichen Heroenzeit möglich, wenn das Absolute noch nicht seine totalitäre Finalform gefunden hat. «Das ideale Individuum muss in sich beschlossen, das Objektive muss noch das seinige sein und sich nicht losgelöst von der Individualität der Subjekte für sich bewegen und vollbringen, weil sonst das Subjekt gegen die für sich schon fertige Welt als das bloss Untergeordnete zurücktritt.»1 Wenn es Ziel des Helden ist, das Absolute, das er in sich trägt, viral zu verallgemeinern, heisst das zum einem, dass er immer schon am eigenen Ende arbeitet, und zum anderen, dass diese Arbeit in konkrete Aktionen münden muss. «Die ideale Subjektivität trägt als lebendiges Subjekt die Bestimmung in sich, zu handeln, sich überhaupt zu bewegen und zu betätigen, insofern sie, was in ihr ist, auszuführen und zu vollbringen hat. Dazu bedarf sie einer umgebenden Welt als allgemeinen Bodens für ihre Realisation.»2 Für seine individuelle Lebendigkeit braucht der Held also ein Terrain, das, weil es ihm nicht fremd sein darf, man wohl getrost als Heimat bezeichnen kann. «Damit die Äusserlichkeit nun als die seinige erscheine, ist es notwendig, dass zwischen beiden eine wesentliche Übereinstimmung vorwalte, die mehr oder weniger innerlich sein kann und in welche allerdings auch viel Zufälliges hineinspielt, ohne das jedoch die identische Grundlage fortfallen darf.»3 Eine ähnliche dialektische Einheit wie zwischen Held und Terrain, pflegt dieser auch zu seinem sozialen Kontext (seien es die Mitbewohner des Olymps oder die CoRitter der Tafelrunde) und zu den Objekten, mit denen er sich umgibt. Alles Fremde, was als Fremdbestimmtes seine Autonomie in Frage stellen könnte, sucht er zu meiden. Helden trinken keinen Kaffee, wie Hegel am Beispiel eines zeitgenössischen Gedichtes klarstellt.4 Das konkrete Handeln des Helden ist bei Hegel eingebettet in eine allgemeine Handlung, die die Entwicklung des Geistes und der Kunst selbst beschreibt. Sowohl der Kunst als auch dem Helden wird hier zum Verhängnis, dass sie einen konkreten Auftrag haben, mit dessen Erfüllung sie ihre Daseinsberechtigung verlieren – eine 61 bittere Wahrheit, die sich par excellence an den Westernhelden John Waynes beobachten lässt. Das oft zitierte Ende der Kunst besteht bei Hegel also darin, dass es in seinem teleologischen Geschichtsmodell zu einem Punkt der Vergeistigung kommen muss, an dem die Kunst das Zepter des Absoluten an Musik, Poesie und schliesslich die Philosophie abgibt, weil sie sich ihres materiellen Fundaments eben nicht entledigen kann. Ähnlich ergeht es dem Helden, dessen Mission es ist, das absolute Ideal, das er in sich trägt, wie eine frohe Botschaft zu verbreiten. Ist das vollbracht, übernimmt sein Antipode, der Bürger des neuzeitlichen Staates, dessen Individualität sich darauf beschränkt, eine ihm zugewiesene Rolle auszufüllen. Die Frage, was nach dem Ende der Kunst und des Kunstschönen (d.h. des Helden) aus dem Künstler wird, beantwortet Hegel allerdings nicht. Überhaupt bleibt der Künstler bei ihm eine recht blasse Figur, fast eine Leerstelle. Dass das Schöne aus der Kunst entschwunden zu sein scheint, wird einem jeder sentimentale Bildungsbürger bestätigen können, aber ist mit dem Kunstschönen auch der Held gestorben? Der Anblick der post-hegelianischen Kunst legt den Verdacht nahe, der Held habe sich lediglich auf die andere Seite der Staffelei geflüchtet. Aus dem Sujet der Kunst ist also ihr Subjekt geworden. Ebenso wie der hegelianische Held dem wilden Raum der Heroenzeit eine (und zwar seine) Ordnung