Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Institut für Soziologie
NACHHALTIGE STADTENTWICKLUNG IM SCHATTEN SPORTLICHER
GROSSEREIGNISSE
Eine Betrachtung festivalisierter Stadtpolitik unter Berücksichtigung von
Aspekten der nachhaltigen Stadtentwicklung am Beispiel Rio de Janeiros.
Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades
Bachelor of Arts (B.A.)
vorgelegt von: Thomas Kämpfe
Matrikelnummer: 119446
geboren am 27.09.1990 in 08393 Meerane
Erstgutachterin: Prof. Dr. Stefanie Hiß
Zweitgutachterin: Dr. Hristina Markova
Jena, den 07.08.2014
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung.................................................................................................................................1
2 Rio de Janeiro – Eine kontextgebundene Einführung..............................................................4
2.1Die Metropole – Gliederung und Bevölkerung.................................................................4
2.2Die Favela als Ort urbaner Anomie...................................................................................6
3 Theorie der Festivalisierung...................................................................................................10
3.1Festivalisierung der Stadtpolitik......................................................................................11
3.2Festivalisierung in Rio?...................................................................................................15
3.2.1Die festivalisierte Stadtpolitik Rio de Janeiros........................................................16
3.2.2Rios gestaffelte Festivalisierung..............................................................................23
4 Nachhaltige Stadtentwicklung...............................................................................................26
5 Zwischenfazit: Sind die Konzeptionen der nachhaltigen Stadtentwicklung und
festivalisierter Stadtpolitik miteinander vereinbar?...............................................................30
6 Projekte festivalisierter Stadtpolitik in Rio de Janeiro im Fokus der Nachhaltigkeit............32
6.1Der Bau von Sportstätten................................................................................................32
6.2Der Umgang mit Favelas.................................................................................................35
7 Kritische Reflexion................................................................................................................37
8 Fazit........................................................................................................................................39
9 Literaturverzeichnis................................................................................................................42
10 Eigenständigkeitserklärung..................................................................................................47
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Rios Festivals (eigene Darstellung)....................................................................23
Abbildung 2: Areal CCB nach dem Umbau..............................................................................30
Abbildung 3: Areal der Keramikfabrik CCB............................................................................30
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Auswirkungen der WM auf die städtischen Haushalte in Reais .............................18
Tabelle 2: Prognosen der Gesamtkosten der WM in Mio. Reais .............................................21
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BOPE
Batalhão de Operação Especial (Spezialeinheiten der Militärpolizei)
BRT
Bus Rapid Transit (Schnellbus-Linien)
CISM
Conseil International du Sport Militaire (International Military Sports Council)
EM
Europameisterschaft
FIFA
Fédération International de Football Association (Internationale Föderation des
Association Football)
IBGE
Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (Brasilianisches Institut für
Geographie und Statistik)
IOC
International Olympic Comittee (Internationales Olympisches Komitee (IOK))
PASO
Pan American Sports Organization (Panamerikanische Sportorganisation
(PSO))
PPP
Private-Public-Partnership (Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP))
UEFA
Union des Associations Européennes de Football (Vereinigung Europäischer
Fußballverbände)
UPP
Unidade de Polícia Pacificadora (Polizeiliche Befriedungseinheiten)
WM
Weltmeisterschaft
ZEIS
Zona de Especial Interesse Social (Soziale Sonderzone)
1
Einleitung
„Die Tore Brasiliens sind geöffnet für das größte Fest der
Menschheit: die Olympischen und Paralympischen Spiele
in Rio de Janeiro, einer der schönsten und einladenden Städte
auf der ganzen Welt. Dafür benötigen wir die Hilfe und die
Zukunftsvision der Damen und Herren. Rio ist bereit. Geben
sie uns die Chance, Sie werden es nicht bereuen. Wir sind uns
sicher: die Olympischen Spiele in Rio werden unvergesslich;
sie werden voller Leidenschaft, Fröhlichkeit und Kreativität des
brasilianischen Volkes sein.“ (sic!) (Luiz Inácio Lula da Silva1)
Das sind die Schlussworte des zum damaligen Zeitpunkt amtierenden brasilianischen Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva in seiner Rede vor der Generalversammlung des internationalen Olympischen Komitees (IOC) am 2.Oktober 2009, die den Abschluss der Bewerbung Rio de Janeiros für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2016 bildet. In besagter
Rede geht der damalige Präsident immer wieder auf die Chance ein, die dem brasilianischen
Volk und der Metropole Rio de Janeiro somit eingeräumt würde und auf das Vermächtnis,
dass die Stadt damit hinterlassen kann (vgl. Lang 2009). Damit spricht er – bewusst oder unbewusst – eine neue Form von Stadtpolitik an: die Festivalisierung. Gemeint ist hierbei eine
Stadtpolitik, die gezielt auf ein bestimmtes massen- und medienwirksames (Groß-)Ereignis
(wie beispielsweise Weltausstellungen, Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele) ausgelegt ist.
Neben dieser Festivalisierung der Stadtpolitik, welcher sich die Stadt aus individuellen Gründen zuwendet, ist die nachhaltige Stadtentwicklung ein zweiter großer Einflussfaktor auf die
moderne Stadtpolitik. Im Gegensatz zur Festivalisierung kommt der Impuls der Nachhaltigkeit jedoch nicht von der Stadtpolitik selbst, sondern wurde 1992 auf der „Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung“ von allen Mitgliederstaaten vereinbart. Entscheidet man sich also für eine, auf Großereignisse ausgerichtete Stadtpolitik, gilt es diese mit
dem Konzept der nachhaltigen Stadtentwicklung in Einklang zu bringen. Die Frage, die sich
nun stellt, ist, ob sich diese beiden Einflussfaktoren moderner Stadtpolitik und -entwicklung
ausschließen oder miteinander vereinbar sind. So ergibt sich auch die Frage, die die vorliegende Arbeit zu klären versucht: Inwiefern kann die Festivalisierung der Stadtpolitik zu einer
nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen?
Besprochen wird diese Frage am Beispiel der lateinamerikanischen Metropole Rio de Janeiro.
Die Wahl dieser Stadt als exemplarischer Untersuchungsgegenstand ist durch zwei Faktoren
1
Quelle: Lang 2009.
1
zu begründen. Zum einen durch die Aktualität, welche durch die 2014 stattfindende FIFAWeltmeisterschaft in Brasilien mit dem Finale im Maracanã-Stadion sowie der eingangs beschriebenen 2016 anstehenden Olympischen Spiele gegeben ist. Zum anderen stellt Brasiliens
zweitgrößte Stadt ein Paradebeispiel für die auf Großereignisse ausgerichtete Stadtpolitik dar
und bringt diese, mit einer Art gestaffelter Festivalisierung2 zudem auf eine neue Ebene. So
stehen innerhalb einer Dekade die Ausrichtung der Panamerikanischen Spiele3 (2007), der Military World Games (2011) und des Weltjugendtages (2013) sowie die FIFA-Weltmeisterschaft
(2014) und die Olympischen und Paralympischen Spiele (2016) zu buche. Erweitert wird diese Liste durch die Ausrichtung der oben erwähnten Konferenz für Umwelt und Entwicklung
(1992), das Stadtjubiläum 2015, den weltweit bekannten jährlichen Karneval sowie eine gescheiterte Bewerbung für die Olympischen Spiele 2004.
Auch wenn es das Ziel dieser Arbeit ist, einen ersten – sozialwissenschaftlichen 4 – Impuls bezüglich der Analyse festivalisierter Stadtpolitik in Verbindung mit Aspekten nachhaltiger
Stadtentwicklung zu geben, soll an dieser Stelle betont werden, dass es sich dabei tatsächlich
allein um einen Impuls handeln kann. Eine Evaluierung der Stadtpolitik Rio de Janeiros wird
dabei ebenso wenig wie eine Evaluation der Weltmeisterschaft angestrebt, denn das ist im
Umfang dieser Arbeit und zum aktuellen Zeitpunkt keineswegs möglich, da mit den Olympischen Spielen eines der Ereignisse noch nicht abgeschlossen ist sowie die Aktualität des Themas die Datenlagen (vor allem bezüglich der Weltmeisterschaft) erschwert. Vielmehr soll eruiert werden, ob die Festivalisierung der Stadtpolitik überhaupt in der Lage ist nachhaltige Entwicklungen anzustoßen und welchen Einfluss sie überhaupt auf nachhaltige Entwicklung ausübt sowie, wie es sich hierzu in Rio de Janeiro verhält, um abschließend einige Potentiale der
im Zeichen der aktuellen Ereignisse entstandenen Entwicklung zu erarbeiten. Es soll also an
der Stadt Rio de Janeiro exemplarisch diskutiert werden, inwiefern eine festivalisierte Stadtpolitik zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen kann.
