Lebensverlängerung und Verlangsamung
des menschlichen Alterns.
Erträge eines interdisziplinären
Forschungsprojekts
von Ulrich Feeser-Lichterfeld, Michael Fuchs, Franciska Illes, Uwe Kleinemas,
Britta Krahn, Kerstin Prell, Marcella Rietschel, Christian Rietz,
Georg Rudinger, Thomas Runkel und Edgar Schmitz
Dauerhaft niedrige Reproduktionsraten und eine stetig steigende durchschnittliche
Lebenserwartung verbinden sich in den meisten westlichen Gesellschaften zu Verschiebungen in den Altersstrukturen der Bevölkerung, die unter dem Stichwort
„demographischer Wandel“ derzeit eine rasch wachsende öffentliche Aufmerksamkeit finden. Infolge des immer greifbarer werdenden Anstiegs sowohl der absoluten
Zahl der alten Menschen als auch des relativen Anteils dieser Personengruppe an
der Gesamtbevölkerung wird nach Strategien gesucht, welche kurz- und mittelfristig
die Zahl der Geburten erhöhen sollen und die Konsequenzen, die sich aus dem
Umstand einer schrumpfenden Gruppe von Erwerbstätigen ergeben, bewältigen
helfen. Gerade mit Blick auf die Zukunft intergenerationeller Beziehungen kommen
in den sich intensivierenden Diskussionen immer wieder individuelle und gesellschaftliche Vorstellungen über „das Alter“ und „die Alten“ zum Tragen, die zwischen der Furcht vor den wachsenden Belastungen durch Gebrechlichkeit und
Pflegebedürftigkeit einerseits und dem Hinweis auf die „späte Freiheit“ (Leopold
Rosenmayr)1 der gegenwärtig Altwerdenden und deren im Vergleich zu früheren
Geburtskohorten gewachsenen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen
Potentialen andererseits changieren. Es ist offensichtlich, dass in diesem Zusammenhang der auf die körperlich-geistige Verfasstheit bezogenen Lebensqualität im
Alter, die beispielsweise durch entsprechende Ernährung und sportliche Betätigung
gesichert bzw. mit Hilfe der gewachsenen Möglichkeiten medizinischer und speziell
1
M. Fuchs und G. Rudinger zeichnen als Projektleiter für das im Folgenden vorzustellende Forschungsprojekt in allen seinen Phasen verantwortlich. F. Illes, U. Kleinemas,
K. Prell, M. Rietschel und T. Runkel wirkten an den Vorstudien mit. Der vorliegende
Aufsatz bezieht sich im Wesentlichen auf die Hauptstudie, an der – neben den beiden
Projektleitern – U. Feeser-Lichterfeld, U. Kleinemas, B. Krahn, C. Rietz und E. Schmitz
beteiligt waren. Die Koordination der Projektteile und der Berichtsabfassung lag bei
U. Feeser-Lichterfeld.
ROSENMAYR 1983.
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220 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
geriatrischer Intervention wiederhergestellt werden soll, ein besonderer Stellenwert
zugeschrieben wird. Angesichts der Konjunktur solcher medizinischer und nichtmedizinischer Anti-Aging-Strategien erscheint die Frage, ob das Altern selbst als
behandlungsbedürftig anzusehen ist und nicht nur die mit fortschreitendem Alter
oftmals assoziierten Krankheiten, von aktueller Bedeutung und normativer Relevanz.
Der skizzierte Phänomenkomplex einer alternden Gesellschaft und die darin
existentiell wie kulturell herausfordernde Verhältnisbestimmung zu Erfahrungen
und Konzepten von Gesundheit und Krankheit bildeten den Hintergrund für das
interdisziplinäre Forschungsprojekt „Lebensverlängerung und Verlangsamung des
menschlichen Alterns – Individuelle Einschätzung, gesellschaftliche Auswirkung,
ethische Analyse und normative Beurteilung“, das vom Institut für Wissenschaft und
Ethik und dem Zentrum für Alternskulturen an der Universität Bonn bearbeitet und im
Rahmen des Exzellenzwettbewerbs „Geisteswissenschaften gestalten Zukunftsperspektiven“ der nordrhein-westfälischen Landesregierung im Zeitraum von Juli
2005 bis Dezember 2006 gefördert wurde. Ausgangspunkt für die im Rahmen dieses
Kooperationsprojekts durchgeführten ethischen und gerontologischen Analysen
waren die in den letzten Jahren erheblich gewachsenen Erkenntnisse über Ursachen
und Mechanismen biologischer Alterungsprozesse im Allgemeinen und die sich
hierauf stützenden biogerontologischen Forschungsanstrengungen, das Seneszenzgeschehen zu verlangsamen und die menschliche Lebensspanne deutlich über das
bislang gekannte Maximalalter hinaus zu verlängern, im Besonderen. Es ist auffällig,
dass solch ambitionierten Forschungsbemühungen bislang ein Mangel an gesellschaftlicher Reflexion über die Wünschbarkeit der verfolgten Zielsetzung gegenübersteht. Anders als der demographische Trend zur Hochaltrigkeit, der sich als
Begleitphänomen der gewandelten Lebensbedingungen und des allgemeinen medizinischen Fortschritts des letzten Jahrhunderts deuten lässt und deshalb in populären wie wissenschaftlichen Diskussionen auch den Status eines vorgegebenen Faktums hat, können Versuche direkt intendierter Lebensverlängerung – so differenziert ihre Realisierungschancen im Einzelnen auch zu bewerten sind – in den Kontext einer Vielzahl von Ambitionen zur Verbesserung der menschlichen Konstitution und der Steigerung individueller Entfaltungsmöglichkeiten eingeordnet werden.
Von daher griff die Projektgruppe für eine normative Beurteilung auf einschlägige
ethische Überlegungen zur Bewertung von Medizintechniken ohne primäre therapeutische Intention zurück – überzeugt, dass die Analyse der biogerontologischen
Forschungsziele ihrerseits von Gewinn für die entsprechende EnhancementDebatte und ihre Abgrenzungsprobleme zwischen Prävention, Therapie und Optimierung sein kann.2 Um die Akzeptanz potentieller Eingriffe in den Alternsprozess
in der Bevölkerung abschätzen zu können, haben die Projektpartner mit Hilfe des
kooperierenden Zentrums für Evaluation und Methoden an der Universität Bonn eine empirische Studie über Werteinstellungen zu Alter und Altern sowie zu der projektierten
2
Vgl. JUENGST et al. 2003b.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 221
Lebensverlängerung und der mit ihr erhofften Kompensation der als belastend
empfundenen Begleiterscheinungen des Alters durchgeführt.
Im vorliegenden Projektbericht sind zunächst der naturwissenschaftlich-medizinische Sachstand hinsichtlich verschiedener Eingriffsszenarien in den Prozess des
Alterns zu umreißen (1) und zentrale Positionen aus der diesbezüglich geführten
ethischen Debatte darzustellen (2). Anschließend werden für die Fortführung dieser
Diskussion interessante Trends aus der Auswertung der erwähnten empirischen
Untersuchung referiert (3). Nach knappen Erwägungen zum Zusammenhang von
sozialwissenschaftlich-empirischer Einstellungsforschung und ethischer Urteilsbildung (4) folgt abschließend die Skizze der eigenen ethischen Position zu Versuchen der Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns (5).
1. Biologische Alternstheorien
und biogerontologische Forschungsambitionen
Die im letzten Jahrhundert stark gestiegene durchschnittliche Lebenserwartung und
die immer weiter zunehmende Zahl alter und sehr alter Menschen haben auf Seiten
der Biologie und Medizin zu einer intensiven Forschungstätigkeit geführt, um Ursachen und Mechanismen des Alternsprozesses aufklären und den mit fortschreitendem Lebensalter gehäuft auftretenden Erkrankungen therapeutisch begegnen zu
können. Allerdings konkurrieren bislang noch eine Vielzahl von Alternstheorien
und lassen integrative Erklärungsansätze erst in Umrissen sichtbar werden. Je nach
Standpunkt wird von einem programmierten oder einem stochastischen Alternsprozess gesprochen und infolgedessen eher den Lebensumständen, den genetischen
Einflussgrößen oder der Fähigkeit zur Aufrechterhaltung einer Homöostase, welche
alle metabolischen, neuroendokrinen und immunologischen Prozesse im Körper
betrifft, besondere Aufmerksamkeit geschenkt; eine genauere Vorstellung oder gar
ein Konsens mit Blick auf die Gewichtung der Einzelfaktoren im Zusammenspiel
von Genetik, somatischen Abbau- und Instandsetzungsprozessen sowie Umweltfaktoren steht noch aus.3
Evolutionsbiologische Erklärungsversuche
Ungeachtet der Heterogenität biologischer Alternstheorien dominieren evolutionsbiologische Erklärungsversuche die gegenwärtige Diskussion. Aus dieser Perspektive wirkt das hohe Alter, zu dem der Mensch fähig ist, vordergründig zumindest
rätselhaft, wenn nicht gar sinnlos, da die sich der Fortpflanzung und Sorge um die
3
Zur Übersicht vgl. ARKING 2006; BENGTSON, PUTNEY, JOHNSON 2005; HÖHN 2002.
