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Einleitung: Dilemmata der Nachhaltigkeit

2023, Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG eBooks

Einleitung: Dilemmata der Nachhaltigkeit Anna Henkel, Dimitri Mader, Bernd Siebenhüner In den letzten Jahrzehnten ist das Konzept der Nachhaltigkeit aus dem dop­ pelten Rekurs auf wissenschaftliche Erkenntnisproduktion und auf gesell­ schaftliche Belange immer heterogener geworden. Ein ursprünglich für die Forstwirtschaft des Königreichs Sachsen entwickeltes Prinzip der Nutzung nachwachsender Rohstoffe (v. Carlowitz 1713) wird im Bericht an den Club of Rome auf sämtliche für die Industriegesellschaften wesentliche Ressourcen und ihre Erhaltung im Rahmen ihres Simulationsmodells bezogen (Meadows et al. 1972). Der daraus bereits in den 1970er Jahren entstandene Diskurs wird im Brundtland-Bericht um den Anspruch erweitert, ökologische, soziale und ökonomische Ziele derart miteinander zu verbinden, dass entsprechen­ de Ressourcen auch künftigen Generationen zur Verfügung stehen sollen (Hauff 1987). Spätestens mit den 2015 von den Vereinten Nationen verab­ schiedeten sustainable development goals (SDGs) sind die Legitimität dieses Anspruchs und die Heterogenität der damit verbundenen Zielsetzungen über gesellschaftliche Akteure hinweg global breit anerkannt (Pfister et al. 2016). Im Zeichen des sich beschleunigenden Klimawandels entsteht eine globale Auseinandersetzung zu dessen Vermeidung durch die Einhaltung des 1,5-Grad Ziels (Thunberg 2022), wobei zunehmend auch umfassende und radikale Transformationsprozesse im Rahmen einer globalen und ak­ teursgruppenübergreifenden Operationalisierung der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung gefordert werden. Über diese allgemeine Akzeptanz von Nachhaltigkeit und die Dringlichkeit des damit verbundenen Anliegens droht jedoch mit der Heterogenität der Verständnisse eine Konturlosigkeit des Nachhaltigkeitskonzepts selbst zu entstehen: Erstens bestehen Uneindeutigkeiten und Widersprüche auf der Ebene der Leitideen von Nachhaltigkeit. So sind etwa die Leitvorstellungen einer ökologischen Modernisierung oder eines grünen Wachstums („green growth“, etwa: Mol et al. 2014) und einer Postwachstumsgesellschaft („degrowth“, etwa: Schmelzer et al. 2019) einander substanziell entgegensetzt (vgl. Henkel 2016; Petschow et al. 2018), so dass eine Transformation in Rich­ tung Nachhaltigkeit nicht beiden Leitvorstellungen zugleich entsprechen kann. Zweitens bestehen Ambiguitäten und potentielle Widersprüche selbst 9 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Anna Henkel, Dimitri Mader, Bernd Siebenhüner innerhalb einer solchen Leitvorstellung. So sind selbst in der scheinbar so konsensfähigen Nachhaltigkeitsdefinition des Brundtland-Berichts Span­ nungen angelegt, hier zwischen den Prinzipien der Gerechtigkeit innerhalb der lebenden sowie gegenüber künftigen Generationen. Direkt ins Auge fallen auch Spannungen zwischen den Zielen sowie den 167 Unterzielen der SDGs (Koehler 2016; Stevens und Kanie 2016; Machingura und Lally 2017; Rajabifard 2020; Biermann et al. 2022; Wong und van der Heijden 2019). Drittens schließlich entstehen Konflikte und Widersprüche auf der Ebene konkreter Nachhaltigkeitsmaßnahmen. So kann das Verfolgen des einen Nachhaltigkeitsziels das Erreichen eines anderen verhindern. Studien zeigen zwar, dass Wechselbeziehungen zwischen einzelnen Zielen sich gegenseitig unterstützen können (Weitz et al., 2018). Jedoch finden sich auch viele nega­ tive Interaktionen, bei denen sich Nachhaltigkeitsmaßnahmen gegenseitig stören oder gar ausschließen. Beispiele hierfür sind große Wasserkraftwer­ ke, die zwar Elektrizität auf erneuerbarer Basis liefern (SDG 7), aber die Ökosysteme und Biodiversität gefährden (SDG 15) und landwirtschaftliche Produktion einschränken (SDG 2). Solche Konflikte und Widersprüche auf der Ebene konkreter Nachhaltigkeitsmaßnahmen zeigen sich pointiert etwa in der Bioökonomie-Debatte (Chakravorty et al. 2009, Pietzsch 2017, Karafyllis 2020) an der Alternative „Tank versus Teller“: Soll die begrenzte landwirtschaftliche Fläche in einem Land oder einer Kommune zur Produk­ tion von Bio-Treibstoffen genutzt werden oder für die