So gilt es sich zu Beginn der Arbeit erst einmal dem Fallbeispiel Rio de Janeiro zu nähern, in
dem kurz die Stadt sowie die dort vorherrschenden Problem beschrieben werden (Kapitel 2),
wobei – dies kann an dieser Stelle bereits erwähnt werden – der Schwerpunkt auf die sozialen
Aspekte und Problematiken der Stadt gelegt wird, da dies meines Erachtens eine der größten
2
3
4
Siehe hierzu Kapitel 3
Die Panamerikanischen Spiele sind im Vierjahresrhytmus stattfindende, an die Olympischen Spiele
angelegte Wettkämpfe, welche für Athleten des amerikanischen Kontinents ausgerichtet werden.
Bislang gibt es zwar einige sozialwissenschaftliche Arbeiten zum Thema Festivalisierung (vgl. u.a.
Häußermann/Siebel 1993; Häußermann et al. 2008; Stratmann 1999) und eine Vielzahl von Arbeiten zum
Thema Nachhaltigkeit, jedoch maximal Ansätze zur Verbindung dieser beiden Themen (vgl. z.B. Gaffney
2013).
2
Herausforderungen lateinamerikanischer Städte und Metropolen darstellt. Der Grund für diese
Einschätzung ergibt sich aus der enormen Spanne zwischen Arm und Reich in vielen südamerikanischen Ländern5 – und dabei vor allem Brasilien – sowie der daraus resultierenden starken räumlichen wie sozialen Segregation bestimmter Gruppen in ebensolchen Großstädten.
Da diese Segregation, als Indikator für Desintegration, gesellschaftliche Ordnungslosigkeit
und damit ein gesteigertes Gewalt- und Kriminalitätspotential zur Folge hat, soll in diesem
Kontext die Theorie der urbanen Anomie vorgestellt werden, da die für brasilianische Städte
typischen Favela-Siedlungen eine Art Keimzelle dieser darstellen. Urbane Anomie und die
sich daraus ergebenden Konsequenzen sollen somit exemplarisch für die zentralen sozialen
Problemlagen der Metropole, die es im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu bearbeiten gilt, erörtert werden.
Im Anschluss wird die Theorie der Festivalisierung nach Häußermann und Siebel (1993) vorgestellt (Kapitel 3) um daraufhin zu erörtern ob und in welchem Maße sich die Stadt Rio dieser Form der Stadtpolitik bedient. Des Weiteren ist es unumgänglich das, im Rahmen der Arbeit verwendete Konzept von nachhaltige Stadtentwicklung zu definieren (Kapitel 4), um daraufhin ein erstes Zwischenfazit ziehen (Kapitel 5).
Nach dieser theoretischen Rahmung erfolgt die Zuspitzung der zuvor beschriebenen Themen,
indem einzelne Projekte die in Zusammenhang mit den zahlreichen urbanen Festivals der Metropole initiiert wurden, beschrieben und auf Aspekte der nachhaltigen Stadtentwicklung untersucht und diskutiert werden (Kapitel 6). Dabei handelt es sich zum einen um eine Betrachtung von Stadionbauten und deren Konsequenzen sowie den Umgang mit Favelas im Rahmen
der Festivalisierung. Abschließend gilt es ein Fazit (Kapitel 8) dahingehend zu formulieren,
ob festivalisierte Stadtpolitik im Allgemeinen Elementen der Nachhaltigkeit nachkommt und
wie es sich im Speziellen bei der Umsetzung der beiden theoretischen Konzepte auf die Praxis
im Untersuchungsraum Rio de Janeiro verhält. Außerdem soll – ausgehend von zuvor formulierten Potentialen – ein Ausblick für die weitere Entwicklung der Metropole, auch in Hinblick auf die kommenden Olympischen Spiele, gegeben werden.
5
Exemplarisch für die Ungleichverteilung zwischen Arm und Reich, soll hier auf den GINI-Koeffizient
verwiesen werden, dieser nimmt bei keinem südamerikanischen Land einen Wert unter 0,45 an, der Wert
Brasiliens lag 2009 bei 0,55. (vgl. Lexas Information Network 2014; Worldbank 2014)
„Der Gini-Koeffizient ist eine Maßzahl zwischen 0 und 1 zur Beschreibung der Ungleichheit der
Einkommensverteilung. Je ungleicher die Verteilung ist, desto näher liegt der Wert bei 1. Bei
Gleichverteilung hat der Gini-Koeffizient den Wert 0.“ (Statistisches Bundesamt 2014)
3
2
Rio de Janeiro – Eine kontextgebundene Einführung
Im Folgenden soll als Einführung in den empirischen Kontext der Arbeit ein Überblick über
den exemplarischen Untersuchungsgegenstand Rio de Janeiro gegeben werden. Zur späteren
Betrachtung der Stadtpolitik und stadtpolitischen Maßnahmen Rio de Janeiros erscheint es –
aus Verständnisgründen – fast unumgänglich, zumindest einen kurzen Einblick in die Strukturen der brasilianischen Metropole zu geben. Dazu erfolgt als erster Schritt eine kurze Darstellung der Metropole hinsichtlich ihrer sozialräumlichen Gliederung, Bevölkerung und den vorherrschenden sozialen Problemlagen der Stadt. Da die Problemlagen allerdings nicht losgelöst
von der brasilianischen Gesellschaft gesehen werden können, soll auf diese immer wieder Bezug genommen werden. Im Anschluss daran wird speziell das Problemfeld der Favelas genauer beleuchtet und in die Theorie urbaner Anomie eingebettet sowie anhand dieser erläutert.
2.1
Die Metropole – Gliederung und Bevölkerung
Sozialräumliche Struktur/Stadtgliederung:
Die Stadt Rio de Janeiro ist in die vier Verwaltungszonen (Zonas) Centro e Portuária (Zentrum und Hafen), Norte (Norden), Sul (Süden) und Oeste (Westen) unterteilt. Diese teilen
sich weiterhin in 65 subprefeituras (Stadtbezirke). Die Zone Centro e Portuária beherbergt dabei 2 % des Stadtbürgertums und beinhaltet das Geschäftsviertel im Zentrum sowie das Hafenviertel Portuária im Norden. Die Zona Norte, in der auf 46 % der urbanisierten Fläche über
50 % der Stadtbevölkerung leben, weist ein starkes sozial-räumliches Gefälle auf. So sind die
zentrumsnahen Gebiete (v.a. Tijuca, Villa Isabel, Rio Comprido) Mittelschichtswohngebiete
und teilweise auch von der Oberklasse bewohnt, während die restlichen Abschnitte eher der
niedrigen Sozialschicht vorbehalten sind (z.B. Mangueira, Complexo da Mare, Jacarezinho).
Die Zona Norte ist die Zone Rio de Janeiros, in der der Teil der Bevölkerung mit den schlechtesten sozioökonomischen Voraussetzungen lebt. Ebenso konzentriert sich ein Großteil (ca.
80 %) der Industriebetriebe6 der Stadt in dieser Zone. Auch die Zona Sul beherbergt Bewohner_innen, die den niedrigen Sozialschichten beziehungsweise der Unterschicht zuzuordnen
sind. Die Armenviertel (Favelas), in denen diese Menschen zuhause sind, befinden sich allerdings teilweise in direkter Nachbarschaft zu den reicheren Vierteln der Stadt, wie beispielsweise Copacabana, Ipanema oder Botafogo. Die Zona Oeste schließlich weist keine markanten Charakteristika, auf die in diesem Kontext zwingend Erwähnung finden müssten, wohl
auch aus dem Grund, dass sie trotz über 50 % des Stadtgebietes, die sie einnimmt, von gerade
einmal knapp einem Viertel der Bevölkerung besiedelt wird.
6
Die Stadt Rio de Janeiro wird vor allem vom tertiären Sektor und weniger vom sekundären bestimmt.
4
Das wohl markanteste und auch bekannteste Merkmal Rio de Janeiros ist die Anhäufung an
– für brasilianische und lateinamerikanische Städte charakteristische – Favela-Siedlungen, die
eine spezielle Form7 von Slums beziehungsweise Armenvierteln darstellen und sich über das
gesamte Stadtgebiet verteilen. Auf dieses Charakteristikum soll allerdings an späterer Stelle
(Kapitel 2.2.) mit einem gesonderten Fokus eingegangen werden.