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222 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
Kinder anschließende lange Lebensphase wenig zur Sicherung des Fortbestands und
zur Verbreitung der Art beizutragen vermag. Wenn es primär um die Weitergabe der
menschlichen Keimlinie von einer Generation zur nächsten geht, genießen Individuen in den für die Geschlechtsreife, Fortpflanzung und Aufzucht der Nachkommenschaft relevanten Lebensjahren einen klaren Selektionsvorteil. In der biologischen Alternsforschung wird deshalb inzwischen zumeist davon ausgegangen, dass
Altern und Alter als Nebenfolgen solcher natürlicher Selektionsprozesse zu begreifen sind, welche die Fortpflanzungsfähigkeit der Organismen zu optimieren
suchen.4 Erst die von Bedrohungsfaktoren weitgehend freien Umweltbedingungen
haben es demnach dem Menschen ermöglicht, dass die „Artefakte“ Altern und
Langlebigkeit in so großer Zahl wie gegenwärtig zu beobachten sind. Verdankt sich
das Weiterleben nach der Reproduktionsphase tatsächlich ausschließlich den von
der Natur großzügig bemessenen Sicherheitsreserven zum Erreichen des Fortpflanzungsalters, dann sollte der Erhalt des eigenen Körpers mit dem Alter zunehmend
unbedeutender werden („disposable soma theory“5). Je nach Umweltbedingungen
stehen den Spezies dabei prinzipiell zwei Strategien zur Verfügung: Wo hohe Mortalitätsgefährdung herrscht, wird der Einsatz der begrenzten Stoffwechselenergie auf
die Reproduktionsphase konzentriert und eine kurze Lebensdauer in Kauf genommen. Eine hohe Lebensspanne wie die des Menschen ist nur dort möglich, wo relativ wenige Nachkommen geboren werden; hier kann Stoffwechselenergie zumindest
in gewissem Umfang auch zum Schutz gegen altersbedingte Zell- und Organschäden bzw. für deren Reparatur aufgewandt werden.
Im Sinn einer Mutationsakkumulation wird davon ausgegangen, dass fehlerhaft
produzierte Proteine sich ansammeln, die im Lebensverlauf zu einer immer stärkeren Beeinträchtigung des Zellstoffwechsels führen. Wird im Zuge dieser Entwicklung die Kompensationsfähigkeit der Zelle überschritten, kommt es zum metabolischen Zusammenbruch der Proteinbiosynthese.6 Das Modell eines antagonistischen Pleiotropismus7 geht zudem davon aus, dass sich generationsübergreifend
solche Erbanlagen verstärken, die in Jugend und Elternschaft von Nutzen sein können, im Alter allerdings zu Beschwerden führen. Klassische evolutionsbiologische
Erklärungsansätze werden inzwischen dahingehend erweitert, dass auch ein längeres
Leben evolutionär begünstigt sein könnte, indem es durch die Unterstützung der
Nachkommen und Enkel auf indirekte Weise für den Fortbestand der eigenen Gene
sorgt.8 Festzuhalten bleibt, dass Altern zumeist als das Resultat von gehäuften,
zufällig bedingten Schäden auf zellulärer und molekularer Ebene gedeutet wird, die
aufgrund evolutionär bedingter Kapazitätsgrenzen in den körpereigenen Reparatur-
4
5
6
7
8
PARTRIDGE, GEMS 2002; TURKER 2002.
KIRKWOOD 1977; KIRKWOOD 2005b.
Vgl. VÖMEL 2005.
WILLIAMS 1957.
LEE 2003; VAUPEL, KISTOWSKI 2005, 590.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 223
mechanismen und Energiereserven zunehmend schlechter ausgeglichen werden
können.9
Zelldifferenzierung und genetischer Informationsverlust
als Bedingungsgefüge von Alterung
Thomas Dandekar nennt Altern ein „biologisches Lebensprinzip“, das mit der Zelldifferenzierung zu seinem vollen Ausdruck kommt.10 Zwar finden sich auch bei
manchen Einzellern gewisse Grenzen der Teilungsfähigkeit, greifbarer werden
Alternsprozesse aber erst in komplexeren Organismen. Existieren verschiedene
Zelltypen, dann treten unweigerlich im Laufe der Zeit nicht mehr kompensierbare
Zell- und damit auch Funktionsverluste auf. Artspezifische Unterschiede in der
Lebenserwartung geben einen ersten Hinweis darauf, wie bestimmend genetische
Informationen für das Altern insgesamt und die Lebensdauer im Besonderen sind.
Dieser Eindruck wird durch Zwillingsstudien und die Analyse von Genmutationen,
die zu einem vorzeitigen Altern bzw. Progeria führen (vor allem Down-Syndrom,
Hutchinson-Gilford-Syndrom, Werner-Syndrom11), verstärkt. Die im Vergleich zu
früheren Lebensphasen starke interindividuelle Heterogenität biologischer Alternsverläufe spricht allerdings gegen eine direkte genetische Steuerung des Alternsgeschehens.12 Deshalb wird inzwischen zumeist davon ausgegangen, dass der
Alternsprozess nicht durch ein „Altersgen“ verursacht oder gesteuert wird, sondern
im Kontext eines hochkomplexen Systems genetisch kontrollierter zellulärer Aktivitäten zu verorten ist und eher stochastischer denn deterministischer Natur ist.
Bereits Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde von Denham Harman die These
aufgestellt, dass die sogenannten „freien Radikale“ den Alternsprozess verursachten.13 Da diese nur ein freies Elektron besitzen, gelten sie als ausgesprochen reaktionsfreudige Moleküle, die nach einem stabilen Zustand mit zwei Elektronen streben. Eine Hauptgruppe der freien Radikale sind die reaktiven Sauerstoffspezies
(ROS), die insbesondere bei der Energiegewinnung in den Mitochondrien entstehen. Enzymatische und nicht-enzymatische Antioxidationsmechanismen verlieren
etwa ab dem 30. Lebensjahr zunehmend an Wirksamkeit, was die Balance zwischen
oxidativer ROS-Wirkung und antioxidativen Schutz- und Reparaturprozessen
9
10
11
12
13
HOLLIDAY 2006; KIRKWOOD 2005a; KIRKWOOD, AUSTAD 2000; vgl. auch STEFÁNSSON
2005, S2: „Life is a form of metabolism with potentially damaging side effects, and
those side effects accumulate in our bodies over time. Many of these changes become
pathogenic, and, together, they drive the ageing process that makes us frail and eventually kills us.“
DANDEKAR 2004, 152.
HIRSCHFELD et al. 2007.
HAYFLICK 2000.
HARMAN 1956; vgl. auch HARMAN 2006.
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224 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
zugunsten irreversibler Veränderungen von Proteinen, Lipiden und Genen verschiebt. Dieser „oxidative Stress“ gilt als wesentliche Quelle des progressiv fortschreitenden Alterungsprozesses.
Alterungsprozesse auf zellulärer Ebene werden zumeist unter dem Stichwort des
„Hayflick-Phänomens“ diskutiert. Leonard Hayflick und Paul Moorhead fanden
bereits 1961 Hinweise auf ein genetisches Programm, das die Teilung von menschlichen Zellen nach ca. 35-50 Zellteilungen stoppt.14 Mit fortschreitendem Alter sinkt
die maximale Teilungsrate, weshalb Hayflick die limitierte Vermehrungsfähigkeit als
Alterungsprozess auf zellulärer Ebene deutete.15 Allerdings konnte ein vollständiges
Versiegen der Zellteilungsfähigkeit (proliferative/replikative Seneszenz) bisher noch
nicht in vivo, sondern nur in vitro beobachtet worden, was u.U. auf den Einfluss
adulter Stammzellen hindeutet, die in verschiedenen Geweben das Potential zeigen,
das ansonsten inaktive Enzym Telomerase zeitweilig wieder anzuschalten. Erfolgreiche experimentelle Versuche der gentechnischen Aktivierung der Telomerase,
einem ursprünglich nur in Ei- und Samenzellen, Tumorzellen und adulten Stammzellen vorhandenen Enzym, das die Enden (Telomere) der Chromosomen vor jeder
Teilung um ein kleines, immer gleiches DNA-Molekül resynthetisiert, zeigen, dass
die Teilungsfähigkeit menschlicher Zellen wiedererlangt werden kann.16
Ein weiteres am Alternsprozess beteiligtes genetisches Programm liegt mit der
Apoptose vor. Während der Embryonalentwicklung dient dieser „programmierte
Zelltod“ der Morphogenese, anschließend der Eliminierung geschädigter Zellen
bzw. potentieller Krebszellen. Gleichsam als Kehrseite dieser Vorkehrungsmaßnahme lässt sich mit fortschreitendem Alter beobachten, wie sich die Zellanzahl
insbesondere in zellarmen Geweben so sehr verringert, dass pathologische Konsequenzen gerade dadurch provoziert werden.17
Interventionsstrategien zur Modulation des Alternsprozesses
Obwohl die Grundlagenforschung noch nicht in der Lage ist, Ursachen und
Mechanismen des menschlichen Alternsprozesses hinreichend aufzuklären, werden
bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, Interventionsstrategien zu entwickeln, um altersassoziierten Beschwerden und Krankheiten wirksam begegnen
und die Lebensspanne des Menschen signifikant verlängern zu können.
Bereits in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts konnte der positive Effekt
einer in ihrem Kaloriengehalt drastisch reduzierten Ernährung auf die durchschnittliche und maximale Lebenserwartung verschiedener Organismen (u.a. Hefezellen,
14
15
16
17
HAYFLICK, MOORHEAD 1961.
HAYFLICK 1965.
BODNAR et al. 1998.
WARNER 2005.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 225
Würmer, Fliegen, Spinnen, Fische) nachgewiesen werden.18 Nachdem der lebensverlängernde Einfluss einer Kalorienrestriktion auch bei Mäusen und Ratten aufgezeigt wurde, geht eine seit bald zwanzig Jahren laufende Langzeitstudie der entsprechenden Wirkung bei Rhesusaffen nach.19 Nicht zuletzt wegen dabei zu registrierender Anzeichen für die postulierten Diätfolgen sind viele Forscher überzeugt, auch
den menschlichen Alternsprozess mit Hilfe kalorienreduzierter Ernährung verzögern zu können.20 Entsprechende pharmakologische Mimetika sollen hier die
Anwendung erleichtern helfen.21
Der beschriebenen schädlichen Wirkung „oxidativer Stressoren“ versucht man
durch die zumeist hochdosierte Gabe von Antioxidantien (z.B. Vitamin A, E und C,
Zink oder Selen) zu begegnen.22 Dieser insbesondere auf dem kommerziellen AntiAging-Markt verbreiteten Strategie – zu der auch die Verabreichung von Wachstumshormonen zu rechnen ist23 – wird allerdings entgegengehalten, dass im günstigsten Fall nur Placebo-Effekte erzielt werden könnten, insbesondere aber bei der
Hormongabe mit unerwünschten und teilweise gefährlichen Nebenwirkungen zu
rechnen sei; ein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis dieser oftmals sehr teuren
„Medikamente“ stehe noch aus.24
Im Kontext regenerativer Medizin wird weiterhin geprüft, inwiefern gealtertes
oder krankheitsbedingt geschädigtes Gewebe durch in vitro gezüchtete Zellen und
Gewebe (beispielsweise durch Hirngewebe-Implantation zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson) ersetzt werden kann.25 In diesem
Zusammenhang beschreiben Anthony Ho, Wolfgang Wagner und Ulrich Mahlknecht Altern in Korrelation zu den Möglichkeiten von Stammzellen, altersbedingte
Schädigungen von Geweben und Organen zu beheben: „Ein lebender Organismus
ist so alt wie seine Stammzellen“.26 Nadia Rosenthal geht davon aus, dass Stammzelltherapien in einigen Jahrzehnten, wenn die gesellschaftlichen und ethischen
Vorbehalte gegen sie abgebaut seien, die körpereigenen Regenerationsfähigkeiten
erhöhen bzw. wiederherstellen könnten, die im Alternsprozess zunehmend verloren
gehen.27
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
Vgl. WEINDRUCH, WALFORD 1988.