Nahrungsmittelpro­ duktion? Ein unreflektierter Gebrauch von „Nachhaltigkeit“ marginalisiert so nicht nur die teils gravierenden Differenzen zwischen verschiedenen Transformationspfaden der Nachhaltigkeit, sondern auch die Widersprüche und Konflikte, mit denen sich jede Transformationsstrategie auf die ein oder andere Weise konfrontiert sieht. Solche Widersprüche und Konflikte stellen nicht notwendig Dilemmata im engeren Sinne des Wortes dar, können aber in diese führen. Streng genommen sind Dilemmata solche Situationen, in denen ein Akteur vor zwei sich wechselseitig ausschließenden Alternativen steht, die beide negative Konsequenzen nach sich ziehen und von denen keine begründbar vor der anderen ausgezeichnet werden kann. Jedoch gibt es zweifellos verschiedene Transformationsvorstellungen, verschiedene Vorstellungen einer nachhalti­ gen Gesellschaft und verschiedene ethische Dimensionen in der Anschauung – von der Bewahrung ökologischer Ressourcen und Lebensformen über gerechte Vermögensverteilung bis hin zu einem nicht-diskriminierenden Umgang miteinander. Ebenso zweifellos gibt es in konkreten Handlungssi­ tuationen begrenzte Ressourcen, heterogene Akteure mit unterschiedlichen 10 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Einleitung: Dilemmata der Nachhaltigkeit Zielsetzungen und strukturellen Rahmenbedingungen – von materieller Infrastruktur über eine bestehende Gesetzeslage bis hin zu kulturell diffe­ renzierten Normen- und Wertevorstellungen. In dieser Gemengelage kann „Nachhaltigkeit“ zwar als allgemeine normative Leitvorstellung für eine gesellschaftliche Transformation fungieren, stellt aber selbst noch keine konkrete Maßgabe, welche Ansprüche in Kriterien überführt, wie diese zu gewichten und mittels welcher Maßnahmen dann für welche Dimension verbindlich zu erreichen sind. Akteure, die sich praktisch am Leitbild nach­ haltiger Entwicklung orientieren, sehen sich dann schnell vor unlösbare Dilemmata gestellt. Verkompliziert wird die Lage sogar dadurch, dass Nachhaltigkeit teils dennoch als normative Orientierung operativ verwendet wird, also als Be­ gründung, zwischen zwei Zielen so und nicht anders zu entscheiden bzw. als Grund, dies von anderen zu verlangen. So verwendet, droht Nachhaltigkeit manipulativ, suggestiv und potentiell ideologisch vereinnahmt zu werden. Denn ein solch unreflektierter und verdinglichender Gebrauch von „Nach­ haltigkeit“ gibt partikularen Anliegen den Anschein eines universellen nor­ mativen Ideals, mit dem Effekt, negative Folgewirkungen, Benachteiligungen bestimmter Gruppen und Unvereinbarkeiten bestimmter Ziele unsichtbar zu machen. Einer verallgemeinerbaren und zukunftsfähigen – kurz: nach­ haltigen – Bearbeitung bestehender Problemlagen von Klimawandel bis Artensterben und Ungleichheit ist das kaum zuträglich. Angesichts dieser Gesamtlage verschiedener Leitideen von Nachhaltigkeit, Ambiguitäten innerhalb dieser Leitideen und Konflikten auf der Ebene kon­ kreter Nachhaltigkeitsmaßnahmen, zugleich begrenzten Ressourcen und der potentiell manipulativ-ideologischen Vereinnahmung von Nachhaltigkeit selbst, ist ein aktiver reflexiver Bezug auf Dilemmata der Nachhaltigkeit unabdingbar. Implizit bleibende Annahmen bergen ebenso wie transdiszipli­ näre Kooperation und Forschung als Spannungsfelder ein Dilemmatapoten­ tial, das es frühzeitig zu erkennen gilt. Nur dann gelingt es, in praktisch unvermeidbaren Zielkonflikten, Zeitkonflikten, Interessenkonflikten, Kon­ flikten zwischen unterschiedlichen Wissensformen und Konflikten zwischen Nachhaltigkeitsverständnissen handlungsfähig zu bleiben. Gelingt es nicht, sich den inneren Widersprüchen von Nachhaltigkeit mittels deren aktiver Reflexion zu stellen, können in unvermeidlichen Spannungsfeldern angelegte Konflikte zu Handlungsblockaden führen, die nachhaltige Entwicklung ver­ hindern. Zugleich macht es das Konzept bedeutungslos, wenn Nachhaltigkeit unbestimmt gelassen und über Widersprüche hinweggegangen wird. Die gedankenexperimentelle Zuspitzung von Konflikten und Spannungsfeldern 11 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Anna Henkel, Dimitri Mader, Bernd Siebenhüner der Nachhaltigkeit zu potentiellen Dilemmata ermöglicht hingegen, sich den inneren