Bevölkerungsstruktur8:
In der Stadt Rio de Janeiro leben – nach Angaben des IBGE (2014) – aktuell 6.320.446 Menschen, darunter in etwa 3 Millionen Männer und circa 3,2 Millionen Frauen. Knapp 40 % der
über 6 Millionen Cariocas9 leben in einer der über 700 Favelas (vgl. Glüsing 2013: 131f.). Betrachtet man die Metropolregion Rio de Janeiro sind es, mit 12.064.658, fast doppelt so viele
Einwohner_innen (citypopulation 2014). Das Stadtbürgertum ist dabei, mit knapp 1,5 Millionen Protestanten sowie circa 3,2 Millionen Anhängern des römisch-katholischen Glaubens,
ähnlich der brasilianischen Gesellschaft, christlich-religiös geprägt, was sich nach Höllinger
(2007) auch in der Lebensführung widerspiegelt. Obwohl 5,7 Millionen Bürger der Stadt eine
Schulbildung genossen, sind insgesamt gerade einmal 2.8 Millionen offiziell in Erwerbstätigkeit beschäftigt (IBGE 2014). Da sich dies jedoch nicht im Bruttoinlandsprodukt (BIP) der
Stadt niederschlägt, welches im Vergleich zu Brasilien (ca. 4.645,27 Reais), mit 32.940, 23
Reais (ebd.), einen enorm hohen Wert annimmt, lässt sich hier bereits eine starke soziale Ungleichheit erahnen, vor allem unter weiterer Betrachtung des GINI-Koeffizienten, welcher
einen Wert von 0,59 aufweist und somit deutlich über der „International Alert Line“ liegt (vgl.
UN-HABITAT 2010: 16).
Dieser kurze Überblick zur Bevölkerung Rio de Janeiros soll an dieser Stelle genügen und die
Überleitung zu den Problemlagen der Metropole, die somit bereits angesprochen wurden, darstellen.
Soziale Problemlagen der Stadt:
Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten dieses Kapitels angedeutet wurde, liegen die
Probleme Rio de Janeiros vorwiegend im sozialen Bereich, genauer gesagt in der sozialen Ungleichheit. Die Ursache hierfür ist allerdings nicht zwingend in der Urbanität zu suchen, vielmehr entwickelten sich diese sozialen Disparitäten historisch und sind sind somit in der
7
8
9
Der Begriff Favela bezeichnet im allgemeinen informelle Siedlung (wie sie speziell in Brasilien vorzufinden
sind) und steht mittlerweile stellvertretend für brasilianische Elends- und Marginalviertel. Die ersten Favelas
entstanden am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Rio de Janeiro. Zu Beginn noch in schwer
zugänglichen Regionen der Stadt gelegen, verteilen sie sich heute über den gesamten urbanen Raum.
Da dieser Gliederungspunkt möglichst klein gehalten werden soll, kann die Bevölkerungsstatistik Rio de
Janeiros nicht in seiner Gänze beschrieben werden, aus diesem Grund wird auf das brasilianische
Statistikamt IBGE (2014) verwiesen.
Carioca ist eine Bezeichnung für die Einwohner_innen Rio de Janeiros.
5
Gesellschaft Brasiliens verankert. So lässt sich die enorme soziale Divergenz der brasilianischen Gesellschaft auf die Kolonialzeit und die darauf folgende Unabhängigkeit des Landes
zurückführen.
„Bis zum heutigen Tag sind die Unterschichten in Brasilien äußerst schlecht vertreten und
politisch schwach (…), wohingegen die Eliten systematisch ihre Macht aufbauen und konzentrieren konnten. Im Gegensatz zu [beispielsweise, T.K.] Mexiko hat sich in Brasilien quasi nie eine
genuine revolutionäre Tradition etabliert, auf welche sich eine Linke hätte beziehen können, um
der Arbeiterklasse eine Identität und Richtung zum Ausgleich massiver Einkommens- und Besitzungerechtigkeit geben zu können.“ (Rothfuß 2012: 113)
Diese Ungleichheiten äußerten sich im Zuge der Urbanisierung in Form einer sozialräumlichen Segregation und damit verbundener sozialer Exklusion. „Nach Häußermann und Siebel
(…) bezeichnet sozialräumliche Segregation die räumliche Konzentration von Individuen,
welche der gleichen sozialen Schicht angehören und sich zugleich von anderen sozialen Gruppen räumlich als auch mittels eines bestimmten Milieus oder Lebensstils abgrenzt.“ (Bußler
2013: 16) Das Verhältnis von sozialräumlicher Segregation und sozialer Exklusion ist dabei
als Wechselwirkung zu sehen, die in ihrer Konsequenz zur Reproduktion und Verfestigung der
enormen Ungleichheit führt. Sichtbar wird diese Segregation dann beispielsweise in dem oben
beschriebenen, sozial-räumlichen Gefälle der Zona Norte, in welcher die Entfernung zum
Zentrum mit einer abfallenden Kurve sozioökonomischer Verhältnisse gleichzusetzen ist. Ein
weiteres, noch treffenderes Beispiel hierfür bietet die Zona Sul, in welcher die reichen Viertel
der Stadt in direkter Nachbarschaft zu einigen Favelas liegen. Auf diese Problematik soll im
nun folgenden Abschnitt detaillierter eingegangen werden.
2.2
Die Favela als Ort urbaner Anomie
Der Begriff der Anomie ist – im sozialwissenschaftlichen Kontext – auf Émile Durkheim zurückzuführen: So lässt er sich im Allgemeinen als „Zustand der Regellosigkeit bzw. Normlosigkeit“ (Fuchs-Heinritz et al. 2011: 38) beschreiben. Außerdem ist er zum einen als Folge der
wachsenden Arbeitsteilung moderner Gesellschaften und zum anderen „als Folge der Ausweitung der menschlichen Bedürfnisse ins Unendliche“ (ebd.: 38) zu sehen. Dabei kann sich, laut
Durkheim, kein System gemeinsamer Regeln zwischen den Individuen der Gesellschaft entwickeln, da sie in einer zwar dauerhaften, jedoch ungenügend intimen Beziehung zueinander
stehen. Mit anderen Worten: Durkheim formuliert die Anomie als Regellosigkeit als Konsequenz der Anonymisierung moderner (urbaner) Gesellschaften. Es geht dabei nicht primär um
die Erklärung kriminellen oder schädlichen Verhaltens, sondern um abweichende Verhaltensweisen als Resultat der Störung gesellschaftlicher Funktionen (vgl. Hüpping 2005: 21). Ein
zweiter in diesem Kontext zu nennender Autor ist Robert King Merton, der die Theorie
6
Durkheims aufnahm und erweiterte. Mertons Verständnis von Anomie lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
„[Anomie ist der, T.K.] Zusammenbruch der kulturellen Ordnung in Form des Auseinanderklaffens von kulturell vorgegebenen Zielen und Werten einerseits und den sozial erlaubten Möglichkeiten, diese Ziele und Werte zu erreichen andererseits. Die Situation der Anomie übt auf die Indi viduen einen Druck zu abweichenden Verhalten aus und wird je nach Anerkennung oder Ablehnung der kulturellen Ziele und Werte oder der erlaubten Mittel durch verschiedene Formen der
Anpassung bewältigt.“ (Hüpping 2012: 38)
In gesteigertem Maße tritt die Anomie, so wie sie hier beschrieben wird in Zeiten (plötzlicher)
wirtschaftlicher Depressionen, bzw. in Zeiten „gesellschaftlicher Krisen“ auf.
Im folgenden soll die Konzeption der urbanen Anomie10, welche die Theorie in den Kontext
unserer Zeit einbettet, beschrieben und auf die Situation der Favelas in Rio de Janeiro bezogen werden.
Den Kern urbaner Anomie bildet – ähnlich wie es auch Durkheim und Merton beschreiben –
die Ordnungslosigkeit bzw. die Störung der kollektiven Ordnung. Aus dieser Ordnungslosigkeit resultieren im Wesentlichen fünf Bedingungen, welche wiederum miteinander in Beziehung stehen und als letzte Konsequenz in Gewalt und Kriminalität als Ausdruck der urbanen
Anomie gipfeln.
Den ersten Eckpfeiler der urbanen Anomie stellt die Verarmung dar, und zwar explizit der
Prozess der Verarmung und nicht der Zustand der Armut, da auch die Entfesselung der Gewalt
als Prozess zu verstehen ist (vgl. Eckardt 2009: 76). Dieser Prozess der Verarmung bedingt
und verstärkt die bereits angesprochene Ordnungslosigkeit, welche wiederum als ein maßgeblicher Impuls der Verarmung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen angesehen werden kann.
