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Neue Medien 547 Andreas Lösch, Dominik Schrage, Dierk Spreen, Markus Stauff (Hg.): Technologien als Diskurse. Konstruktionen von Wissen, Medien und Körpern Heidelberg: Synchron 2002, 256 S., ISBN 3-935025-17-3, € 34,77 Die systematische Trennung von entseelten, rein maschinell-gegenständlichen Technologien auf der einen und subjekthaft-lebendigen Diskursen auf der anderen Seite sei falsch - so die zentrale These des programmatischen Einleitungsessays des vorliegenden Bandes. Vielmehr seien die „Beziehungen zwischen Diskursen und Apparaten( ... ) vielgestaltig'' (S.10). Technologien sind daher auch als Diskurse zu verstehen und als solche auch zu analysieren. Doch sind sich die Autoren des Sammelbandes darin einig, dass die zeitgenössische Soziologie (mit Ausnahme der Techniksoziologie vielleicht) keine adäquate Terminologie entwickelt hat. um die konstitutiven Beziehungen zwischen Technologie. Diskurs. Körper und 548 MED!EN,l'issenschafi 412002 Subjektivität zu analysieren. Eßbach führt diesen Sachverhalt überzeugend auf die intellektuellen Ursprünge der Soziologie im 19. Jahrhundert und die konzeptionelle Orientierung ihrer Gründerväter Durkheim und Simmel an einer romantischen, anti-technizistischen Idee von Gemeinschaft zurück. Angesichts der Relevanz der neuen Medien- und Computertechniken plädieren die Herausgeber in ihrer Einleitung sowie Spreen in seinem Beitrag über soziologische Perspektiven nach der Medientheorie für einen Paradigmenwechsel in der Soziologie: Forschungsanleitend sollen die foucaultsche Diskursanalyse und mit ihr genealogische Analysen werden, da so „eine vorschnelle Grenzziehung zwischen ,technischen' und ,sinnhaften' Prozessen unterlaufen'' (S.19) werden kann. Diese konzeptionelle Weichenstellung ist von allen Beiträgen übernommen worden - selbst wenn der Bezug auf Foucault sich mitunter in einer Fußnote mit den einschlägigen Literaturangaben erschöpfr. Das Verhältnis zwischen technischen und sinnhaften Prozessen, mithin also Technologien als Diskurse, wird von den Beiträgen im ersten thematischen Schwerpunkt exemplarisch diskutiert. So analysiert Scharge das Diskursfeld des Fernsprechens, Stauff die diskursiven Mechanismen des Fernsehens und Landsteiner GUis (Graphical User Interfaces). Pauleit analysiert die Auswirkungen von Videoüberwachung auf die Konstitution postmoderner Subjekte und kommt zu dem beunruhigenden Schluss, dass „dort, wo das kontrollierende Bild an Macht gewinnt, [... ] der Glaube an die symbolische Ordnung der Sprache, die das moderne Subjekt prägte, verloren" (S.118-119) geht und daher die (politische) Macht jener steigt, die die Bilder interpretieren. Ein zweiter Schwerpunkt thematisiert das Verhältnis von Körperlichkeit und diskursiven Strategien, währe11d der letzte Technologien als Wissen adressiert. Die grundsätzliche Weichenstellung zugunsten einer von Foucault inspirierten Diskursanalyse erscheint grundsätzlich sinnvoll und Erfolg versprechend, die daran geknüpften Erwartungen werden jedoch von den meisten Beiträgen des Bandes leider enttäuscht. Dies resultiert erstens aus einem eher oberflächlichen Bezug auf Foucault. Zweitens können einige Wirklichkeitskonstruktionen in dem Band im besten Fall noch als idiosynkratisch bezeichnet werden. Wenn Pauleit konstatiert, dass „Waren, die gestohlen werden könnten, [... ] in den neuen Bundesländern mit ihrer daniederliegenden Ökonomie in relevanten Größenordnungen nicht vorhanden sind" ( S. I02 ), um die Zwecklosigkeit von Videoüberwachungen zu begründen, so ruft diese Einschätzung Verwunderung hervor. Schließlich verschleiert die Rhetorik einiger Beiträge die Sachverhalte mehr, als dass sie sie erhellt. Pars pro toto ein kurzer Auszug aus dem Beitrag von Haarmann über den Körper des Menschen als Simulationsmodell: ,,Die Rechenarbeit erfolgt durch eine Dynamik in der Zeit als Reihung von Verfahrensschritten. [... ] Dieser algorithmische Informationsverarbeitungsprozess ist als serielle Nach-Stellung von Rechenschritten zu begreifen, an deren jeweiliger End-Stellung ein neues Datum steht. [... ] Das algorithmische Nach-Stellungsverfahren produziert durch die ihm innewohnende Zeitdimension die spezielle Ästhetik des bildlichen Vor-Stellungs- Neue Medien 5-N verfahrens." ( S.146-147) Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Einige Beiträge - u.a. Eßbach, Klein und Hard - sind anregend und informativ, ob dieser Sammelband jedoch das richtige Umfeld für sie ist, sei dahingestellt. Gary S. Sehaal ( Stuttgart)