RAMSEY et al. 2000.
ARKING 2005; INGRAM et al. 2006; MASORO 2006; WEINDRUCH 2006; dagegen skeptisch u.a. BRAECKMANN, DEMETRIUS, VANFLETEREN 2006; GREY 2005d; PHELAN,
ROSE 2005; SHANLEY, KIRKWOOD 2006.
INGRAM et al. 2004; ROTH 2005.
Vgl. SCHACHTSCHABEL 2004, 180.
Als markantes Beispiel für diesen „Therapieansatz“ kann gelten KLATZ, KAHN 1998.
LE BOURG 2005; NAIR et al. 2006; THAKUR 2005.
ATALA 2004; RAE 2005, 1225; SCHACHTSCHABEL 2004, 180.
HO, WAGNER, MAHLKNECHT 2005.
ROSENTHAL 2005; vgl. auch BEHRSTOCK, SVENDSON 2004.
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226 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
Einen breiten Raum in der Diskussion möglicher biogerontologischer Eingriffe
in den Alternsprozess nehmen genetische Interventionen ein.28 Die Analyse der
Genexpression und des Stoffwechsels von jungen und alten Zellen und Organen
soll helfen, Zielmoleküle zu identifizieren und gentechnisch zu modifizieren. Beim
Fadenwurm C. elegans konnte so u.a. der Einfluss des age-1- und des daf-2-Gens auf
dessen Lebenslänge nachgewiesen werden. Auch bei anderen Modellorganismen
wird versucht, beispielsweise über die genetische Steuerung der Insulinproduktion
oder eine gentechnische Aktivierung der Telomerase auf den Alternsprozess einzuwirken.29
Anstelle des Streits um die geeignete Einzelintervention zur Modulation des biologischen Alternsprozesses favorisiert Aubrey de Grey ein Bündel von präventiven
und therapeutischen Maßnahmen zur Therapie des gesamten Seneszenzgeschehens.
Mittels der von ihm federführend konzipierten „strategies for engineered negligible
senescence“30 erhofft sich Grey, basale molekulare und genetische Prozesse der Stabilität und Reparatur verbessern und den statistischen Zusammenhang zwischen
chronologischem Alter und Mortalitäts- bzw. Morbiditätsraten auflösen zu können.
Als Ergebnis dieses radikalen Kampfes gegen das Altern, der, so Grey, jeden Tag
vielen Menschen das Leben retten könnte, wird eine Lebenserwartung von mehreren hundert Jahren für möglich gehalten31 – eine Vorstellung, die von den meisten
Biogerontologen für illusorisch und in der Behauptung wissenschaftlicher Seriosität
für unredlich gehalten wird.32
Biogerontologische Eingriffsszenarien und Zielsetzungen
Gerade mit Blick auf die zuletzt skizzierte Interventionsstrategie wird deutlich, dass
sich die verschiedenen Handlungsansätze in ihrer jeweiligen Zielsetzung erheblich
unterscheiden. Sie lassen sich zu Bestrebungen gruppieren, a) innerhalb der vertrauten Spanne menschlichen Lebens eine deutlich längere Phase aktiven und
gesunden Lebens zu ermöglichen, bevor (wenn überhaupt) altersassoziierte Krankheiten auftreten und in relativ kurzer Zeit zum Tode führen, b) die Alternsprozesse
so zu verlangsamen, dass sich nicht nur die durchschnittliche Lebenserwartung des
Menschen, sondern auch seine maximale Lebensspanne signifikant verlängern lässt,
sowie c) die Seneszenz bei Erreichen des mittleren Erwachsenenalters zu stoppen
28
29
30
31
32
Vgl. PARTRIDGE, GEMS 2002.
Vgl. BUTLER et al. 2003; FOSSEL 2002; FOSSEL 2004, 283-290; SCHACHTSCHABEL 2004,
180; WARNER 2005, 324.
GREY et al. 2002.
GREY 2005a; GREY 2005c.
WARNER et al. 2005.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 227
und auf diese Weise die Vitalität und Funktionsfähigkeit des Organismus dauerhaft
zu sichern bzw. wiederherzustellen.33
Anhänger des ersten Szenarios, das in Anlehnung an dessen führenden Protagonisten James Fries34 als Morbiditäts-Kompressions-Modell bezeichnet wird, versuchen, gegen die Gebrechlichkeit des Alters anzugehen, indem das Erkrankungsrisiko im Alter abgesenkt wird sowie verdichtete und verkürzte Krankheitsphasen in
die letzte Lebensphase verlagert werden. Primäres Ziel dieses Ansatzes ist es nicht,
die Lebensdauer zu verlängern (zumal zumeist von einer genetisch begrenzten
Lebensspanne des Menschen ausgegangen wird), sondern die Zahl gesunder Jahre
zu erhöhen, bevor Alterskrankheiten und Sterben einsetzen. Die Entwicklung der
letzten Jahrzehnte hin zu erst im hohen Alter ansteigenden Inzidenzraten wird aus
dieser Perspektive als Bestätigung des eigenen Ansatzes interpretiert.35 Befürworter
einer Verlangsamung des Alterns knüpfen hingegen an den seit vielen Jahrzehnten
ungebrochenen demographischen Trend zur Hochaltrigkeit an und erwarten deutlich höhere Maximalalter als heute.36 Die zunehmende Einsicht in die genetischen
und molekularen Mechanismen des Alterns und die Entwicklung biotechnischer
Interventionsverfahren lassen es in ihren Augen möglich, ja wahrscheinlich erscheinen, Präventions- und Therapieansätze für altersassoziierte Erkrankungen finden
und die Lebensspanne des Menschen signifikant steigern zu können.37 Stopp und
Umkehr des menschlichen Alternsprozesses stehen als Zielsetzungen im Mittelpunkt des dritten Szenarios, das entweder durch Verjüngungsprozeduren im
Erwachsenenalter oder bereits durch gentechnische Eingriffe in den Embryo realisiert werden soll, um die fundamentalen Alternsursachen und -mechanismen zu
modifizieren. Gregory Stock ordnet in seinem Buch Redesigning humans den Kampf
gegen das Altern denn auch in einen größeren Rahmen ein, der die Perfektionierung, ja Neuschöpfung der menschlichen Natur anzielt.38
2. Positionen und Polarisierungen
der ethischen Debatte
Angesichts der großen Forschungsanstrengungen und der mit ihnen verknüpften
Anwendungsambitionen verwundert es nicht, dass die ins Auge gefassten Eingriffe
zur Modulation des biologischen Alternsprozesses bereits zum Gegenstand zahlrei33
34
35
36
37
38
Vgl. die Systematisierungen bei JUENGST et al. 2003a und POST, BINSTOCK 2004b.
FRIES 1980; FRIES 2003.
MOR 2005.
Vgl. u.a. MILLER 2002.
MALAVOLTA, MOCCHEGIANI, BERTONI-FREDDARI 2004; MARTIN et al. 2003.
STOCK 2002; vgl. auch STOCK 2004.
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228 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
cher ethischer Diskussionsbeiträge geworden sind.39 Dabei erscheinen diese in den
jeweils vertretenen Positionen und eingebrachten Argumentationsmethoden über
weite Strecken eigentümlich polarisiert: Dem Lob der Endlichkeit und Kontingenz
steht der Zweifel an stichhaltigen Gegenargumenten gegen die Bekämpfung des
Alterns und die Betonung der Steigerung individueller Entfaltungsmöglichkeiten
gegenüber. Die nachfolgende Systematisierung ethischer Argumente versucht deshalb, anstelle einer bloßen Gegenüberstellung von Pro- und Contra-Positionen markante Themenfelder der Kontroverse zu fokussieren und als Leitfragen für den
weiteren Gang der ethischen Analyse und Urteilsbildung zu nutzen.
Verlangsamung, Verlängerung und Unsterblichkeit
Wie bereits ausgeführt, unterscheiden sich die zur Debatte stehenden Eingriffsszenarien hinsichtlich ihrer Zielsetzungen erheblich. Das Spektrum reicht diesbezüglich von der Suche nach Präventions- und Therapiemöglichkeiten für einzelne
im Alter gehäuft auftretende Krankheiten bis hin zur Aufschlüsselung der molekularen und genetischen Ursachen und Mechanismen des Alterns und ihrer Modifikation. Leigh Turner beklagt, dass viele bioethische Kommentare diese Differenzen in
den biogerontologischen Forschungsanstrengungen übersähen, die Komplexität
menschlicher Biologie vernachlässigten und von daher vorschnell auf eine Unsterblichkeitsdiskussion abzielten.40
Tatsächlich deuten insbesondere Kritiker biogerontologischer Eingriffe diese als
verhängnisvolles Streben nach Unsterblichkeit. So hat sich der US-amerikanische
President’s Council on Bioethics in seinem 2003 vorgelegten Bericht Beyond Therapy ausführlich mit biogerontologischen Forschungs- und Anwendungszielen befasst und
diese vor dem Hintergrund des weit in die Menschheitsgeschichte hineinreichenden
Wunsches nach ewiger Jugend zu deuten versucht. Begänne man, so sind die Verfasser überzeugt, das biologische Altern des Menschen aktiv und intendiert zu verlangsamen, indem man es als Krankheit oder Störung benennt und entsprechend zu
behandeln versucht, dann würde man fortan unweigerlich auch die Sterblichkeit des
Menschen zum medizinischen Behandlungsgegenstand machen.41 Leon Kass, zum
Berichtszeitpunkt Vorsitzender des President’s Council, begründet seine ablehnende
Haltung gegenüber biotechnologischen Eingriffen zur signifikanten Verlängerung
der menschlichen Lebensspanne damit, dass auf diese Weise die Natürlichkeit
menschlichen Lebens zerstört zu werden drohe, die im Tod – und im Wissen um
die Sterblichkeit – ihre Vollendung findet. Das menschliche Streben nach Unsterblichkeit richte sich nicht auf ein von Altern freies und zeitlich unbegrenztes Leben,
39
40
41
Vgl. zum Überblick die zahlreichen Beiträge in POST, BINSTOCK 2004a.