Die soziale Ungleichheit ist eine der prägenden Eigenschaften der brasilianischen Gesellschaft, die Ärmsten 10 % der Gesamtbevölkerung verdienen 0,8 % des Einkommens während
die Reichsten 10 % 62, 1 % unter sich aufteilen, der Armutsanteil liegt bei 37, 5 % und der
GINI-Koeffizient weist einen Wert von 0,61 auf (vgl. Rothfuß 2012: 104 f.). Neben diesen
Zahlen, welche den Stand der Armut und nicht den Prozess der Verarmung beschreiben ist der
Fakt anzubringen dass Brasilien zwischen 1930 und 1980 das Land mit dem höchsten Wirtschaftswachstum weltweit war, jedoch ohne die soziale Ungleichheit zu verringern, sondern
diese eher weiter zu festigen11, so dass nachfolgende Maßnahmen gegen diese Ungleichheit,
wie beispielsweise die Einführung des Mindestlohnes 1990, dazu führten dass sich die Schere
zwischen Arm und Reich noch weiter öffnete (vgl. ebd.: 107). Ein weiterer Aspekt der die
10 In Anlehnung an Eckardt (2009).
11 Als Vergleichsdimension soll hier wiederum der GINI-Index dienen, dieser verlief wie folgt: 1960: 0,59;
1970: 0,63; 1980: 0,62; 1990: 0,63.
7
Verarmung in Brasilien unterstreicht, ist die Tatsache dass in den 1970er Jahren in Rio de Janeiro circa 80 Favelas mit knapp 140.000 Bewohner_innen geräumt und in 35 Wohnkomplexe
umgesiedelt wurden, in den folgenden Jahren jedoch die Zahl der Favelas – auf aktuell über
700 – weiter anstieg (vgl. Rothfuß 2012: 133).
Eine zweite Bedingung, welche in direktem Zusammenhang mit der oben beschriebenen Verarmung steht ist der geschlechtliche Rollenkonflikt. Das soll heißen, dass durch die
vorherrschende Armut sowie die fortschreitende Verarmung der Bevölkerung das klassische
Rollenbild von Mann und Frau nicht hergestellt beziehungsweise aufrechterhalten werden
kann. Eine Konsequenz dieser Verarmungsprozesse ist, dass Männer oft unehelichen wie ehelichen Kindern keinen Unterhalt bezahlen, da dies für sie, allein aus ökonomischen Gründen
nicht möglich ist und somit zumindest der Teil der Männer der die Vaterrolle eigentlich annehmen will, dies nicht kann. Oft haben die haben Frauen aufgrund des christlich-religiösen
Konservativismus – welche im Übrigen auch als Grund für den Rollenkonflikt an sich verstanden werden kann – nicht die Möglichkeit diesem Vorgehen etwas entgegenzusetzen (vgl.
Höllinger 2007: 178 ff.). Als eine weitere Konsequenz aus diesem nicht erfüllten Rollenbild
kann Gewalt als symbolischer Kampf um Anerkennung angesehen werden um den Rollenkonflikt zu kompensieren. So kommt es, dass der Drogenhandel in den Favelas hauptsächlich auf
die männlichen Jugendlichen Anziehungskraft ausübt, um zum einen die fehlende Anerkennung zu bekommen und zum anderen womöglich das Rollenbild doch durch den „ökonomischen Erfolg“ zu erfüllen und als Versorger der Familie agieren zu können: „Junge Männer,
gelegentlich sogar Kinder, werden als olhão, avião oder soldado – als Informant, Bote oder
bewaffneter Bandit – in die Drogengeschäfte verwickelt, wobei die arbeitslosen Jugendlichen,
die täglich den Luxus der Zona Sul vor Augen haben, eine unerschöpfliche Reservearmee bilden.“ (Ribbek 2003: 167)
In direktem Zusammenhang mit dem geschlechtlichen Rollenkonflikt steht – in Form einer
Orientierung an Kompensationsstrategien – die Orientierung am Verhalten anderer. So folgt
aus der Ordnungslosigkeit der Gesellschaft eine Orientierungslosigkeit des Individuums. In
Anlehnung an Durkheim kann konstatiert werden, dass aus der mangelnden Integration bestimmter sozialer Gruppen im urbanen Raum in Verbindung mit der Störung der kollektiven
Ordnung, nicht nur die Krankheit der Gesellschaft sondern auch die Krankheit des Einzelnen
resultiert (vgl. Eckardt 2009: 77). Als Folge dieser Orientierungslosigkeit kann die Ausrichtung des eigenen Verhaltens am Verhalten anderer (Favela-Bewohner_innen) gesehen werden.
Des Weiteren spielt in diesem Zusammenhang auch die geografische Nähe einiger Favelas zu
den reicheren Vierteln der Stadt eine Rolle. Wie im oben beschriebenen Beispiel der Zona Sul,
8
haben die Favelados12 täglich den (luxuriösen) Lebensstil der angrenzenden Mittel- und Oberschicht vor Augen, zu dem ihnen das nötige ökonomische, soziale sowie kulturelle Kapital
fehlen. Es existiert so also zum einen der Wunsch den eigenen Lebensstandard zu steigern beziehungsweise an den der benachbarten Stadtviertel anzugleichen, und zum anderen sieht
man, wie Menschen mit ähnlichen Voraussetzungen mit dieser Problematik umgehen. In vielen Fällen mündet diese Orientierung an anderen Stadtbewohner_innen in Kriminalität und
Gewalt.
In direktem Maße bedingt sich die Orientierung am Verhalten anderer mit der Abschottung
des Individuums, denn da „diese Imaginationen weitgehend individualisiert und unstrukturiert
ablaufen, schützt sich der Einzelne durch Abschottungsstrategien, die in in ihrer Summe soziale Exklusionsmechanismen in verschärfter und vielfältiger Form hervorrufen, wodurch
wiederum Anomie erzeugt wird.“ (Eckardt 2009: 81.)
Als letzter – und wohl wichtigster – Eckpfeiler der urbanen Anomie ist die Desintegration zu
nennen. Diese bedingt sowohl die gesellschaftliche Ordnungslosigkeit als auch die Verarmung, so wie diese wiederum die Desintegration fördern und festigen, außerdem ist sie als ein
Auslöser der Abschottung zu begreifen. Die Favelas Brasiliens, somit auch Rio de Janeiros
sind Paradebeispiele urbaner Desintegration, Dies ergibt sich allein aus dem Nebeneinander
von Favela und Asfalto13, denn somit wird die Favela offiziell von der restlichen Stadt abgegrenzt. Man könnte also die Favela-Bevölkerung auch als Paria-Volk (vgl. Rothfuß 2012:
130 f.), also als Ausgestoßene beziehungsweise Außenseiter, bezeichnen. „Sie sind zwar formal Teil des brasilianischen Staates, in der effektiven Umsetzung staatsbürgerlich verbriefter
Rechte im Alltagsleben kommen die Menschen aus den Favelas doch viel eher »Staatenlosen«
gleich, denen diese bürgerlichen Rechte letztlich vorenthalten werden.“ (ebd.: 131) Die Favelas gelten aufgrund ihres illegalen Entstehens als „informelle Stadt“, dies führt dazu, dass zumeist auch keine legalen Mietverträge und ähnliche offizielle Dokumente existieren, woraus
wiederum resultiert, dass auch Polizei und Politik sich nicht für diese Viertel verantwortlich
fühlten und es eher zur Ausbeutung als zur Unterstützung der dortigen Bevölkerung kam. 14
Als direkte Konsequenz dieser räumlichen Exklusion ist die soziale Exklusion der Favelados
zu sehen. Dies bestätigt auch der Fakt, dass 84 % der Bewohner_innen, das Stigma des Wohnortes als prägnantestes Merkmal der „Marginalität ihrer Existenz“ ansehen (vgl. Perlman
2004, Perlman 2005).
12 So werden die Bewohner_innen der Favelas bezeichnet.
13 „Asfalto bezeichnet alle formellen Stadträume jenseits der Favela.“ (Rothfuß 2012: 132)
14 Als konkretes Beispiel ist hier anzuführen, dass die städtischen Versorgungsunternehmen sich lange Zeit
nicht für die Versorgung der Favelas mit Infrastruktur, Strom, Wasser und Abwasser zuständig fühlten (vgl.
Rothfuß 2012: 132).
9
Diese fünf Faktoren, welche alle im Mindesten aus der Störung der kollektiven Ordnung beziehungsweise der Ordnungslosigkeit der urbanen Gesellschaft resultieren sowie diese teilweise bedingen, führen zu Gewalt und Kriminalität als Ausdruck der urbanen Anomie. Erweitert wird diese Form abweichenden Verhaltens durch die Interferenz zwischen tatsächlicher
Gewalt und der Angst davor (vgl. Eckard 2009: 79). Diese Angst schlägt sich dann in der Omnipräsenz der Gewalt nieder – und das nicht allein in den Favelas, sondern auch im Stadtzentrum Rios. So ist auch für circa 60 % der Bewohner_innen die Gewalt und Kriminalität das
Faktum, das sie am meisten am Leben in Rio de Janeiro stört (vgl. Rothfuß 2012: 135)
Die urbane Anomie äußert sich also durch hohe Kriminalitäts- und Gewaltraten sowie ein gesteigertes Gewaltpotential und, wie bereits beschrieben, erhöhte Angst vor Gewalt im urbanen
Raum. „Über 50 000 Menschen sterben [in Brasilien, T.K.] jedes Jahr eines gewalttätigen Todes, die meisten sind dunkelhäutige junge Männer zwischen 15 und 25.“ (Glüsing 2013: 136)
Und auch in Rio nimmt die Kriminalität und Gewalt Formen an, die in einem Land wie
Deutschland kaum vorzustellen sind, „[d]ort werden bei einer fast zehnmal größeren Bevölkerung nur ungefähr ein Drittel so viele Morde begangen.“ (Eckard 2009: 74) Vor allem Jugendliche sind von diesen betroffen, denn Mord ist die häufigste Todesursache der brasilianischen
Jugend, 40 % aller Opfer sind, wie bereits mehrfach erwähnt, zwischen 15 und 25 Jahre alt
(vgl. Glüsing 2013: 145).