Widersprüchen von Nachhaltigkeit zu stellen. Die reflexive Ausein­ andersetzung mit realen und potentiellen Dilemmata der Nachhaltigkeit wirkt einer Entleerung des Begriffs entgegen und erhält Handlungsfähigkeit angesichts einer komplexen und konflikthaften Wirklichkeit (vgl. Reflexions­ leitfaden). Diese Konstellation ist eine Herausforderung nicht zuletzt für die Wissen­ schaft. In der Entwicklung des Nachhaltigkeitsdiskurses und der praktischen Gestaltung von Nachhaltigkeit kommt Wissenschaft und Forschung eine wesentliche Rolle zu (Kates et al. 2001). Jedoch stehen Wissenschaft und For­ schung in einem Spannungsverhältnis zu einer Transformation in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung: Lange waren manche Forschungserfolge und wissenschaftliche Entwicklungen diesbezüglich mehr Problem als Lö­ sung und erst langsam entwickeln sich ein Bewusstsein sowie eine andere Form von Wissenschaft für den produktiven Umgang mit Dilemmata der Nachhaltigkeitsforschung. Während der Umstand, dass die Wissenschaft Teil des von ihr beobachteten Gegenstands ist, zu den konstitutiven Herausforde­ rungen der Sozialwissenschaften gehört und weithin methodisch reflektiert ist, kommt dem Feld der Nachhaltigkeit eine Besonderheit hinzu: Neben den herkömmlichen, sehr spezifischen und häufig stark disziplinären Zugängen zu Themenfeldern der Nachhaltigkeit, haben sich in der Forschung für eine nachhaltige Entwicklung zudem transdisziplinäre Forschungsansätze etabliert, um die Komplexität nachhaltiger Problemstellungen abzudecken, Praxisakteure einzubinden und relevante Lösungen zu erarbeiten (Hirsch Hadorn et al. 2006; Bergmann et al. 2010; Jahn et al. 2012; Lang et al. 2012). Wenn das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung an Schärfe und Durch­ setzungskraft verliert und sich im Konzept selbst angelegte Widersprüche verbergen, die auf der Handlungsebene in Form von Dilemmata zu Tage treten, ist dies auch eine Herausforderung für die Wissenschaft. Denn sie will selbst einen Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten, ihre Forschung zu diesem Leitbild in Bezug setzen, ihre Ergebnisse in Prozesse nachhaltiger Transfor­ mation einfließen lassen oder als transdisziplinäre Forschung solche Prozesse mit Praxisakteuren aktiv mitgestalten (Schneidewind und Singer-Brodowski 2014). Wissenschaft steht vor der Herausforderung, ebensolche Widersprü­ che und Dilemmata der Nachhaltigkeit zu identifizieren, zu analysieren und entsprechende Handlungs- und Umgangsstrategien zu entwerfen – zumal sich praktisch-politische Dilemmata der Nachhaltigkeit mitunter in der Forschungspraxis selbst reproduzieren. Indem sich Wissenschaft damit als Teil der zu transformierenden Praxis versteht, sind die von ihr potentiell mit­ 12 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Einleitung: Dilemmata der Nachhaltigkeit verursachten dilemmatischen Effekte umso wichtiger. Eine Verantwortung von Wissenschaft im Kontext nachhaltiger Entwicklung liegt daher einmal darin, Konflikte und potentielle Dilemmata empirisch zu untersuchen. Dies gilt sowohl auf der Ebene der praktischen Umsetzung von Nachhaltigkeitsbe­ strebungen als auch auf der Ebene von Nachhaltigkeitskonzepten. Außerdem gilt es, Möglichkeiten des Umgangs mit Dilemmata der Nachhaltigkeit zu entwickeln und diese in den eigenen Forschungsprozess zu integrieren. Dieser Band leistet dazu einen Beitrag. Die hier versammelten Beiträge entwickeln zum Einem reflexive Perspektiven, was überhaupt als ein Nachhal­ tigkeits-Dilemma gelten kann, auf welche weiteren Formen von Widersprü­ chen und Konflikten die Nachhaltigkeitsforschung trifft und wie mit solchen Widersprüchen umgegangen werden kann, um eine transformative Wirkung von Wissenschaft und Forschung für eine nachhaltige Entwicklung zu er­ möglichen. Empirische Fallstudien aus unterschiedlichen Bereichen gehen zum Zweiten konkreten Konflikten, Widersprüchen und Spannungsfeldern nach, die Dilemmapotenzial bergen. Schließlich werden Herausforderungen für Wissenschaft und Forschung diskutiert, wie sie sich in Theoriearbeit, Forschungspraxis und Forschungsförderung stellen. Dies trägt zur Reflexion einer transformativen Perspektive auf die Wirkung von Wissenschaft und