TURNER 2004. Vgl. auch MOODY 2001.
THE PRESIDENT’S COUNCIL ON BIOETHICS 2003, 160.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 229
sondern gründe im auf Transzendenz ausgerichteten Wesen des Menschen und seiner Sehnsucht nach göttlicher Erlösung.42
Für Hans Jonas stellt das Projekt der Lebensverlängerung den radikalsten Fall
dar, wie der Mensch selbst zum Objekt der Technik werden kann. Zum ersten Mal
habe der Mensch heute ernsthaft die Frage zu beantworten, für wie wünschenswert
er es hält, dem Alterungsprozess und damit letztlich dem Tod entgegenzuwirken.43
Die Last der Sterblichkeit erkennt Jonas in dem Umstand, dass der Mensch jederzeit, auch jung an Jahren, sterben kann. Dass der Mensch aber ein sterblicher ist,
also überhaupt sterben muss, begreift Jonas als Segen. Infolge biotechnischer
Lebensverlängerung fürchtet Jonas um den Freiraum der Jüngeren und die Kreativität der Gesellschaft. Der Einzelne löse durch unbegrenztes Fortexistieren entweder den Bezug zur Vergangenheit und damit zu seiner identitätskonstituierenden
Geschichte, oder er verlöre sich geradezu in steter Rückbezüglichkeit und führe ein
Leben ohne wirkliche Gegenwart.44 Gegen die hier vorgetragenen Befürchtungen
steht exemplarisch David Gems, für den nicht die Lebensverlängerung als solche,
sondern die Ausgestaltung der gewonnenen Jahre durch die älter werdenden Menschen darüber entscheide, ob ein längeres Leben auch ein reicheres und tieferes
Leben darstellen kann.45
Altern und Krankheit – Altern als Krankheit
Henry Aaron kann die von ihm so bezeichnete „aging angst“ bei Kritikern wie Leon
Kass und anderen nicht teilen; für ihn überwiegen die individuellen und gesellschaftlichen Vorteile eines verlängerten Lebens. Dass die Verlangsamung des
Alterns unweigerlich zur Sehnsucht nach Unsterblichkeit führe, nennt er ein
Dammbruch-Argument. Stattdessen ermöglichten die biogerontologischen Fortschritte zunehmend ein Altern in Gesundheit und von daher einen Gewinn an
Lebensqualität. Aus seiner Sicht bestehen gute Chancen, Demenz, Diabetes und
Krebserkrankungen heilen und vielleicht sogar präventiv verhindern zu können.46
Diese Einschätzung korrespondiert mit der von Margaret Battin eingeforderten differenzierenden Bewertung der verschiedenen biogerontologischen Eingriffsvarianten. Interventionen zur Lebensverlängerung würden schließlich nur dann in
Anspruch genommen, wenn mit ihrer Hilfe ein längeres Leben in Gesundheit
ermöglicht werde. Ein längeres Leiden und ein verlangsamtes Sterben wären für
niemanden von Interesse.47 Deutlich wird an dieser Stelle, wie der Kritik vorgebeugt
42
43
44
45
46
47
KASS 1985; KASS 2001.
JONAS 1994.
JONAS 1992. Vgl. ähnlich ACH 1998; GERHARDT 2004; PARENS 1995.
GEMS 2003.
AARON 2006.
BATTIN 2005.
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230 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
werden soll, ein verlangsamtes Altern und ein verlängertes Leben führten unweigerlich zu dem individuellen und gesellschaftlichen Schicksal eines „national nursing
home“ (Francis Fukuyama)48.
Bereits in den 1970er Jahren hat Tristram Engelhardt dafür plädiert, bei der kritischen Bewertung biogerontologischer Vorhaben die Unterscheidung zu beachten
zwischen „alt sein“ (being old ) im Sinne des chronologischen Alters und „gealtert
sein“ (being aged ), spürbar werdend an geistigen und körperlichen Leistungseinbußen. Biogerontologie sollte demnach helfen, länger leben zu können, ohne
dabei allzu sehr an Vitalität und Leistungsvermögen zu verlieren. Unabsichtlich
würde allerdings, so gibt Engelhardt zu denken, bei einer solchen Forschungs- und
Anwendungsstrategie „Altern“ von einem unausweichlichen menschlichen Schicksal
zu einem zu therapierenden Krankheitsprozess umgedeutet.49 Herman Blumenthal
zielt in die gleiche Richtung, wenn er vor dem Hintergrund des geriatrischen
Umgangs mit dem Status des Alters in Geschichte und Gegenwart argumentiert,
dass biogerontologische Lebensverlängerungsinterventionen die noch bestehende
Dichotomisierung zwischen „Alter als inhärenter Lebensphase“ und „Altern als
Krankheit“ zunehmend aufheben könnten.50 Quasi aus der Gegenrichtung fragt
Katrina Bramstedt, ob nicht erst gesellschaftliche Konstruktionen des Alterns als
Krankheit das „Altenproblem“ generiert und die in Diskussion stehenden biogerontologischen Interventionen nachgefragt und befördert hätten.51 Auch Sharon
Kaufman, Janet Shim und Ann Russ vertreten die Auffassung, dass aus der Verbindung von einer Pathologisierung des Alterns und der zur Routine gewordenen
medizinischen Intervention in den Alternsprozess die Schwierigkeit erwachsen sei,
sich zu lebensverlängernden Maßnahmen ablehnend zu verhalten; der technologische Imperativ sei inzwischen bereits zu einem moralischen Imperativ geworden,
der sich zudem mit Hoffnungen auf eine radikale Überwindung des Alters verknüpfe.52
Für Arthur Caplan macht es im Widerspruch zu konservativen Kritikern wie
Leon Kass, Daniel Callahan oder Francis Fukuyama keinen Sinn, Altern als natürlichen Lebensprozess zu begreifen, wo die Seneszenz doch in vielerlei Hinsicht
Merkmale trage, die üblicherweise mit Krankheiten verbunden werden. Wenn
Altern als bloßes Nebenprodukt evolutionärer Selektion ohne spezifischen Eigenwert aufzufassen sei, müsse es auch als zu behandelnde Krankheit angesehen werden. „There is no intrinsic ethical reason“, so die Schlussfolgerung bei Caplan, „why
we should not try to extend our lives.“53 John Harris geht in seiner Deutung des
Alters zwar nicht so weit wie Caplan, dennoch plädiert er für eine intensivere The48
49
50
51
52
53
FUKUYAMA 2002, 104.
ENGELHARDT 1977; ENGELHARDT 1979.
BLUMENTHAL 2003.
BRAMSTEDT 2001, 52.
KAUFMAN, SHIM, RUSS 2004.
CAPLAN 2005, S75. Vgl. bereits CAPLAN 1981.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 231
rapie von Alterskrankheiten. Lebensverlängerung und eine als Nebenfolge sich einstellende „virtuelle Unsterblichkeit“ des Menschen gleichen aus Sicht von Harris
einer Lebensrettung und sind von daher ethisch in der Regel unbedingt geboten.54
Kontingenz und Transformation
Für Carl Friedrich Gethmann hängt eine ethische Bewertung biomedizinischer Versuche einer Verbesserung des Menschen letztlich davon ab, ob die der menschlichen
Existenz zugrunde liegende Kontingenz bewältigt oder beseitigt werden soll. Aus
dieser Sicht heraus zielten biogerontologische Ambitionen, welche die bislang als
apriorisch geltende conditio humana mit ihren Erfahrungen der Phasenhaftigkeit des
Lebens und der Sterblichkeit des Menschen radikal zu überwinden suchten, auf
einen „neuen Menschen“.55 Anders als Kritiker wie Francis Fukuyama mit ihrer
Sorge vor einer „posthuman future“56 sieht Gethmann damit zugleich Spielräume
für eine auch biomedizinische Gestaltung des menschlichen Alterns „diesseits“ von
Bestrebungen einer Endlichkeitsüberwindung und Kontingenzbeseitigung. Eine
„maßvolle Verlängerung der Lebensdauer durch Bekämpfung von Krankheiten und
Alterungsprozessen“ ist auch für Ludwig Siep vorstellbar, sofern sie sich im Rahmen einer Abwägung individueller und gemeinsamer Güter bewegt und nicht bloß
einem vermeintlichen Perfektionierungsimperativ folgt.57
Aus der eigentümlichen Verschränktheit des philosophischen und theologischen
Kontingenzbegriffs heraus eröffnen sich auch aus theologischer Perspektive
Gestaltungsoptionen. So begreift Karl Rahner vor dem Hintergrund christlicher
Anthropologie, die um die unüberbietbare, transzendente Selbstbestimmung des
Menschen weiß, diesen Menschen in freier Selbstverfügung als „das sich selbst
manipulierende Wesen“.58 Damit kommt es im konkreten Einzelfall unweigerlich zu
einem nur schwer zu bestimmenden Verhältnis zwischen innerweltlicher Zukunft in
planendem Entwurf und absoluter, eschatologisch ereignishafter Zukunft in Glaube
und Hoffnung – ein Verhältnis, das letztlich von dem Wissen um den Tod und der
Bereitschaft zu sterben geprägt sein sollte: „Die Selbstmanipulation und alle ihre
realen und utopischen Ziele bleiben unter dem Gesetz des Todes und so auch des
Unverfügbaren und Unmanipulierbaren. Ja es steigt diese Erfahrung des Todes (in
diesem umfassenden Sinn) aus der Erfahrung der Selbstmanipulation selbst auf.“59
Aus diesem Verständnis heraus stellt die Steigerung der Lebenserwartung für Franz
Böckle zwar kein erstrebenswertes Ziel dar, wenn es um eine rein quantitative Ver54
55
56
57
58
59
HARRIS 2004. Vgl. in ähnlicher Weise argumentierend POST 2004.