Abschließend ist also festzustellen, dass die urbane Anomie als Kern der enormen Gewalt und
Kriminalität in Rio de Janeiro anzusehen ist. Die fünf genannten Eckpfeiler – darunter vor allem die Desintegration – und ihr Kern, also die Störung kollektiver Ordnung deuten bereits
an, dass die soziale Nachhaltigkeit in der Politik in ungenügendem Maße Beachtung fand und
aus diesem Grund eine nachhaltige und integrative Stadtentwicklung ein maßgebliches Instrument der Stadtpolitik darstellen sollte. Außerdem sprechen die im Vergleich zu Europa und
Deutschland gewaltigen Kriminalitätsraten für die eingangs angerissene Einschätzung, dass
die sozialen Belange in der Stadtentwicklung lateinamerikanischer Metropolen einen elementaren Stellenwert einnehmen.
3
Theorie der Festivalisierung
Im folgenden Kapitel soll die Theorie der Festivalisierung – und somit die theoretische Basis
der vorliegenden Arbeit – behandelt werden. Als Grundlage dient hierbei die Arbeit Die
Politik der Festivalisierung und die Festivalisierung der Politik von Häußermann und Siebel
(1993) aus dem von beiden Autoren herausgegebenem Leviathan-Sonderheft Festivalisierung
10
der Stadtpolitik. Neben diesen Ausführungen werden einige Sekundärtexte herangezogen, dabei handelt es sich vor allem um Bernhard Stratmanns (1999) Studie zu den Olympischen
Spielen 2000 in Sydney und Phyllis Bußlers (2013) Ausarbeitung Projektbezogene Stadtentwicklung in Rio de Janeiro – Veränderungsprozesse, räumliche Segregation und soziale Exklusion im Rahmen der Vorbereitung auf die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele
2016.
Zu Beginn des Kapitels wird die Theorie von Häußermann und Siebel im Allgemeinen vorgestellt um daraufhin nachzuweisen, dass es sich bei der Stadtentwicklung und Stadtpolitik Rio
de Janeiros um eine solche, auf Großereignisse ausgerichtete Politik handelt. Abschließend erfolgt eine Erweiterung des Konzepts zur Festivalisierung der Stadtpolitik auf Grundlage der in
besagter Metropole stattgefundenen und weiterhin stattfindenden Ausrichtung der Stadtentwicklung im Sinne einer gestaffelten Festivalisierung.
3.1
Festivalisierung der Stadtpolitik
In ihrem 1993 erschienen Beitrag Die Politik der Festivalisierung und die Festivalisierung
der Politik beschreiben Hartmut Häußermann und Walter Siebel die Festivalisierung als eine
Politik der großen Ereignisse, die der Mobilisierung von Geldern, Menschen und Medien dienen soll (vgl. Häußermann/Siebel 1993: 8). Das Fest(ival) an sich ist dabei durch eine zeitlich
befristete Kampagne und ein räumlich begrenztes Ereignis mit meist thematischer Fokussierung definiert. Als Beispiel soll an dieser Stelle die EXPO15 2000 in Hannover dienen. Das Ereignis – in diesem Falle die Weltausstellung – fand in einem auf vier Monate befristeten Zeitraum (zeitlich befristete Kampagne) in der Stadt Hannover (räumlich begrenzt) unter dem
Motto Human being – Nature – Technology Energetic and space economy (thematische Fokussierung) statt (vgl. Bureau International des Expositions 2014b).
Neben der Begriffsdefinition stellen die Autoren Merkmale großer Ereignisse heraus (vgl.
Häußermann/Siebel 1993: 9 ff.):
Größe:
Alle vorhanden Ressourcen der Stadtpolitik werden auf das eine Projekt konzentriert, dies ermöglicht auch kleinen und finanziell schwächeren Akteuren die Ausrichtung solcher Ereignisse. Es ist jedoch zu beachten, dass mit zunehmender Größe auch eine Zunahme finanzieller
wie politischer Risiken einhergeht. Diese Zunahme begründet sich im Wesentlichen durch ein
Mehr an Investitionen und Erwartungen, das solche Events mit sich bringen. Bei schlechter
Umsetzung respektive dem Scheitern des Großereignisses sind dementsprechend auch die
15 Der Begriff EXPO steht für Exposition Mondiale und bezeichnet somit eine Weltausstellung (siehe Bureau
International des Expositions 2014a).
11
finanziellen Einbußen (z.B. bei Ausbleiben erwarteter Zuschauerströme) sowie die Enttäuschung auf Seiten der Öffentlichkeit (z.B. durch schlechte Rahmenbedingungen) größer.
Industriebrachen:
Für die Ausrichtung großer Ereignisse werden bevorzugt Flächen der industriellen Stadt genutzt. So sollen – im Zeitalter der Dienstleistungsgesellschaft – Lücken im urbanen Raum
wieder aufgefüllt werden. Hierzu ist der Tagebau Golpa-Nord im sachsen-anhaltischen Gräfenhainichen exemplarisch anzubringen, welcher nach seiner Schließung, ab 1995 im Rahmen
eines Projektes der EXPO 2000 zu einem Veranstaltungsgelände umgebaut wurde und heute
als Ferropolis bekannt ist (vgl. Ferropolis GmbH 2014).
Sonderorganisation:
Zumeist wird die Organisation großer Ereignisse in die Hände externer Organisatoren gelegt,
beispielsweise in Gesellschaften privaten Rechts. „Den politisch-administrativen Strukturen
wird die Lösung der Aufgaben fast nie zugetraut.“ (Häußermann/Siebel 1993: 9) Als Beispiel
für so eine solche Sonderorganisation ist wiederum die EXPO 2000 aufzuführen, bei der die
Organisation einer aus der Stadtpolitik ausgekoppelten Expo 2000 Hannover GmbH überlassen wurde.
Private-Public-Partnership:
„Private-Public-Partnership (PPP)16 bezeichnet das partnerschaftliche Zusammenwirken von
öffentlicher Hand und Privatwirtschaft mit dem Ziel einer besseren wirtschaftlichen Erfüllung
öffentlicher Aufgaben als bisher.“ (Bertelsmann-Stiftung 2014: 9) Diese PPPs sollen eine Reihe positiver Eigenschaften mit sich bringen: vor allem mehr Flexibilität, ein effektiveres Management, einen besseren Informationsfluss und schnellere Kooperationen garantieren. Neben
diesen Effekten haben die Private-Public-Partnerships aber auch die Funktion, privates Kapital zu mobilisieren.
Umsetzungsorientierung:
Wie bereits im Punkt Sonderorganisation beschrieben, soll die Planung und Ausrichtung des
Großereignisses von externen Akteur_innen ausgerichtet werden, zusätzlich dazu soll dies
noch in einer Hand geschehen. Damit ist natürlich nicht eine einzige Person, sondern eine Organisation gemeint, wie die ebenfalls schon als Exempel genannte Expo 2000 Hannover
GmbH.
16 Das Konzept der Private-Public-Partnerships kann an dieser Stelle nicht in seiner ganzen Komplexität
beschrieben werden. Zur Vertiefung soll deshalb auf die Bertelsmann-Stiftung (2014) verwiesen werden.
12
Wettbewerbsorientierung:
Da nahezu alle medien- und massenwirksamen Großereignisse der heutigen Zeit keine einmaligen Veranstaltungen sind, sondern meist in regelmäßigen Abständen in verschiedenen Städten weltweit stattfinden sowie zumeist von einer zentralen Organisation aufgrund einer vorangegangenen Bewerbung vergeben werden17, sind „[g]roße Ereignisse (…) in ihrem Kern Instrumente der Städtekonkurrenz.“ (Häußermann/Siebel 1993: 10)
Dieses letzte Merkmal großer Ereignisse – die Wettbewerbsorientierung – ergibt sich nicht zuletzt aus der fortschreitenden Globalisierung, bei gleichzeitiger Regionalisierung. So musste
die Stadt selbst früher kaum auf internationaler Ebene mit anderen Städten konkurrieren, da
der internationale Wettbewerb – wenn überhaupt – unter den Ländern stattfand.