Forschung für nachhaltige Entwicklung und entsprechenden Dilemmata bei. Im ersten Teil des Bandes, „Dilemmata der Nachhaltigkeit – reflexive Perspektiven“, entwickelt Dimitri Mader in seinem Beitrag „Dilemmata der Nachhaltigkeit und die Wiedererlangung von Handlungsfähigkeit. Strate­ gische Dilemma-Bezüge im Nachhaltigkeitsdiskurs und Dilemma-Analyse als Reflexionsmethode“ eine sozialtheoretische sowie diskursanalytische Per­ spektive auf Dilemmata der Nachhaltigkeit. Demnach sind Dilemmata der Nachhaltigkeit Hindernisse individueller und kollektiver Handlungsfähig­ keit im Angesicht sozial-ökologischer Probleme. Eine Typologie verschiede­ ner Verwendungsweisen von Dilemmata im diskursiven Feld zeigt, dass „Dilemma“ als rhetorisches und strategisches Hilfsmittel eingesetzt wird, um bestimmte Handlungsweisen zu rechtfertigen. Auf dieser Grundlage zeigt Mader mögliche Kriterien für die Analyse von Dilemmata auf, um Hindernisse auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung zu vermeiden. Korrespondierend mit diesem konzeptionell-analytischen Ergebnis aus der empirischen Projektarbeit an dem Themenfeld der Dilemmata der Nach­ haltigkeit fokussieren Ann-Kristin Müller und Sophie Berg in ihrem Beitrag „Forschungsförderung im Spannungsfeld der Nachhaltigkeit – Eine Analyse von Förderprogrammen der Nachhaltigkeitsforschung in Deutschland“ auf die Analyse der Förderung von Nachhaltigkeitsforschung in Deutschland. 13 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Anna Henkel, Dimitri Mader, Bernd Siebenhüner Dabei wird deutlich, dass Nachhaltigkeitsforschung in systematische Abhän­ gigkeitsverhältnisse vor allem zwischen Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft eingebettet ist. Diese wechselseitigen Abhängigkeitsverhält­ nisse bergen Spannungsverhältnisse bezüglich thematischer und struktu­ reller Aspekte von Nachhaltigkeitsforschung. Um eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit in Wissenschaft und Forschung zu erlangen, ist eine Reflektion solcher Spannungsverhältnisse und potentieller Dilemmata erfor­ derlich. Anschließend geht Daniel-Pascal Zorn in seinem Beitrag „Auf die Hörner genommen. Das Dilemma und die Familie der logischen Zwickmühlen“ auf die verschiedenen Formen von Problemen und Schwierigkeiten ein, die sich in komplexen Situationen mit vielfältigen Voraussetzungen ergeben. Wenn von ‚Dilemmata der Nachhaltigkeit‘ die Rede ist, sind damit nicht immer im engeren Sinne Dilemmata gemeint. Es ist daher hilfreich, sich zu verdeutlichen, was Dilemmata von anderen Problemformen unterscheidet. Zu diesem Zweck unternimmt der Beitrag eine begriffsgeschichtliche und strukturlogische Klärung typischer Problembegriffe und untersucht Strategi­ en ihres Einsatzes, wie sie auch im Nachhaltigkeitsdiskurs gefunden werden können. Die Darstellung geht dabei vom Allgemeinen zum Besonderen, von Begriffen für Problemstellungen zu zirkulären Problemformen und nimmt schließlich detaillierter Begriff und Sache des Dilemmas in den Blick. Eine zu Dilemmata alternative Problemsicht diskutiert Stephan Lorenz in seinem Beitrag „Offene Zukunft statt Dilemmata – Plädoyer für ein prozedu­ rales Konzept transdisziplinärer Lernprozesse“. Der Beitrag geht davon aus, dass sich die Dilemma-Perspektive als für Nachhaltigkeitsanalysen proble­ matisch erweist, da sie eine angestrebte Meta-Perspektive auf Nachhaltigkeit einschränkt. Als Alternative zum Dilemma-Ansatz wird ein prozedurales Ver­ ständnis von nachhaltiger Entwicklung als einem gesellschaftlichen Lernpro­ zess abgeleitet, das mit einem allgemeinen Verfahrensmodell korrespondiert. Dieses Modell erlaubt es, Lernprozesse zu untersuchen und zudem eine Brücke zu etablierten Konzeptmodellen transdisziplinärer Nachhaltigkeits­ forschung zu schlagen. Schließlich unternimmt Sebastian Suttner den Versuch, in seinem Beitrag „Das zeitliche Dilemma der Nachhaltigkeit: Wie Gesellschaft sich auf öko­ logische Gefährdung einstellt“ die Semantik der Nachhaltigkeit aus der Perspektive der Systemtheorie zu rekonstruieren. Suttner zeigt, dass Nach­ haltigkeit seine Plausibilität im Zuge funktionaler Differenzierung gewinnt; wenn sich also temporale Diskrepanzen zwischen Systemen und deren Umwelt entfalten. Im