GETHMANN 2006.
FUKUYAMA 2005.
SIEP 2006.
RAHNER 1966, 54.
Ibid., 66.
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232 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
längerung geht; gleichwohl erkennt er ihren Nutzen, wenn sie „[a]ls Chance zur
Erfahrung von Freiheit und Reichtum menschlichen Lebens“ begriffen und genutzt
wird.60
Lebenszyklus und Identität
Im Zusammenhang mit der Rede von Kontingenz oder Transformation war bereits
die Bedeutung der Phasenhaftigkeit des Lebens angeklungen. Sich auf dieser Argumentationslinie bewegend plädiert Daniel Callahan für einen „life cycle traditionalism“, der die faktischen Lebensgrenzen respektiert, von einer natürlichen Lebensspanne sich geleitet weiß und um Ausschöpfung der spezifischen Sinnfunktionen
jeder Lebensphase bemüht ist. In diesem Kontext ist es Aufgabe der Medizin, nach
Möglichkeitsbedingungen für das Erreichen der natürlichen Lebensspanne zu
suchen und für die im Alter typischen Beschwerden Bewältigungshilfen anzubieten.61 Ziel könne es nicht sein, einem „research imperative“ folgend immer weiter
Krankheiten und im Gefolge dessen die Sterblichkeit des Menschen selbst beseitigen zu wollen. Stattdessen, so Callahan, brauche es einen „clinical imperative“, der
den Tod als unabwendbare biologische Realität akzeptiert und sich von daher für
eine veränderte Pflegekultur am Ende des Lebens engagiert.62
Mit seinem Modell einer „natürlichen Lebensspanne“ ist Callahan für Befürworter von biogerontologischen Modulationen des Alternsprozesses z.B. dafür geworden, wie sehr die gegenwärtige bioethische Diskussion des Alterns von (irrigen)
Natürlichkeitsvorstellungen dominiert wird. So wirbt George Agich im Kontrast zu
Stufen- und Zyklen-Konzepten und ihren normativen Implikationen für ein dynamisches, konstruktivistisches Alternsverständnis, das menschlicher Entscheidungsund Gestaltungsfreiheit zugänglich ist.63 Auch Christine Overall argumentiert, dass
sowohl die Länge des menschlichen Lebens insgesamt als auch Länge bzw. Struktur
der einzelnen Phasen menschlichen Lebens sozial konstruiert sind und auch zukünftig weiterhin sozial konstruierbar bleiben werden. Dies gilt in besonders augenfälliger Weise für die Lebensphase des Alters, die sich nicht nur verlängert, sondern
auch in Subphasen neu gegliedert hat („junges Alter“, „mittleres Alter“, „hohes
Alter“, „höchstes Alter“). Mit der empirischen Wahrnehmung der Veränderungen
bei Länge und Phasenhaftigkeit menschlichen Lebens geht für sie die normative
Bewertung ebendieser Entwicklungen, sprich die Erlaubtheit weiterer Gestaltungseingriffe, einher.64
60
61
62
63
64
BÖCKLE 2005, 124.
CALLAHAN 1987; CALLAHAN 1994.
CALLAHAN 2000.
AGICH 2001.
OVERALL 2003a; OVERALL 2003b.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 233
Skeptischer fällt die Bewertung von Giovanni Maio aus, der im Anti-AgingAnsatz ein Bestreben erkennt, die mittlere Lebensphase zu verabsolutieren und die
inhärente Sinnstruktur des Alters zu verkennen.65 Auch für Carl Friedrich
Gethmann sind Eingriffe in den Alternsprozess limitiert, weil die Phasenhaftigkeit
menschlichen Lebens wesentlich durch dessen Endlichkeit konstituiert wird. Von
daher verbietet sich ein Perfektionsstreben, weil die Unvollkommenheit wesenhaft
zum Menschsein gehört – in jeder Lebensphase, auch im Altern und Sterben: „Es
kann nicht Gegenstand einer kohärenten menschlichen Vision vom Alter sein, nicht
nur den genetischen Mechanismus des Alterns, sondern auch des Todes zu beherrschen und somit eine praktische Unsterblichkeit zu realisieren. [...] Ein unsterblicher
Mensch wäre ein Nicht-Mensch.“66
Nicht auf den Schutz einzelner Lebensphasen im Interesse der Wahrung des
gegliederten Lebenszyklus insgesamt, sondern auf den Schutz personaler Identität
im Sinne der diachronen Einheit zielt die Kritik von Walter Glannon. Biogerontologische Eingriffe, welche die menschliche Lebensspanne signifikant zu verlängern
vermögen, gefährden demnach die Identität der betroffenen Person, weil mentale
Zustände im früheren und im späteren Lebensabschnitt eines z.B. 200 Jahre alt
werdenden Menschen für Glannon so schwach verknüpft sind, dass daraus keine
vernünftige Sorge für die eigene Zukunft resultieren kann. Von daher erscheint eine
in Aussicht gestellte Unsterblichkeit für das Individuum vielleicht nicht an sich
schlecht, allerdings vernünftigerweise nicht wünschenswert; deshalb sollten entsprechende Versuche auch unterbleiben.67 John Harris äußert Zweifel an der These von
Glannon, wonach Erinnerungsfähigkeit Personalität konstituiert; und selbst wenn
ein „Unsterblicher“ mehrere personale Identitäten besäße, könnten diese (wie Eltern
für ihre Kinder und Enkelkinder) füreinander Sorge tragen.68
Eigeninteressen und Gerechtigkeit
Auch wenn sich die bisher referierte Diskussion vornehmlich auf individualethische
Argumente konzentriert, so fehlt doch nicht der Rekurs auf soziale und gesellschaftliche Folgen biogerontologischer Eingriffe in den menschlichen Alternsprozess. Leonard Hayflick beispielsweise nennt die Vorstellung, innerhalb einer
Familie würden sich die Eltern für alternsverzögernde Eingriffe und ihre Kinder
gegen solche Verfahren entscheiden, ein bizarres Szenario, in dem die Kinder
schließlich schneller alterten als ihre Eltern.69 Im Vordergrund der diesbezüglichen
Debatte steht aber die Frage, ob eine Interventionstechnik, die aller Voraussicht
65
66
67
68
69
MAIO 2006.
GETHMANN 2005, 41.
GLANNON 2002.
HARRIS 2002.
HAYFLICK 2000, 269.
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234 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
nach in ihrem Einsatz höchst komplex und von daher kostspielig sein dürfte, auch
dann zur Anwendung gebracht werden darf, wenn nur wenige Menschen von ihr
profitieren können. John Harris sieht hier zwar das Problem möglicher Parallelgesellschaften zwischen „Sterblichen“ und „Unsterblichen“, verneint aber die Notwendigkeit einer egalitären Versorgung zur Rechtfertigung lebensverlängernder Eingriffe. Anstatt die bei der Einführung neuer Technologien immer wieder auftretenden Allokationsprobleme zum Anlass zu nehmen, eine prinzipiell begrüßenswerte
Innovation zu blockieren, sollten die zur Debatte stehenden Verfahren weiterentwickelt und gleichzeitig nach Möglichkeiten Ausschau gehalten werden, sie möglichst vielen Menschen zur Verfügung zu stellen.70
Wie sehr in diesem Anwendungsbereich Fragen inter- und intragenerationeller
Gerechtigkeit miteinander verwoben sind, zeigt der Hinweis von Norman Daniels
auf den Umstand, dass es sich hier um Interventionsverfahren für Menschen im
jungen oder mittleren Erwachsenenalter handelt und dass bereits jetzt Ältere hiervon keinen Nutzen mehr haben.71 Demgegenüber vertritt Aubrey de Grey die Auffassung, dass die Kategorie „Alter“ im Zuge einer radikalen Therapie der Ursachen
und Folgen des menschlichen Alternsprozesses ja gerade an Bedeutung verliert; das
Vorenthalten biogerontologischer Interventionen sei vielmehr ein Verstoß gegen
das Menschenrecht auf ein langes Leben und Ausdruck von Altersdiskriminierung.72
Peter Singer allerdings gibt zu bedenken, dass man zur Bewertung lebensverlängernder Maßnahmen nicht allein die Interessen und den Nutzen gegenwärtig und
zukünftig lebender Menschen zu berücksichtigen habe (die aller Voraussicht nach
die Aussicht auf ein längeres Leben begrüßen dürften), sondern auch die Einbußen
für eine auf die Gesamtgesellschaft bezogene Summe des Glücks und durchschnittliche Lebensqualität beachten müsse. Solche Parameter dürften seiner Ansicht nach
sinken, weil mit steigender Lebensspanne auch die Reproduktionsrate weiter
abnähme, weniger junge Leute in der Gesellschaft lebten und diese an Innovationskraft verlöre.73
3. Einstellungen der Bevölkerung
zur Lebensverlängerung – empirische Trends
Um abschätzen zu können, wie die skizzierten biogerontologischen Forschungsanstrengungen für eine signifikante Verlängerung der menschlichen Lebensspanne
von der Allgemeinbevölkerung in Deutschland bewertet werden, führte die Projekt70
71
72
73
HARRIS 2004, 529 f. Vgl. ähnlich argumentierend auch DAVIS 2004; POST 2004, 537.
DANIELS 2006, 29.
GREY 2005b.
SINGER 1991.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 235
gruppe mit Hilfe des kooperierenden Zentrums für Evaluation und Methoden an der Universität Bonn im Zeitraum Oktober 2005 bis April 2006 eine repräsentative Erhebung
entsprechender Einstellungen durch.