auferlegte, formt der Künstler heute weniger sein Werk, sondern vor allem die Regeln nach denen es gelesen werden soll. Und was für die Helden der Heroenzeit der aufkommende Staat war, ist für den zeitgenössischen Künstler wohl das Museum der Moderne, jene steingewordene Kunstgeschichte, die dem Staat, der es nährt, so sehr zu ähneln scheint, wenn dort «das Allgemeine als solches herrscht in seiner Allgemeinheit, in welcher die Lebendigkeit des Individuellen als aufgehoben oder als nebensächlich erscheint.»5 Birk Weiberg 1) Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik, 3 Bände, Frankfurt am Main 1986, Bd.1, S. 238. 2) Ebd., S. 235. 3) Ästhetik I, S. 330. 4) Ebd., S. 340. 5) Ebd., S. 242. Begriffe > Ästhetik, Aura, Heimat, Hollywood, Künstler, Kunstgeschichte, Mythologie, Philosophie, Schönheit, Utopie, Wahrheit Werke > 004 Protecting the earth, 011 Odyssee, 018 Batman, 025 C-Files: Tell Saga, 023 Side By Side, 047 Making of the heroes 62 HOFFNUNG Heute Abend haben wir einmal mehr bewiesen, dass die wahre Stärke unserer Nation nicht von der Macht unserer Waffen oder dem Ausmass unseres Wohlstands kommt, sondern von der andauernden Kraft unserer Ideale: Demokratie, Freiheit, Chancen und unablässige Hoffnung. (…) Diese Wahl hatte viele erstmalige Dinge und viele Geschichten, die noch über Generationen hinweg erzählt werden. Aber eine ist heute Abend in meinem Kopf von einer Frau, die ihre Stimme in Atlanta abgegeben hat. Sie ist wie die Millionen anderen, die in der Schlange gewartet haben, damit bei dieser Wahl ihre Stimme gehört wird - mit einer Ausnahme: Ann Nixon Cooper ist 106 Jahre alt. Sie wurde gerade eine Generation nach der Sklaverei geboren, in einer Zeit, als es keine Autos auf der Strasse und keine Flugzeuge im Himmel gab, als jemand wie sie aus zwei Gründen nicht wählen konnte: Weil sie eine Frau ist und wegen ihrer Hautfarbe. Und heute Abend denke ich an alles, was sie das ganze Jahrhundert hinweg in Amerika gesehen hat – den Kummer und die Hoffnung, den Kampf und den Fortschritt, die Zeit, in der wir gesagt bekamen, dass wir nicht können, und die Leute, die am amerikanischen Glauben festhielten: Ja, wir können. Wenn da Verzweiflung im Staub und Depression im Land war, erlebte sie eine Nation, die ihre Angst mit einem New Deal bezwang, mit neuen Arbeitsplätzen, einem neuen Sinn für gemeinsame Ziele. Ja, wir können. (…) Ein Mann ist auf dem Mond gelandet, eine Mauer wurde in Berlin niedergerissen, eine Welt wurde verbunden durch unsere eigene Wissenschaft und Vorstellungskraft. Und in diesem Jahr, bei dieser Wahl, berührte sie mit ihrem Finger einen Bildschirm und gab ihre Stimme ab, weil sie nach 106 Jahren in Amerika, durch die besten Zeiten und dunkelsten Stunden hinweg, wusste, wie Amerika sich wandeln kann. Ja, wir können. Wir sind so weit gekommen. Wir haben so viel gesehen. Aber es ist noch so viel mehr zu tun. So lasst uns heute Abend fragen, ob unsere Kinder leben sollen, um das nächste Jahrhundert zu sehen, ob meine Töchter so glücklich sein werden, so lange zu leben wie Ann Nixon Cooper, welchen Wandel werden sie dann erleben? Welchen Fortschritt werden wir dann gemacht haben? Dies ist unsere Chance, auf diesen Ruf zu antworten. Das ist unser Augenblick. Das ist unsere Zeit, unser Volk zurück zur Arbeit zu bringen und Chancen für unsere Kinder zu eröffnen, Wohlstand wiederherzustellen und die Sache des Friedens voranzubringen, den amerikanischen Traum zurückzugewinnen und diese fundamentale Wahrheit zu bekräftigen, dass wir aus vielen heraus eins