Vergleich mit anderen Semantiken mit ähnlichem 14 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Einleitung: Dilemmata der Nachhaltigkeit Bezugspunkt zeigt sich die Funktion von Nachhaltigkeit dann darin, Experi­ mente mit Synchronizität zu legitimieren. Als ein Nachhaltigkeitsdilemma erweist sich demzufolge der Konflikt zwischen operativer Synchronisation mit der strukturellen Asynchronität funktionaler Differenzierung. Der zweite Teil des Bandes, „Dilemmata der Nachhaltigkeit – empirische Fälle“, versammelt empirische Untersuchungen möglicher Dilemmata in verschiedenen Feldern der Nachhaltigkeit. In ihrem Beitrag „Worte ohne Taten? Die Kluft zwischen Verantwortung und Wirksamkeit als Dilemma der Nachhaltigkeit“ stellen Sarah Kessler und Henrike Rau die Ergebnisse ihrer qualitativen Medienanalyse vor, in der die Pluralität gesellschaftlicher Per­ spektiven auf Klima bezogene Verantwortung und Wirksamkeit untersucht werden. Dabei werden divergierende Klimakulturen deutlich. Mitglieder einer Elite-Klimakultur tendieren dazu, eine enge Kopplung zwischen Ver­ antwortung und Wirksamkeit anzunehmen, was deren privilegierten Status widerspiegelt. Im Kontrast dazu rangiert die Einschätzung der Verbindung zwischen Verantwortung und Wirksamkeit in öffentlichen Klimakulturen zwischen dem Ruf nach radikalem Klimahandeln bis hin zu Skeptizismus und Leugnung. Insgesamt wird damit die Diversität der Klimakulturen in Deutschland offensichtlich. Bezogen auf den Gegenstandsbereich der räumlichen Planung zeigen Stefan Staehle und Jörn Zitta in ihrem Beitrag „Wicked Problems – Dilemmata nachhaltiger Quartiersplanung“ Dilemmata der Nachhaltigkeit auf, wie sie sich in Zielkonflikten zwischen Beteiligten und professionellen Planer:innen in Planungsprozessen zeigen. In der wissenschaftlich begleiteten Stadtent­ wicklung des Pfaff-Quartiers in Kaiserslautern werden Dilemmata der Nach­ haltigkeit auf der Handlungsebene der Stadtplanung deutlich. Die bereits 1973 von Horst Rittel und Melvin Webber formulierten und anhand von zehn Kriterien als „Wicked Problems“ charakterisierten Planungsprobleme dienen der Untersuchung zur Charakterisierung von Wirkungszusammen­ hängen, Abhängigkeiten und Dilemmata im Kontext nachhaltiger Planung. Es zeigt sich eine enge Verwandtschaft von Planung mit in deren politischer Dimension zu verortenden Nachhaltigkeitsprozessen. Der damit verbunde­ ne Perspektivwechsel macht „Wickedness“ als zentrales Dilemma dieser Prozesse sichtbar. Als „Wicked Problems“ besitzen Nachhaltigkeitsprozesse keine eindeutige Lösung. Ein produktiver Umgang ist vielmehr nur durch schrittweise Annäherung und Kommunikation in einem demokratischen und kooperativen Prozess möglich. Nach diesem Fokus auf Quartiersplanung geht Holli Gruber in ihrem Beitrag „Die vernachlässigte Materialität des Bodens. Zur Aushandlung 15 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Anna Henkel, Dimitri Mader, Bernd Siebenhüner von Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume“ auf Spannungsfelder in der Ent­ wicklung ländlicher Räume ein. Die Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume ist ein weithin anerkanntes Ziel – jedoch sind die damit verbundenen konkreten Visionen, Strategien und Entscheidungen höchst vielfältig und teils widersprüchlich. Gruber zeigt, wie zwar die Entwicklung von ‚Land‘ in komplexen Prozessen ausgehandelt wird, dabei aber die Materialität des Bodens als Schauplatz, Grundlage und Kristallisationspunkt des Aus­ handlungsprozesses um Zukunftsfähigkeit kaum Berücksichtigung erfährt. Die Einbeziehung von Materialität beschränkt sich überwiegend auf die Wirkungen der ‚vom Menschen geschaffenen‘, gebauten Umwelt, während eine Materialität Boden mit ihren Eigenheiten und beschränkenden Wirkun­ gen unberücksichtigt bleibt. Der Beitrag zeichnet den aktuellen Stand der Forschung zu den großen Spannungsfeldern der ländlichen Entwicklung nach und zeigt die Rolle von Boden als Materialität und Aktant in seiner mindestens widersprüchlichen, wenn nicht dilemmatischen Bedeutung im Aushandlungsprozess der Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume. Mit Bezug auf das Ländliche ist auch der Beitrag „Decision Support Tools in Milchviehbetrieben. Sind Dilemmata der Nachhaltigkeit mithilfe der Digi­ talisierung auflösbar?