Untersuchungsinstrument
Der für die Untersuchung nach entsprechenden Vorarbeiten im Projektvorlauf entwickelte Fragebogen umfasste – neben dem Fragebereich zur Erfassung soziodemographischer Angaben – sieben Skalen, um Werteinstellungen zu Alter und
Altern bzw. zur Verlängerung der Lebensdauer zu erheben:
Einstellung zur Verlängerung der Lebensdauer (Teil 1)
In diesem Frageblock wurden neben dem persönlichen und allgemeinen Wunschalter auch die Lebensbedingungen erhoben, die den Befragungsteilnehmern mit
Blick auf ein nach Belieben zu verlängerndes Leben wichtig wären.
Einstellung zur Endlichkeit des Lebens
Im zweiten Teil der Befragung wurden verschiedene Aussagen vorgelegt, die sich
mit Endlichkeit und Tod des Menschen beschäftigen. Das Antwortverhalten der
Befragungsteilnehmer lässt zwei unterschiedliche Einstellungsmuster sichtbar werden: Auf der einen Seite steht die Bejahung der für das Menschsein als konstitutiv
begriffenen Endlichkeit, in auffälliger Weise verbunden mit dem Glauben an ein
Leben nach dem Tod. Genau diese Trost- und Hoffnungsperspektive fehlt der
zweiten Gruppe von Befragten, die stattdessen betont, dass ein früher Tod besser
sei, als gebrechlich krank und alt zu werden.
Einstellung zu Altern und Alter
Hier hatten die Befragten die Möglichkeit, in offener Weise positive und negative
Seiten des Alters zu assoziieren und auf diese Weise ihre subjektiven Altersbilder
zum Ausdruck zu bringen.
Einstellung zur Verlängerung der Lebensdauer (Teil 2)
Zur vertieften Erfassung der in der Bevölkerung verbreiteten Einstellungen zu einer
biogerontologischen Lebensverlängerung wurden in diesem Frageblock einige weitere allgemeine Aussagen zum Thema Altern vorgelegt. Diese lassen sich, so die
statistischen Analysen der gesammelten Antworten, zu vier Dimensionen gruppieren: So wird entweder der Wert eines dauerhaft jungen Aussehens betont, das
Altern des Menschen assoziativ mit Krankheit und Verfall verknüpft, die Natürlichkeit des Alternsprozesses unterstrichen oder die persönliche Bedeutung geistig-körperlicher Fitness im Alter hervorgehoben. Weiterhin wurde danach gefragt, welche
der in der Diskussion befindlichen Eingriffsmethoden von den Befragten auch per-
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236 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
sönlich gewählt werden würden; hier wurden drei typische Antwortmuster – Training und Ernährung; invasive Therapieeingriffe; Kuren und Wellness – erkennbar.
Schließlich ging es in diesem Teil des Fragebogens um die Kosten, die man für eine
Lebensverlängerung zu investieren bereit wäre, und um Fragen der Natürlichkeit
bzw. Therapierbarkeit des Alterns.
Kompetenz- und Kontrollüberzeugung
Biotechnische Eingriffsversuche in den Alterungsprozess können eingeordnet werden in den während der letzten Jahrzehnte dramatisch ausgeweiteten Möglichkeitsspielraum der Medizin. Inwiefern das begleitende Fortschritts- und Machbarkeitsideal mit den persönlichen Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen der Befragten
korreliert, war Gegenstand eines weiteren Fragenkomplexes. Dabei bildete sich aus
dem Antwortverhalten eine plausible zweifaktorielle Struktur heraus, die entweder
schwerpunktmäßig die persönliche Selbstwirksamkeit (Internalität) oder die Schicksalsbezogenheit (Externalität) betont.
Beeinträchtigungen und Veränderungswünsche
Hier ging es darum, einerseits den subjektiven Gesundheitsstatus der Befragungsteilnehmer zu erfassen und andererseits deren Veränderungswünsche im Hinblick
auf das Leben insgesamt sowie auf konkrete Lebensbereiche zu erheben. Für die
Auswertung wurden diese Änderungswünsche zusätzlich mit der persönlichen
Wichtigkeit der verschiedenen Bereiche verknüpft und ein zusammenfassender Indikator „Lebenszufriedenheit“ gebildet.
Religiosität
Neben der Konfession bzw. Religion der Befragungsteilnehmer (vgl. Stichprobenbeschreibung) wurde auch die subjektive Bedeutsamkeit von Religion im Allgemeinen sowie im Alter erhoben. Schließlich zielte eine weitere Frage auf die – vermeintliche oder tatsächliche – Konkurrenzbeziehung zwischen Religion und Medizintechnik bei der individuellen Sinnstiftung im Alternsprozess.
Stichprobe
Die für die Telefonbefragung und die ihr nachfolgenden Analysen verwendete
Stichprobe umfasst 1.725 Personen und ist repräsentativ für die Bevölkerung
Deutschlands im Hinblick auf zentrale soziodemographische Aspekte wie
Geschlecht und Alter. Die altersmäßige Untergrenze liegt bei 18 Jahren, als höchstes
Alter wurde ein Alter von 90 Jahren angegeben; Tabelle 1 stellt die relevanten
soziodemographischen Daten dar.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 237
Stichprobenumfang
1.725
100%
902
823
52,3%
47,7%
191
260
425
330
269
240
11,1%
15,1%
24,6%
19,1%
15,6%
13,9%
1.043
399
180
99
60,5%
23,1%
10,4%
5,7%
670
575
22
391
67
38,8%
33,3%
1,3%
22,7%
3,9%
Geschlecht
weiblich
männlich
Altersgruppen
18-24 Jahre
25-34 Jahre
35-44 Jahre
45-54 Jahre
55-64 Jahre
> 65 Jahre
Familienstand
verheiratet bzw. feste Partnerschaft
ledig
getrennt bzw. geschieden
verwitwet
Konfession
evangelisch
katholisch
muslimisch
konfessionslos
sonstige bzw. keine Angaben
Tab. 1: Stichprobenbeschreibung
Ergebnisse
Die nachfolgende Ergebnisübersicht greift aus den vorgestellten Fragebogenbereichen die Themenkomplexe heraus, die sich in den statistischen Analysen als besonders aufschlussreich für die Frage erwiesen haben, wer sich eine signifikant verlängerte Lebensspanne wünscht.
Wunschalter
Die Angaben, welche die Befragten unter der Voraussetzung erfolgversprechender
biogerontologischer Eingriffsmöglichkeiten zu ihrem persönlichen Wunschalter und
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238 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
zu dem für die Allgemeinheit favorisierten Wunschalter machten (vgl. Tabelle 2),
streuen extrem und reichen im Extremfall bis zu einer Nennung von 60 Millionen
Jahren. Aufgrund der großen Spannweite der Antworten kommt dem Median, der
die Stichprobe in zwei gleiche Hälften halbiert, eine größere Aussagekraft als dem
Mittelwert zu. Die Differenz zwischen dem Median des persönlichen Wunschalters
(90 Jahre) und des allgemeinen Wunschalters (94 Jahre) scheint ein der Datenstruktur geschuldetes Artefakt zu sein; im Einzelvergleich zeigt sich, dass die Befragten in
der Regel der Allgemeinheit die gleiche Lebensdauer wünschten wie sich selbst.
Median
< 60 Jahre
60-89 Jahre
90-99 Jahre
100-122 Jahre
123-149 Jahre
150-999 Jahre
1.000 Jahre
keine Angaben
Persönliches Wunschalter
Allgemeines Wunschalter
90
94
7
544
329
507
13
142
33
150
0,4%
31,5%
19,1%
29,4%
0,8%
8,2%
1,9%
8,7%
4
490
327
557
15
136
18
178
0,2%
28,4%
19,0%
32,3%
0,9%
7,9%
1,0%
10,3%
Tab. 2: Wunschalter
Tabelle 2 zeigt, dass ein gutes Drittel der Befragten eine Lebensspanne unter 90
Jahren bzw. etwa im Rahmen der gegenwärtigen durchschnittlichen Lebenserwartung wünschte. Knapp die Hälfte der Befragten favorisierte ein darüber hinausgehendes Lebensalter, überstieg aber nicht das bisherige menschliche Maximalalter;
dieses hat die Französin Jeanne Louise Calment erreicht, die am 4. August 1997 im
Alter von 122 Jahren starb. Etwa 11 Prozent der Untersuchungsteilnehmer wünschte sich eine gegenüber gegenwärtig geläufigen Maßstäben signifikant gesteigerte
Lebensspanne (wobei offen bleiben muss, inwiefern in dieser Gruppe auch solche
Teilnehmer zu finden sind, die die Vorstellung einer beliebig zu verlängernden
Lebensspanne absurd fanden und entsprechend wenig ernsthaft geantwortet haben).
Subjektive Altersbilder
Im offenen Interviewteil wurden von den Befragten insgesamt mehr negative als
positive Assoziationen zum Altern und zum Alter geäußert. Zu den meistgenannten
positiven Aspekten des Alters zählten dabei (in absteigender Häufigkeit) Lebenserfahrung, Gelassenheit, Geduld, innerer Frieden, viel frei verfügbare Zeit, das
Erleben der nachfolgenden Generation sowie die Weitergabe von Wissen und
Lebenserfahrung. Als negative Aspekte des Alters gehen in die subjektiven Alters-
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 239
bilder besonders häufig (wiederum in absteigender Häufigkeit) schlechte Gesundheit
und allgemein Krankheit, eingeschränkte körperliche Beweglichkeit, psychischer
Abbau (Intelligenz, Demenz), persönliche Isolation und Einsamkeit, Pflege- und
Hilfsbedürftigkeit und finanzielle Sorgen ein.
Zustimmung
Es macht mir nichts aus,
alt zu werden.
Ablehnung
1.297
75,2%
414
24,0%
623
36,2%
1.100
63,8%
Altern gehört für mich
zum Leben dazu.
1.696
98,3%
29
1,7%
Wenn ich älter werde,
ist mir körperliche Fitness wichtig.
1.660
96,2%
62
3,6%
140
8,1%
1.579
91,6%
Wenn ich älter werde,
ist mir geistige Fitness wichtig.