„Heute dagegen müssen die Städte versuchen, unter finanziell restriktiveren Bedingungen neue
Entwicklungen anzuschieben, Innovationen zu stimulieren und Wachstum zu erzeugen. Sich international bemerkbar zu machen, sich weiterhin sichtbar als zukunftsträchtigen Standort anzubieten
und damit externe Investitionen anlocken zu wollen, ist eine der herausragenden Strategien („CityMarketing“)“. (ebd.: 13)
Das heißt also, Städte müssen sich immer wirksamer anbieten um auch International im Gedächtnis zu bleiben und greifen deshalb auf eine Stadtentwicklung durch Projekte – also auf
eine festivalisierte Stadtpolitik – zurück. Ein weiterer Grund für die Ausrichtung urbaner Entwicklungen auf große Projekte sind die damit erzeugten direkten Effekte, mit welchen man
versucht, auf unübersichtliche Problemlagen zu antworten. Bei diesen unmittelbaren Auswirkungen (direkte Effekte) handelt es sich um Investitionsschübe, den Ausbau der Infrastruktur
sowie zusätzliche Einnahmen aus dem Tourismus; außerdem verspricht man sich so Anstoßund Ausstrahlungseffekte auf die Stadtqualität und das Image der Stadt – also Folgeinvestitionen Dritter. Die Großereignisse sind somit im Allgemeinen Mittel zum Zweck, man kann also
nicht von „Stadtpolitik für ein Festival sondern [von, T.K.] Festivalisierung der Stadtentwicklung“ (ebd.: 15) sprechen.18 Großereignisse werden somit „als Mittel betrachtet, mit dessen
Hilfe es möglich sein soll, die eigene Stadt nicht kurzfristig, sondern möglichst über den Terminus des Großereignisses hinaus – möglichst international – bekannt zu machen.“ (Stratmann 1999: 172) Es lassen sich im Wesentlichen also drei Faktoren als Gründe für eine Festivalisierung der Stadtpolitik zusammenfassen: ökonomischer Erfolg, mediale Präsenz und
Identität. Denn neben den ökonomischen Erträgen aus Tourismus und Investitionen sowie den
17 Als Beispiele sind hier unter anderem jegliche sportliche Kontinental- wie Weltmeisterschaften, aber auch
Weltausstellungen (Expos) oder bestimmte Feiertage wie der Weltkirchentag anzubringen.
18 An diesem Punkt soll auf Kapitel 3.2 verwiesen werden, da Rio de Janeiro ein passendes Beispiel für diese
Entwicklung darstellt.
13
damit verbundenen Arbeitsplätzen und der „Festivalisierung als mediengerechte Inszenierung
der Stadt“ (Häußermann/Siebel 1993: 15), ist ein weiterer Aspekt die Bewahrung einer identifikationsfähigen Stadt für das Bürgertum.
Jedoch ist an dieser Stelle anzubringen, dass sich diese Art der Politik zwischen den Polen des
reinen Fests und einer effektiven Instrumentalisierung für die Entwicklung einer Stadt positioniert. Um letzteres zu erreichen, bedarf es nach Häußermann und Siebel gewisser Kontextbedingungen von Akzeptanz und Erfolg. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Zustimmung und Unterstützung – mit anderen Worten also der Legitimation – der Mehrheit der Bevölkerung. „Die Bedingungen für den politischen Erfolg, die breite Akzeptanz des Ereignisses
bei der Bevölkerung davor und danach könnte (…) in einer Art Minderwertigkeitskomplex
gesucht werden, der durch die Tatsache, daß die Stadt für 14 Tage im Scheinwerferlicht der
Weltöffentlichkeit steht, kompensiert werden.“ (ebd.: 21) Neben dem Erfolg der stadtpolitischen Akteure und der Stadtpolitik an sich ist es natürlich auch der ökonomische Erfolg, der
angestrebt wird. Als good-practice-Beispiele für diese Verbindung von politischem und ökonomischem Erfolg großer Ereignisse sind die Olympischen Spiele in München 1972 19 und
Barcelona 1992 anzubringen. In beiden Städten wurden sowohl die breite Akzeptanz der Bevölkerung als auch ökonomische Erfolge im Sinne von (Folge-)Investitionen erreicht (vgl.
Häußermann/Siebel 1993: 20 f.; Garcia 1993; Geipel/Helbrecht/Pohl 1993). „Die Bedingungen für den Erfolg eines großen Ereignisses sind [also, T.K.] prekär. Aber die Gründe, es dennoch zu wagen, scheinen überwältigend zu sein.“ (Häußermann/Siebel 1993: 21) Diese überwältigend erscheinenden Gründe, die Attraktivität der Ausrichtung solcher Ereignisse, ist wiederum in den erwähnten politischen Erwartungen zu erklären. Dabei handelt es sich zum
einen um die Attraktivität nach „innen“, welche sich durch ein Gegenmodell zum Alltagstrott
der Verwaltung selbst äußert und zum anderen um Attraktivität nach „außen“, in Form einer
Verbesserung des Verhältnisses zwischen politischer Führung und Bürgertum. (vgl. ebd.: 21)
Die Festivalisierung stellt also einen neuen Typus von Politik dar. Zu begründen ist dieser
Trend, neben den drei zuvor erwähnten Faktoren, dadurch, dass Städte in der heutigen Zeit für
den Großteil der Bevölkerung nicht mehr den gemeinsamen Ort des Alltags darstellen, vielmehr erfolgt eine Segregation der Stadtbevölkerung in verschiedene Gruppen mit stark divergierenden Interessen, was wiederum die Erosion des Stadtbürgertums zur Folge hat. Großereignisse bieten sich der Stadtpolitik dann als Instrument für das (Wieder-)Herstellen städtischer Identität. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass tiefgreifen19 Im Falle der Olympischen Spiele in München sind die Erfolge natürlich allein auf die Stadtpolitik zu
beziehen und an dieser Stelle unabhängig von den Ereignissen um die israelische Olympiamannschaft zu
sehen.
14
dere Probleme der „normalen Stadtpolitik“ durch die Inszenierungen großer Ereignisse zumeist nicht beseitigt, sondern nur übertüncht werden (vgl. Häußermann/Siebel 1993: 23 f.).
Häußermann und Siebel fassen die Gründe zur Festivalisierung der Politik als neuen Politiktypus wie folgt zusammen:
„Wenn Politik die Interessen von Minderheiten aufgreift; wenn sie sich eher zurücknehmen muß,
damit Spielräume für individuelle Differenzierungen sich öffnen können; wenn sie eher dezentral
und prozeßhaft organisiert ist, also kleinteiliges Gebrösel betreibt; und wenn ihre sozialen und
ökologischen Erfolge unsichtbar bleiben, dann hat es die Politik immer schwerer, dauerhafte
Mehrheiten für ihre Unterstützung zu finden. Darin – so scheint es – liegt ein zentraler Grund für
die Attraktivität der Festivalisierung. Das Großprojekt soll die Handlungsfähigkeit von Politik beweisen und heterogene Mehrheiten zusammenbinden, wo sich aus der Struktur der Gesellschaft
und ihrer Probleme eine langfristig mehrheitsfähige Politik kaum mehr formulieren läßt.“
(ebd.: 26 f.)
Abschließend ist zur Festivalisierungstheorie der Stadtpolitik zu konstatieren, dass es im Wesentlichen zwei übergeordnete Ziele sind, die mit der Ausrichtung eines Großereignisses oder
Festivals – welches sich im Allgemeinen durch zeitliche Befristung, räumliche Begrenzung
sowie thematische Fokussierung auszeichnet – erreicht werden sollen. Zum einen ökonomische Effekte in Form von Einnahmen der Stadt (z.B. durch Tourismus oder Steuern) sowie Investitionen in die Stadt (direkte Investitionen, Folgeinvestitionen durch Anstoß- und Austrahlungseffekte) und zum anderen stadtpolitische Effekte in Form von Investitionsschüben zur
Beschleunigung von Prozessen (z.B. Ausbau der Infrastruktur), internationaler Sichtbarkeit
(Image der Stadt) und identitätsstiftenden Maßnahmen für das Stadtbürgertum. Um diese Ziele und Effekte zu erreichen, bedarf es allerdings der breiten Akzeptanz seitens der Bevölkerung und ebendieser Fakt macht die Festivalisierung zu einer so fragilen Form der Stadtentwicklung.