“ von Laura Scheler angelegt. Decision Support Tools sind dazu bestimmt, Organisationen bei der Einbeziehung aller möglichen Faktoren in ihren Prozess der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Dies ist vielfach mit dem Versprechen verbunden, damit zur Lösung von Dilemmata der Nachhaltigkeit beizutragen. Insbesondere in der Landwirtschaft sind die Hoffnungen auf die Erfüllung solcher Erwartungen groß. Am Gegenstand des Einsatzes von Decision Support Tools für die Gesundheitsüberwachung in Milchviehbetrieben wird jedoch aus der Perspektive der Systemtheorie argumentiert, dass solche Hoffnungen trügen und vielmehr organisationale Risiken bergen: Wie menschliche Entscheidungsträger können auch Deci­ sion Support Tools nicht mit der Welt an sich arbeiten, sondern müssen komplexitätsreduzierte Modelle ihrer Umwelt verwenden. Wenn dieser Um­ stand verdeckt bleibt, ist es für die Organisation umso schwieriger, etwaige Fehler zu finden und zu korrigieren. Damit wird es unwahrscheinlicher, dass wechselseitige Abhängigkeiten und Widersprüche aus „rationalen“ Ent­ scheidungen behandelt werden, was seinerseits ein Risiko für das Gelingen nachhaltiger Entwicklung darstellt. Große Hoffnungen für nachhaltige Entwicklung werden auch in die Entwicklung der Bioökonomie gesetzt. Sie stellt einen zentralen Baustein des europäischen Green Deal für eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft dar. Jana Holz und Philip Koch gehen in ihrem Beitrag „Wie die Bioökonomie 16 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Einleitung: Dilemmata der Nachhaltigkeit versucht nachhaltig zu sein – eine Diskussion am Beispiel der europäischen Bioökonomiepolitik und der finnischen Forstwirtschaft“ auf diesen Gegen­ stand näher ein. Anhand aktueller Entwicklungen in der Bioökonomie in der EU und Finnland untersucht der Beitrag kritisch, wie Dilemmata aus dem Anspruch entstehen, zugleich unendliches Wirtschaftswachstum und soziale wie ökologische Nachhaltigkeit ermöglichen zu wollen. Im Ergebnis erweisen sich aktuelle bioökonomische Strategien und Projekte zwar als notwendige, jedoch keineswegs als hinreichende Aspekte sozial-ökologischer Transforma­ tion. Der Beitrag „Antibiotikaresistenzen als Nachhaltigkeitsdilemma“ von Claudia Bozzaro und Dominik Koesling zeigt, dass auch die Medizin mit spe­ zifischen Nachhaltigkeitsherausforderungen konfrontiert ist. Am zentralen Beispiel der Antibiotikaresistenzen wird argumentiert, dass aus verschiede­ nen Zielsetzungsansprüchen innerhalb der Medizin spezifische Dilemmata entstehen können, die bei der ernsthaften Einbeziehung der Bedürfnisse künftiger Patient:innen offensichtlich werden. Der Beitrag beginnt mit einem Überblick über bekannte Tatsachen über Antibiotika und Antibio­ tikaresistenzen und hebt die medizinischen Herausforderungen letzterer hervor. Eine Fokussierung auf Dilemmata bei der aktuellen Verwendung von Antibiotika führt zu der These, dass Antibiotikaresistenzen nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein ethisches Problem darstellen. Abschließend wird gezeigt, dass gerade darin ein spezifisches Nachhaltigkeitsdilemma gesehen werden kann. Der letzte der hier verhandelten empirischen Fälle wechselt in den Be­ reich der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). In ihrem Beitrag „Dilemmata, Risiken und Trade-Offs im Kontext der Bildung für nachhaltige Entwicklung – Eine Konzeptskizze“ stellen Gerhard de Haan und Saskia Grüßel erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts vor, das sich erstmals mit Dilemmata, Trade-Offs und Risiken in der Bildung für nachhaltige Entwick­ lung systematisch befasst. Es zeigt, dass sich gerade junge Menschen in der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen von Gefahren, Risiken und Dilemmata umstellt sehen, die sie stark emotional berühren und zugleich zu Entscheidungs- und Handlungshemmungen führen. Angesichts dessen zielt das Projekt auf die Entwicklung eines Unterrichtskonzepts zur Entwicklung von Kompetenzen im Umgang mit solchen Herausforderungen, wobei auf den Themenbereich der Biodiversität fokussiert wird. Der Beitrag skizziert Idee und Struktur des