1.711
99,2%
10
0,6%
Alte Menschen werden
in unserer Gesellschaft benachteiligt.
1.173
68,0%
526
30,5%
Altern ist meiner Meinung nach
mit körperlichem Verfall verbunden.
1.262
73,2%
450
26,1%
Es ist mir wichtig,
so lange wie möglich jung zu bleiben.
1.171
67,8%
537
31,2%
Alt zu werden,
finde ich erstrebenswert.
1.260
73,1%
440
24,5%
656
38,1%
1.052
61,0%
1.707
98,9%
16
0,9%
Wenn ich älter werde,
ist mir ein junges Äußeres wichtig.
Altern ist meiner Meinung nach
wie eine Krankheit.
Altern ist meiner Meinung nach
mit geistigem Verfall verbunden.
Altern ist meiner Meinung nach
etwas ganz Natürliches.
Tab. 3: Persönliche Positionierung zum Alternsprozess
Tabelle 3 listet auf, welche Positionierungen zum Altern die Befragten vorgenommen haben, wenn ihnen konkrete Aussagen zu diesem Lebensabschnitt vorgelegt
wurden. Wie bereits angedeutet, lässt das Antwortverhalten vier Muster erkennen:
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240 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
Von manchen wird mit Blick auf das Alter besonderer Wert auf Jugendlichkeit und
Äußerlichkeit gelegt, andere verknüpfen Alter eng mit Krankheit und Verfall. Wiederum andere betonen die Natürlichkeit des Alternsprozesses, wohingegen eine
vierte Gruppe aus den Antworten derjenigen gebildet werden kann, welche die
Bedeutung geistig-körperlicher Fitness im Alter herausstreichen.
Eingriffsmethoden
Angesprochen auf verschiedene in der Diskussion befindliche Methoden zur Verlangsamung des Alterns, favorisiert die Mehrzahl der Befragten moderate Prozeduren gegenüber invasiven Verfahren (vgl. Tabelle 4). In diesem Fragenkomplex lassen
sich drei typische Antwortmuster identifizieren und um die Handlungstypen
„Training und Ernährung“, „invasive Therapieeingriffe“ sowie „Kuren und Wellness“ gruppieren. Setzt man diese zu den vier oben vorgestellten Einstellungsdimensionen zum Alter in Beziehung, so korrelieren einerseits Invasivität und die
Betonung des jungen Äußeren miteinander sowie andererseits Training/Ernährung
mit der Wertschätzung von geistig-körperlicher Fitness. Möglicherweise lassen sich
auf diese Weise jene Befragten, die das Altwerden aus eigener Kraft bewältigen
möchten, von denjenigen unterscheiden, die dabei auf medizinisch-technische Hilfe
setzen.
Salben und Cremes verwenden
Ernährungsweise anpassen
Zustimmung
Ablehnung
891
55,1%
769
44,6%
1.613
93,5%
107
6,2%
Spezielle Lebensmittel kaufen
1.050
60,8%
670
38,8%
Regelmäßig Gymnastik durchführen
1.588
92,1%
135
7,8%
Regelmäßiges Konditionstraining
durchführen
1.521
88,1%
202
11,7%
Regelmäßige Kuren durchführen
1.169
67,7%
549
31,8%
Präparate spritzen
126
7,3%
1.595
92,5%
Operationen durchführen lassen
195
11,3%
1.527
88,5%
Die eigenen Gene verändern
131
7,6%
1.586
92,0%
Tab. 4: Eingriffsmethoden
Im Zusammenhang mit dem Szenario eines signifikant verlängerten Lebens wurde
weiterhin gefragt, was die Befragten zur Erlangung dieses Zieles zu investieren
bereit wären. Unter den Antworten liegt allein das Aufbringen von Zeit über der
50%-Zustimmungsmarke. Dagegen werden von den Befragten ein Geldinvestment
oder das Verblassen der Erinnerungen an frühere Lebensabschnitte infolge eines
verlängerten Lebens kritisch betrachtet. Insbesondere der Verlust von Aufgaben im
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 241
Leben, das Risiko von Nebenwirkungen, Einsamkeit und Langeweile würden als
Konsequenzen aus den Eingriffen in den Alterungsprozess nicht in Kauf genommen.
Interessant sind weiterhin die Aussagen der Befragten zur Rolle der Medizin im
Hinblick auf eine Verlangsamung des Alternsprozesses und eine Verlängerung der
menschlichen Lebensspanne. Tabelle 5 zeigt, dass die bereits durch die Positionen
in Tabelle 3 zum Ausdruck gebrachte Favorisierung der Natürlichkeit des Alternsprozesses, der, so die Befragten, nicht als Krankheit zu begreifen ist, sich auch im
weiteren Antwortverhalten durchträgt. Allerdings ist das Meinungsbild in diesem
erneuten Fragenblock deutlich moderater. Zwar wird eindeutig Wert darauf gelegt,
dass die Medizin ihr Augenmerk auf die Heilung von Krankheiten und nicht auf die
Verlängerung der Lebensspanne legen sollte, doch wird die Behandlung des Alterns
von relativ vielen Befragten durchaus als ärztliche Aufgabe begriffen.
Zustimmung
Ablehnung
Das Leben ist ein Wert an sich, deshalb ist eine wesentliche Verlängerung
der Lebensdauer wünschenswert.
830
60,2%
674
39,0%
Um wichtige Ziele
und Wünsche zu erreichen,
sollte man länger leben können.
838
48,6%
872
50,6%
Der Mensch hat schon immer
in seine Natur eingegriffen,
z.B. bei der Heilung von Krankheiten.
797
46,2%
917
53,1%
Die Forschung sollte Krankheiten
heilen, anstatt zu versuchen,
das Leben zu verlängern.
1.593
92,3%
108
6,2%
Ärzte sollten ihre Patienten auch darin
beraten, wie sie das Altern verlangsamen oder verhindern können.
1.134
65,7%
575
33,3%
Das Altern zu behandeln,
sollte Aufgabe der Medizin sein.
765
44,4%
942
54,6%
Gezielte Maßnahmen
zur Verlängerung des Lebens
sind gegen die Natur des Menschen.
982
57,0%
718
41,6%
Tab. 5: Altern und Medizin
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242 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
Umgang mit der Endlichkeit des Lebens
Nimmt man die Antworten, die bezüglich des Umgangs mit der Endlichkeit des
Lebens gegeben wurden (vgl. Tabelle 6), als Ausgangspunkt weiterer Analysen, dann
zeigt sich eine hinsichtlich Diesseits- und Jenseitsorientierung zu unterscheidende
Struktur. Auf der einen Seite stehen insbesondere die Aussagen, die den Vorzug
eines frühen Todes gegenüber der Gebrechlichkeit im Alter und die Schicksalhaftigkeit von Altern und Sterben betonen. Auf der anderen Seite wird die Endlichkeit
des menschlichen Lebens als dessen besondere Auszeichnung gewürdigt. Beide Einstellungsmuster lassen sich in auffälliger Weise durch die Meinung zu der Aussage
„Es gibt ein Leben nach dem Tod“ differenzieren: Anhänger der ersten Position
stimmen diesem Satz deutlich seltener zu als diejenigen der zweiten Gruppe (die
sich zudem auch signifikant häufiger als religiös bezeichnen).
Zustimmung
Es ist gut,
dass das Leben einmal zu Ende ist.
Ablehnung
1.475
85,5%
233
13,6%
836
48,4%
833
48,3%
Das Wissen, nicht unbegrenzt leben zu
können, macht das Leben kostbar.
1.638
95,0%
78
4,5%
Wann man stirbt, ist Schicksal,
das kann auch Krankheitsvorbeugung
nicht verhindern.
1.303
75,5%
414
24,0%
Ein früher Tod ist besser, als
gebrechlich und krank alt zu werden.
1.363
79,1%
340
19,7%
Eine begrenzte Lebenszeit und der
Tod gehören zum Menschsein.
1.679
97,4%
41
2,4%
Es gibt ein Leben nach dem Tod.
Tab. 6: Endlichkeit des Lebens
Innerhalb der verschiedenen erhobenen Variablen scheint die Einstellung zur Endlichkeit des Lebens am ehesten Rückschlüsse auf die Höhe des Wunschalters unter
den Bedingungen biogerontologischer Interventionen zuzulassen. Wer auf ein
Leben nach dem Tod zu vertrauen vermag, so das Ergebnis der statistischen Auswertungen, nennt tendenziell ein geringeres Wunschalter, als es im Langlebigkeitsszenario möglich wäre.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 243
4. Normative Relevanz empirischer Befunde?
Die Verhältnisbestimmung von normativer Ethik und empirischen Sozialwissenschaften ist – insbesondere durch die in den letzten Jahren stark wachsende Zahl
von empirischen Studien innerhalb der medizinischen Ethik74 – Gegenstand einer
intensiven wissenschaftstheoretischen und wissenssoziologischen Diskussion.75
Unser Forschungsprojekt nimmt in dem Spektrum von auf Empiriebezug verzichtender Ethik einerseits und Verfechtern einer Normativität des Faktischen andererseits eine von den meisten empirisch arbeitenden Philosophen geteilte Zwischenposition ein und praktizierte eine methodische Kooperation der beteiligten Disziplinen. Mit Hilfe empirischer Instrumente galt es, die derzeit noch recht abstrakt
anmutende naturwissenschaftliche bzw. philosophische Diskussion um Möglichkeiten und Folgen biogerontologischer Eingriffe in den Alternsprozess auf die in
der Bevölkerung vertretenen Werteinstellungen zu beziehen. Gesucht wurde dabei
(im weiten Sinn eines „Überlegungsgleichgewichts“76) nach einer Balance zwischen
einer möglichst vollständigen und dabei eben auch empirischen Wahrnehmung relevanter moralischer Positionen einerseits und der wissenschaftlich-ethischen Reflexion auf die Triftigkeit ebensolcher moralischer Argumente andererseits. Dabei ging
es primär um die Erfassung der Attraktivität der in Aussicht gestellten Interventionsstrategien für die Befragten (ein Desiderat77, dem die vorliegende Studie als
unseres Wissens weltweit erste ihrer Art zu begegnen versuchte), zugleich aber auch
um die Aufklärung möglicher Korrelationen zwischen den Wünschen im Hinblick
auf Möglichkeiten der Verlängerung der Lebensspanne einerseits und grundsätzlichen Einstellungen zum Altern andererseits.