„Das ist die fatale Paradoxie der Festivalisierung der Politik: sie erscheint notwendig angesichts
der Erosion der kollektiven Basis einer demokratischen Politik – und zugleich befördert sie eben
diese Erosion. Die nachhaltige Wirkung der Politik großer Ereignisse liegt daher nicht nur in einer
fragwürdigen Festivalisierung der Stadtentwicklung, sondern auch in der Festivalisierung von
Politik.“ (Häußermann/Siebel 1993: 30)
3.2
Festivalisierung in Rio?
Im folgenden Abschnitt soll nun zum einen nachgewiesen werden, dass es sich bei der Stadtpolitik Rio de Janeiros um eine Form von Festivalisierung handelt und zum anderen wird die
These aufgestellt, dass diese dabei eine Abstraktion der Theorie darstellt. Zu Beginn erfolgt
der Nachweis über die Festivalisierung der Stadtpolitik in Rio de Janeiro – entsprechend einer
Überleitung von der reinen Theorie auf die Praxis. Hierzu sollen im ersten Schritt klar definierte Charakteristika – zum einen die Definition des Fest(ival)s und zum anderen die Merkmale großer Ereignisse – anhand der Stadtpolitik der brasilianischen Metropole erörtert
15
werden um im zweiten Schritt weitere Argumente, welche für die Festivalisierung sprechen,
anzubringen. Der zweite Unterpunkt widmet sich der Erweiterung der Theorie zur Festivalisierung auf Grundlage der Stadtpolitik Rio de Janeiros.
3.2.1
Die festivalisierte Stadtpolitik Rio de Janeiros
Als Ausgangspunkt der Festivalisierung soll festgestellt werden, dass es sich bei den aktuellen
Ereignissen – also der FIFA-Weltmeisterschaft 2014 und den Olympischen und Paralympischen Sommerspielen 2016 – um Festivals im Sinne der Autoren handelt20:
Zeitlich befristete Kampagne:
Sowohl die Fußball-Weltmeisterschaft als auch die Olympischen Spiele sind im Allgemeinen
auf eine Zeit von circa vier Wochen befristet. Bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien
handelte sich dabei um den Zeitraum vom 12. Juni bis 13. Juli 2014 und die Olympischen
Spiele in Rio de Janeiro werden vom 5. bis zum 21. August 2016 stattfinden.
Räumlich begrenztes Ereignis:
Auch diese Charakteristik lässt sich für beide Großereignisse nachweisen. So begrenzt sich
die Weltmeisterschaft auf das Land Brasilien, genauer gesagt auf zwölf brasilianische Städte,
in denen die Spiele des Turniers ausgetragen werden. Im Kontext der Arbeit handelt es sich
dabei speziell um das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro. Die Olympischen Spiele hingegen
finden allein in Rio de Janeiro statt, im Gegensatz zur WM lässt sich das (sportliche) Ereignis
an sich allerdings nicht auf eine einzelne Stätte beschränken, sondern zieht sich durch die
komplette Metropole. Genauer gesagt handelt es sich dabei um 37 Veranstaltungsorte, welche
sich auf die Stadtviertel Barra (auch: Barra da Tijuca), Copacabana, Deodoro und Maracanã
verteilen.
Thematischer Fokus:
Bei Fußball-Weltmeisterschaften ist es üblich, dass das Gastgeberland bereits mit der Bewerbung einen Slogan für das Ereignis einreicht, in den meisten Fällen soll diese Thematik die
Vorzüge beziehungsweise Besonderheiten des Landes in den Vordergrund stellen. So auch im
Falle der WM in Brasilien, die Weltmeisterschaft fand unter dem offiziellen Motto: Juntos
num só ritmo (All in one rhythm/Alle in einem Rhythmus) statt. Die Olympischen Spiele stehen sogar in doppeltem Sinne unter einem thematischen Fokus. Neben dem Olympischem Gedanken – Dabei sein ist alles – welcher als Motto der Olympischen Spiele der Neuzeit gilt, hat
jede einzelne Olympiade, ähnlich wie es bei den Fußball-Weltmeisterschaften ist, ein gesondertes Motto, im Falle Rio de Janeiros ist dies: Viva sua Paixão (Lebe deine Leidenschaft).
20 vgl. Kapitel 3.1.
16
Nachdem nun festgestellt wurde, dass es sich bei den beiden Ereignissen, die das empirische
Beispiel dieser Arbeit darstellen um Fest(ival)s handelt, gilt es im Folgenden aufzuzeigen,
dass auch die Merkmale großer Ereignisse, die Häußermann und Siebel definierten, in Rio de
Janeiro eine Rolle spielen:
Größe:
Die Stadt Rio de Janeiro fokussiert zwar nicht alle ihre finanziellen Ressourcen auf ein Projekt, mit 9,4% (1.693.240.000 Reais) des Jahreshaushaltes (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung 2014:
7) nimmt der Posten der Weltmeisterschaft 2014 jedoch einen hohen Stellenwert ein. Der
Grund, aus dem Rio de Janeiro nicht mehr finanzielle Ressourcen aufbringt beziehungsweise
aufbringen muss, liegt zum einen darin, dass die Weltmeisterschaft nicht das einzige Großereignis ist, welches die Stadt ausrichtet und zum anderen in der Größe der Metropole. Die
Konzentration aller Ressourcen auf ein Ereignis ist, wie in Punkt 3.1. beschrieben, eher kleinen und finanziell schwächeren Städten vorbehalten. Dies wird deutlich, wenn man die Stadt
Natal21 und deren Ausgaben für die Ausrichtung der Weltmeisterschaft betrachtet. Hier liegt
die Gesamtsumme der Ausgaben mit 372.438.397 Reais zwar deutlich unter der Rios, macht
allerdings mit 25,8 % mehr als ein Viertel des Jahreshaushaltes aus (vgl. ebd.: 7) (siehe Tabelle 1).
Auch die Olympischen Spiele nehmen einen Großteil städtischer Gelder in Anspruch, aktuell
werden die Ausgaben für dieses Ereignis auf circa 12 Milliarden Euro (36,7 Milliarden Reais)
geschätzt, außerdem werden die Kosten „zu 58 Prozent aus öffentlichen Mitteln gestemmt, die
Gesamtsumme wird jedoch wohl erst kurz vor dem Start der Spiele absehbar sein.“ (ZeitOnline 2014a)
Neben dieser Konzentration der vorhandenen Ressourcen formulieren die Autoren zusätzlich,
dass mit Zunahme der Größe auch die politischen Risiken steigen. Auch diese Konsequenz
konnte in Rio de Janeiro beobachtet werden, vor allem durch die zunehmenden Proteste im
Vorfeld der Weltmeisterschaft und während des Confederations-Cups22 2013 (vgl. u.a. ZeitOnline 2014b; Zeit-Online 2014c; Dilger 2014)
21 Natal, die Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grandedo Norte, liegt im Nordosten Brasiliens und hat im Kern
ca. 803.000 Einwohner_innen; im kompletten Ballungsraum Natal leben ca. 1,3 Millionen Menschen.
22 Der FIFA Confederations.Cup ist ein alle vier Jahre, jeweils im Vorjahr der Weltmeisterschaft stattfindendes
Turnier, an dem die sechs Kontinentalmeister, das Gastgeberland und der amtierende Weltmeister
teilnehemen. Das Turnier wird jeweils im Land der kommenden Weltmeisterschaft veranstaltet und kann
somit als eine Art Generalprobe der WM angesehen werden.
17
Tabelle 1: Auswirkungen der WM auf die städtischen Haushalte in Reais (Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung 2014:
7) (Stand: September 2013)
DCL=konsolidierte Nettoschuld; RCL=laufende Nettoeinnahmen (entspricht also dem Anteil des
Jahreshaushaltes)
(Industrie-)Brachen:
Im Kontext der Weltmeisterschaft und der Olympiade werden in Rio de Janeiro entgegen der
Theorie keine Lücken der industriellen Stadt gefüllt. Der Grund dafür ist wiederum mit der
Fülle der Großveranstaltungen der Stadt zu belegen, denn die wenigen industriellen Brachflächen wurden bereits im Vorfeld der Panamerikanischen Spiele 2007 gefüllt. So nutzt man in
Rio de Janeiro die aktuellen Großereignisse, um weitere Lücken des Stadtbildes zu füllen sowie einzelne Stadtteile miteinander zu verbinden. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise das Infrastrukturprojekt „Teleférico do Alemão“, eine 3,5 Kilometer lange Seilbahn die
über die Favela “Complexo do Alemão“ verläuft, die Parkanlage „Parque de Madueira“ in der
Nordzone Rios oder auch das Projekt Morar carioca, welches dem Versuch nachkommt,
einen Großteil der Favelas – auch über die Großereignisse hinaus – in die Stadtstruktur zu integrieren, zu nennen (vgl. Vejmelka 2013: 199 f.).