Projektes, begründet, warum die Biodiversitätsproble­ matik ein adäquates Thema darstellt, um Risiken, Trade-Offs und Dilemmata im Kontext nachhaltiger Entwicklung zu bearbeiten und welche Rolle Resili­ 17 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Anna Henkel, Dimitri Mader, Bernd Siebenhüner enz für die erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderungen spielt. Zudem werden die für das Projekt relevanten Teilaspekte der Gestaltungskompetenz der BNE sowie zwei als Basis dienende didaktische Konzepte vorgestellt. Der dritte Teil des Bandes, „Dilemmata der Nachhaltigkeit – Herausforde­ rungen für Wissenschaft und Forschung“, schlägt schließlich den Bogen zurück zur Verantwortung der Wissenschaft angesichts der sich mit Dilemmata der Nachhaltigkeit stellenden Herausforderungen. Im ersten Beitrag „Nachhal­ tigkeit zwischen Bedeutungsarbeit und Management“ geht Armin Grunwald darauf ein, dass die Forderung einer stärker nachhaltigen Gesellschaft zwar leicht gestellt ist, konkrete Schritte auf diesem Weg jedoch Schwierigkeiten bergen. Zu diesen Schwierigkeiten gehört, dass zusätzlich zu den bekannten Aspekten der Macht, des ökonomischen Interesses, der sozialen Ungleich­ heiten, etc. ein selten so bezeichnetes wesentliches Dilemma nachhaltiger Entwicklung besteht. Denn während nachhaltige Entwicklung dringend ein angemessenes Management erfordert, ist eine zentrale Voraussetzung solchen Managements nicht erfüllt: die Verfügbarkeit eines klaren und unbestrittenen Verständnisses der Bedeutung nachhaltiger Entwicklung. Der Beitrag entfaltet diese dilemmatische Struktur und erprobt erste Ideen, um in dieser Struktur weiter voranzukommen. Neben den von Grunwald diskutierten systematischen Herausforderun­ gen von Dilemmata der Nachhaltigkeit für die Wissenschaft stellen sich kon­ krete Herausforderungen für die Forschungsförderung in diesem Bereich. Sophie Berg, Ann-Kristin Müller, Bernd Siebenhüner und Karsten Speck gehen in ihrem Beitrag „Forschungsförderung im Bereich nachhaltige Entwicklung in Deutschland – eine qualitative Bestandsaufnahme“ einem für die Transfor­ mation in Richtung Nachhaltigkeit erforderlichen Wandel in der (Nachhal­ tigkeits-)Wissenschaft nach. Dies berührt Fragen bezüglich der Strukturen und thematischen Orientierung der Forschungsförderung in Deutschland. Der Beitrag zeigt, wie sich in der deutschen Forschungsförderung unter­ schiedliche Verständnisse des Begriffs „Nachhaltigkeit“ widerspiegeln, womit eine umso größere Bandbreite an Nachhaltigkeitsthemen einhergeht, die ihren Schwerpunkt in ökologischen und ökonomischen Perspektiven haben. Deutlich wird damit, dass insbesondere Strukturen und Institutionen in der Forschungsförderung in Deutschland sich an die Belange transformativer Wissenschaft sukzessive anpassen müssen, um zu einer Transformation in Richtung Nachhaltigkeit beizutragen. Dilemmata in der transformativen Nachhaltigkeitsforschung im Besonde­ ren sind Gegenstand des nächsten Beitrags „Zur Kultivierung von Reflexivität als Strategie des Umgangs mit Dilemmata in der transformativen Nachhaltig­ 18 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Einleitung: Dilemmata der Nachhaltigkeit keitsforschung – lerntheoretische Überlegungen“. Mandy Singer-Brodowski zeigt, dass die Praxis transformativer Forschung zu multiplen Dilemmata für Wissenschaftler:innen führt, die sich aus der nicht bestehenden Passung von Disziplinarität, epistemischen Kulturen und Voraussetzungen transformati­ ver Forschung sowie der Legitimation wissenschaftsbasierter Interventionen für nachhaltige Entwicklung ergeben. Die transformative Lerntheorie kann dazu beitragen, erfolgreiche Strategien im Umgang mit solchen Dilemmata zu finden. Der Beitrag verdeutlicht, wie transformative Wissenschaftler:in­ nen ihre eigene Reflexivität steigern können. Der Beitrag „Was ist Nachhaltigkeitsrecht? Von der Notwendigkeit, das Recht neu zu denken“ von Markus P. Beham zeigt auf, wie Nachhaltigkeit innerhalb der Rechtswissenschaft einerseits als methodische Perspektive sowie als eigenes Forschungsfeld begriffen werden kann. Dies wird dabei sowohl entlang der vertikalen Achse verschiedener rechtlicher Ebenen von nationalem bis hin zu internationalem Recht, als auch