Dass der Versuch, die ethische Reflexion durch den Einschluss empirisch erhobener Werteinstellungen zu befördern, notwendigerweise einer verlässlichen Güte
der betreffenden Daten – insbesondere im Hinblick auf die Validität der maßgeblichen Konstrukte – bedarf, ist selbstverständlich. In der konkreten Durchführung
einer solchen Studie ergeben sich von hierher allerdings bereits erste Relativierungen
bezüglich des erhofften Informationsgehalts. Mit Blick auf die durchgeführte Befragung weisen in diesem Sinne die Diskrepanzen zwischen (verglichen mit gegenwärtiger und für die nächsten Jahrzehnte prognostizierter Lebenserwartung) relativ
erhöhtem Wunschalter einerseits und der Favorisierung lediglich moderater Eingriffsverfahren andererseits möglicherweise darauf hin, dass das zur Debatte
gestellte biogerontologische Lebensverlängerungsszenario mit seinen Implikationen
von vielen Befragten nicht hinreichend erfasst werden konnte. Gleichwohl lassen
74
75
76
77
BORRY, SCHOTMANNS, DIERICKX 2006.
Vgl. z.B. BIRNBACHER 1999; DÜWELL 2005; HOLM, JONAS 2004; MUSSCHENGA 2005.
Vgl. GESANG 2002; SIEGWART 1996.
LUCKE, HALL 2005.
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244 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
sich auch solche Inkonsistenzen im Antwortverhalten aufzeigen, die für die weitere
theoretische Argumentation von Gewinn sein dürften, auch wenn sich sozialwissenschaftliche Einstellungserfassung und ethische Urteilsbildung irreduzibel zueinander
verhalten. Greifbar wird dieser Erkenntnisgewinn beispielsweise in Bezug auf die
Statusbestimmung des Alterns, die nicht nur in der ethischen Diskussion umstritten
ist, sondern auch bei den Befragten zwischen natürlicher Lebensphase und zu therapierender Krankheit oszilliert. Überhaupt fällt die persönliche Positionierung zum
Alter und Altwerden in bemerkenswerter Weise uneindeutig aus (vgl. Tabelle 3): So
geben drei Viertel der Befragten an, dass es ihnen nichts ausmacht, alt zu werden;
gleichzeitig betonen fast alle Untersuchungsteilnehmer den Wert geistig-körperlicher
Fitness im Alter. Dass wiederum drei Viertel der Befragten Altern mit körperlichem
Verfall assoziiert, sollte nicht vorschnell als logischer Widerspruch interpretiert werden, sondern Anstoß geben, solche offensichtlichen Ambivalenzen gegenüber dem
Altern in der weiteren ethischen Theoriebildung zu berücksichtigen.
5. Maßvoll altern
Im Jahr 1996 nennt Julian Nida-Rümelin die Vorstellung, nachhaltig in den biologischen Alterungsprozess eingreifen oder diesen gar stoppen zu können, ein
„bewußt weit außerhalb des heute empirisch Realisierbaren“ angesiedeltes Beispiel
für solche durch den Einsatz neuer Technologien gewonnenen Handlungsoptionen,
die den einzelnen Menschen in seiner Fähigkeit zur moralischen Beurteilung
womöglich überfordern könnten.78 Gut zehn Jahre später erscheint diese Einschätzung überholt und aktuell zugleich: überholt, da der zwischenzeitliche Erkenntnisgewinn auf Seiten der Biogerontologie die skizzierten Eingriffe in den menschlichen
Alternsprozess für die nähere Zukunft realistischer als zuvor gedacht wirken lässt;
aktuell, weil die sich in diesem Zusammenhang aufdrängenden normativen Herausforderungen noch immer komplex und ungelöst erscheinen. Robert Arking geht
davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der im Tiermodell erprobte Seneszenz-Stopp und die signifikante Verlängerung der Lebensspanne um Jahre in
Gesundheit auch für den Menschen möglich werden, und plädiert von daher für
eine konsensuelle Verständigung über den Umgang mit den biogerontologischen
Technologien.79 In eine ähnliche Richtung weisen die Ergebnisse einer Umfrage
unter 60 international tätigen Gerontologen, bei der die durchschnittliche Lebenserwartung eines im Jahr 2100 geborenen Kindes auf im Mittel 292 Jahre geschätzt
wurde und der Median der von 75 bis 5000 Jahre reichenden Antworten bei 100
78
79
NIDA-RÜMELIN 1996, 65.
ARKING 2006, 510-525.
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Lebensverlängerung und Verlangsamung des menschlichen Alterns 245
Jahren lag; auch die hier Befragten forderten eine gesellschaftliche Debatte über die
zukünftige Gestaltung des menschlichen Alterns ein.80
Der angemahnte Diskussions- und Klärungsbedarf verstärkt sich unter dem Eindruck der vorgetragenen Befragungsergebnisse noch weiter: Wenn ein bedeutender
Teil der Bevölkerung für sich und die Allgemeinheit eine Lebensspanne wünscht,
die deutlich über die heute bekannte und für die Zukunft demographisch prognostizierte Lebenserwartung hinausreicht, dann bestätigt sich einmal mehr die bleibende
Aktualität eines alten Menschheitstraums, der im Motiv des Jungbrunnens seinen
sinnfälligen Ausdruck fand, zwischenzeitlich zur „medizinischen Utopie“ (Bert
Gordijn81) mutierte und nun zunehmend mit Hilfe neuer Erkenntnisse und Interventionsverfahren in den Bereich seiner möglichen Erfüllung rückt. Konzentrierte
sich die Diskussion noch vor kurzer Zeit auf die Frage, ob es eine natürlich determinierte Obergrenze der menschlichen Lebensspanne gibt und, falls man einer solchen Annahme folgt, bei welchem Lebensalter diese anzusetzen wäre82, so stellt sich
zunehmend die Aufgabe, verantwortbare Möglichkeiten des Umgangs mit den
lebensverlängernden Handlungsoptionen zu ergründen und dabei die anthropologisch bedeutsame Rede vom Wert der Endlichkeit unter den sich radikal wandelnden Bedingungen zu begründen bzw. neu zu erschließen. Anstatt die Vorstellung
einer natürlich begrenzten Lebensspanne zu verteidigen, innerhalb derer die
Lebensqualität im Alter durch die Bekämpfung von Alterskrankheiten gesteigert
werden kann, gilt es vielmehr, nach kulturell gestifteten Maßen des Alterns zu fragen, innerhalb deren Grenzen quantitativ zunehmende Hochaltrigkeit auch mit qualitativen Gewinnen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft einhergeht.83
Für den hier nur anzuregenden, nicht aber bereits durchzuführenden Verständigungsprozess über Maße und Maßstäbe gelingenden Alterns wären aus unserer Sicht
der offenkundige Anti-Aging-Boom und die biogerontologischen Eingriffsambitionen als Provokation sowohl gegenüber einer negativ stereotypisierenden als auch
einer euphemistischen Sicht von Altern und Alter zu interpretieren. So mutmaßt
Stephen Katz, dass das gerontologische und sozialpolitische Leitbild des positiven
Alterns die große Resonanz auf Anti-Aging-Produkte entscheidend befördert
habe84, und Hans-Joachim von Kondratowitz sieht von daher Anlass für die Frage,
ob die hier greifbar werdende „Orientierung am Negativen im Alter [...], mit der
williges Kaufverhalten und Änderungen in der Lebensführung motiviert werden
sollen“, nicht als ein „Scheitern gerontologischen Argumentierens“85 gedeutet
80
81
82
83
84
85
RICHEL 2003. Vgl. auch JUENGST et al. 2003a; PERRY 2004.
GORDIJN 2004, besonders 148-190; vgl. in diesem Zusammenhang auch GRUMAN 2003;
HABER 2004; SCHÄFER 2004.
Vgl. hierzu die Kontroverse zwischen CARNES, OLSHANSKY, GRAHN 2003 und OEPPEN, VAUPEL 2002.
FUCHS 2006.
KATZ 2001.
KONDRATOWITZ 2006.
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246 Ulrich Feeser-Lichterfeld et al.
werden müsse. So notwendig der Rekurs auf die oftmals unterschätzten Potentiale
des Alters auch sein mag, so verhängnisvoll erscheint vor dem Hintergrund der
beschriebenen Ambivalenzen im (Selbst-)Erleben von Altern und Alter der Wechsel
von der deskriptiven zur normativen Ebene in der inzwischen geläufigen Unterscheidung von „drittem“ und „viertem Alter“ bzw. von „jungem“ und „altem Alter“
mit ihrer definitorischen Abgrenzung von positiven bzw. negativen Alterskonnotationen. Möglicherweise hat sich, so wäre unseres Erachtens zu bedenken, mit dem
„produktiven Alter“ lediglich eine neue Phase in den zeitlich ausgedehnten Lebenszyklus des modernen Menschen eingeschoben, die in ihren Merkmalen eher dem
mittleren Erwachsenenalter gleicht und von daher auch diesem zu subsumieren
wäre, bevor sie mit fortschreitenden Lebensjahren dann doch vom „eigentlichen“
Alter mit einer typischerweise zunehmenden körperlichen Schwäche, der verstärkten
Anfälligkeit für Krankheiten, verbreiteter Senilität und der spürbar werdenden
schicksalhaften Nähe zu Sterben und Tod abgelöst wird. Sofern man dieses Altern
des Menschen mit Hilfe der wachsenden biogerontologischen Möglichkeiten zwar
zu modulieren, nicht aber grundsätzlich zu überwinden sucht, bedarf es einer den
gewandelten individuellen und kulturellen Bedingungen des Altwerdens gerecht
werdenden Verständigung über den für die menschliche Existenz intrinsischen Sinn
der letzten Lebensjahre sowie über Ressourcen und Strategien der Sinnstiftung im
Alter.
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