in horizontaler Durchdringung der gesamten Rechtswissenschaft und sämtlicher Rechtsge­ biete verstanden. Dabei wird auch deutlich, dass das „Nachhaltigkeitsrecht“ zugleich eine rechtssoziologische Rückkoppelung bietet, um den gesellschaft­ lichen Paradigmenwechsel auch im Recht reflektiert zu sehen. Als normatives Projekt wird „Nachhaltigkeitsrecht“ als ergebnisoffene, progressive und inklusive Perspektive auf das Recht begriffen. Eine Möglichkeit, mit dilemmatischen Entscheidungen im Nachhaltig­ keitsbereich umzugehen, entwickelt, Georg Müller-Christ in seinem Beitrag „Dilemmaentscheidungen und ihre Trade-offs in Systemaufstellungen visua­ lisieren und verstehen lernen“. Aus der Perspektive der entscheidungsorien­ tierten Managementwissenschaft geht der Beitrag von der Überlegung aus, dass Nachhaltigkeit ganz grundsätzlich ein Dilemma eröffnet, indem sie im Gegensatz zu anderen Qualitäten steht. Erfahrungen aus Aufstellungssemina­ ren mit Führungskräften können auf diesen Gegenstand angewendet werden, indem sie auch mittels Visualisierungen erfahrungsbasierte Lösungen für die Vermittlung in Spannungsfeldern aufzeigen. Deutlich wird, dass die Mög­ lichkeit, Spannungsfelder und Dilemmata mittels Visualisierungen selber körperlich durchwandern und erfahren zu können, eine Ambiguitätstoleranz deutlich erhöht und damit die Handlungsfähigkeit in Dilemmasituationen. Der abschließende Beitrag nimmt die transdisziplinäre Forschung näher in den Blick. Matthias Bergmann und Thomas Jahn gehen in ihrem Beitrag „Dilemmata der Nachhaltigkeit – Herausforderungen für die transdiszipli­ näre Forschungspraxis“ davon aus, dass in der Forschung für Nachhaltige Entwicklung dann, wenn es um komplexe gesellschaftliche Problemlagen 19 https://doi.org/10.5771/9783748938507-9, am 07.12.2023, 08:48:02 Open Access – - http://www.nomos-elibrary.de/agb Anna Henkel, Dimitri Mader, Bernd Siebenhüner oder Entwicklungen geht, häufig der transdisziplinäre Forschungsmodus ge­ wählt bzw. von Forschungsförderern vorausgesetzt wird. Kerncharakteristika dieses Forschungsansatzes, wie die Interdisziplinarität und die Beteiligung von Praxisakteuren, führen dazu, dass im Forschungsprozess vielfältige, manchmal auch widersprüchliche Verständnisse von Nachhaltigkeit aufein­ andertreffen. Dilemmata der Nachhaltigkeit sind so gewissermaßen vorpro­ grammiert. Die Autoren zeigen auf, wie in einem kritisch-selbstreflexiven transdisziplinären Forschungsprozess mit solchen Dilemmata umgegangen werden kann. Diese Publikation geht auf die Zusammenarbeit im Projekt „Dilemmata der Nachhaltigkeit zwischen Evaluation und Reflexion. Begründete Kriterien und Leitlinien für Nachhaltigkeitswissen“ zurück, das im Zeitraum von 2019 bis 2023 vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur und der Volkswagen-Stiftung gefördert wurde. Als weitere projektübergrei­ fende Publikation erscheint der Band „Dilemmata der Nachhaltigkeit: Zur Relevanz und kritischen Reflexion in der Nachhaltigkeitsforschung – ein Leit­ faden“ ebenfalls im Nomos Verlag (2023) und ergänzt als praxisorientierter Leitfaden diese wissenschaftliche Publikation. Literatur Bergmann, Matthias, Thomas Jahn, Tobias Knobloch, Wolfgang Krohn, Christian Pohl und Engelbert Schramm. 2010. Methoden transdisziplinärer Forschung. Ein Überblick mit Anwendungsbeispielen. Frankfurt am Main: Campus. Biermann, Frank, Thomas Hickmann und Carole-Anne Sénit (Hrsg.). 2022. The Political Impact of the Sustainable Development Goals: Transforming Governance Through Global Goals?. Cambridge: Cambridge University Press. Carlowitz, Hans C. von. 1713. Sylvicultura oeconomica oder hausswirthliche Nachricht und naturmässige Anweisung zur wilden Baum-Zucht. Leipzig: Braun. Chakravorty, Ujjayant, Marie-Hélène Hubert und Lina Nøstbakken. 2009. Fuel versus food. Annual Review of Resource Economics 1(1):645–663. Hauff, Volker (Hrsg.). 1987. Unsere Gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Greven: Eggenkamp. Henkel, Anna. (2016). Natur, Wandel, Wissen. Beiträge der Soziologie zur Debatte um nachhaltige Entwicklung. SuN Soziologie und Nachhaltigkeit – Beiträge zur sozial-öko­ logischen Transformationsforschung 01, 2:1–23. 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