Sonderorganisation:
Entsprechend der theoretischen Erläuterungen wurde auch in Rio de Janeiro die Organisation
der beiden Großereignisse in externe, aus der Stadtpolitik ausgekoppelte Hände gelegt. So
gibt es zum einen jeweils eine Sonderorganisation durch die FIFA und das IOC (vgl. FIFA
2014; rio2016 2014a) und zum anderen ein von der Stadtpolitik gesondertes Comitê Popular
18
da Copa e das Olimpíadas (Volkskomitee der Weltmeisterschaft und Olympiade) sowie eine
innerhalb dieses Komitees zusammengeschlossene Zivilgesellschaft.
Private-Public-Partnership:
Im Vorfeld der beiden sportlichen Großereignisse schloss sich ein Private-Public-Partnership
aus öffentlicher Hand auf Bundes-, Landes- und Regionalebene, mit den Unternehmen OAS,
Odebrecht, Andrade Guiterrez und weiteren zusammen (vgl. Bußler 2013: 35). Die aus dieser
Partnerschaft hervorgegangenen Investitionen wurden zu großen Teilen für den Ausbau der
Infrastruktur verwendet (Metroausbau und Schnellbuslinien (BRTs)). In diesem Zusammenhang ist vor allem der Multinationale Konzern Odebrecht23 hervorzuheben, da dieser großen
Einfluss auf Bauprojekte in Brasilien besitzt und die meisten der Infrastrukturprojekte und
auch den Ausbau des Maracanã-Stadions verantwortete (vgl. Vigna 2013).
Umsetzungsorientierung:
Da der Punkt der Umsetzungsorientierung eng mit dem der Sonderorganisation verbunden ist
soll hier auch auf ein dort bereits erwähntes Beispiel verwiesen werden: das Comitê Popular
da Copa e das Olimpíadas. Und zwar aus dem Grund, da dies als Planungsorgan für beide
sportliche Großereignisse fungiert. Somit stellen einerseits die jeweils ausrichtende Organisation – also FIFA und IOC – ein Sonderkomitee für das jeweilige Ereignis, als Veranstalter des
sportlichen Events und andererseits stellt die Seite der Stadtpolitik ein Sonderkomitee, dass
für die Organisation beider Großereignisse verantwortlich ist. Beide Komitees haben speziell
für die Ausrichtung des Turniers
Wettbewerbsorientierung:
Die Hauptaussage dieses letzten Merkmals großer Ereignisse ist, dass Großereignisse in ihrem
Kern Instrumente der Städtekonkurrenz sind. Dazu ist anzuführen, dass bei Weltmeisterschaften sowie bei Olympischen Spielen im Wesentlichen immer eine Art der Städtekonkurrenz
mitschwingt. Bei Olympischen Spielen in dem Sinne, dass man immer in Konkurrenz mit den
vorangegangenen Austragungsorten steht und das Ereignis erst dann ein großer Erfolg ist,
wenn diese Vorgänger in der Ausrichtung der Spiele „übertroffen“ wurden. Ähnlich verhält es
sich bei der Ausrichtung einer Weltmeisterschaft, hier allerdings auf mehreren Ebenen, denn
zum einen herrscht Konkurrenz zwischen dem Gastgeberland und dessen Vorgängern sowie
den einzelnen Austragungsorten und deren Vorgängern und zum anderen zwischen den einzelnen Austragungsorten der WM untereinander. Mehrere Sachverhalte, die diese Ausführungen
untermauern, sollen im Folgenden erläutert werden.
23 Aufgrund des Umfangs der vorliegenden Arbeit kann nicht genauer auf die Rolle von Odebrecht in
Lateinamerika und Brasilien eingegangen werden, hierzu wird als Einführung in diese Thematik Anne
Vignas (2013) Artikel Odebrecht baut Brasilien in Le Monde diplomatique empfohlen.
19
So war die Weltmeisterschaft in Brasilien bereits bei einer ersten veröffentlichten Studie im
Jahr 2007 – mit 6 Milliarden US-Dollar (damals 10,6 Milliarden Reais) – die teuerste aller
Zeiten, bis September 2013 stiegen die Kosten jedoch noch weiter auf über 25 Milliarden
Reais an (vgl. Heinrich-Böll-Stiftung 2014: 4). Eng verbunden mit diesen enormen Kosten ist,
das Drängen Brasiliens darauf, anstatt der von der FIFA geforderten zehn WM-Stadien, zwölf
Stadien zur Verfügung zu stellen.
Auch die Olympischen und Paralympischen Spiele 2016 kosten bereits zum aktuellen Zeitpunkt mehr als die Olympiade 2012 in London: waren es 2012 letztendlich 11,3 Milliarden
Euro (9,3 Milliarden Pfund) (vgl. rp-online 2014; Kielinger 2012) sind es bereits jetzt 11,9
Milliarden Euro in Rio de Janeiro. Am kräftigsten untermauert wird die Aussage, Großveranstaltungen seien im Kern Instrumente der Städtekonkurrenz, durch eine Pressekonferenz von
Eduardo Paes, dem Bürgermeister Rio de Janeiros, vom 12.07.2014, in der er nicht nur prophezeit, die Olympischen Spiele in Brasilien würden die Weltmeisterschaft noch einmal toppen, sondern zusätzlich verspricht: „Es werden die besten Spiele aller Zeiten!“ (vgl. BadischeZeitung 2014)
Nachdem nun eruiert wurde, dass die formalen Kriterien der Festivalisierung in Rio de Janeiro erfüllt sind, gilt es noch einige weitere Argumente für diese – in Anlehnung an die Theorie
– anzubringen. Zu Beginn sollen die direkten Nebeneffekte erwähnt sein. Hierzu heißt es in
der Theorie, ein Grund für die Festivalisierung der Stadtpolitik seien die direkten Auswirkungen die man sich verspricht beziehungsweise die erreicht werden können, um so unter Anderem auf unübersichtliche Problemlagen zu antworten. Vor allem Infrastrukturmaßnahmen
werden in diesem Kontext vermehrt genannt. So stellt laut Prognosen der Heinrich-Böll-Stiftung (siehe Tabelle 2) auch in Brasilien die Infrastruktur den drittgrößten Posten unter den
Ausgaben.
Des Weiteren versuchte man in Rio de Janeiro auch auf unübersichtliche Problemlagen zu
reagieren und zwar die Thematik der informellen Stadt – also der Favela-Siedlungen 24. Hier
wurden zum einen Befriedungsaktionen durch die UPP (Polizeiliche Befriedungseinheiten)
und zum anderen Umsiedlungsprojekte durchgeführt. In Zusammenhang mit dieser starken
räumlichen und sozialen Segregation steht auch der Aspekt, die Großereignisse seitens der
Stadtpolitik zu nutzen um so die Mehrheit der Stadtbevölkerung für die alltägliche Politik zu
gewinnen. Denn in Rio de Janeiro gibt es einige – meist nach ökonomischen Faktoren zusammengesetzte – Gruppen mit stark divergierenden Interessen, welche sich meist auch räumlich
24 Auf die Problematik der Favelas sowie Lösungsansätze der Stadtpolitik in diesem Zusammenhang soll in
Kapitel 6 detailliert eingegangen werden, deshalb wird die Thematik an dieser Stelle lediglich angerissen.
20
voneinander abgrenzen, dies erschwert es die Bevölkerung mehrheitlich für die eigene Stadtpolitik zu gewinnen. Die Hoffnung besteht dann zum einen darin durch solche Ereignisse die
Stadt wieder zu einem gemeinsamen Ort des Alltags zum machen und zum anderen mit dem
Großereignis an sich die Mehrheit für eine stadtpolitische Maßnahme zu besitzen.
Tabelle 2: Prognosen der Gesamtkosten der WM in Mio. Reais (Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung 2014: 9)
Ein letzter Punkt ist die internationale Bekanntheit beziehungsweise – reziprok – der überstandene „Minderwertigkeitskomplex“ des Landes. So richtet man mit einer Weltmeisterschaft und Olympischen Spielen – mit teilweise über 3 Milliarden 25 Zuschauern (circa 46 %
der Weltbevölkerung) weltweit (vgl. Pflüger et al. 2014: 22) – wohl die, medial wirksamsten
und international bekanntesten Großveranstaltungen überhaupt aus. Der angesprochene Minderwertigkeitskomplex äußert sich in diesem Fall auf zwei Ebenen. Zum einen sind es teilweise die Medien die sich in einer solchen Art äußern, so heißt es beispielsweise in einem Beitrag
der französischen Zeitung Le Monde: „Brasiliens häufig beschworener "Straßenköterkomplex" schien überwunden. Dazu passte, dass die große Mehrheit der Bevölkerung voller
25 Als Bezugsgröße wurde hier die Zahl der Menschen gewählt die während der gesamten WM 2010
zumindest einmal kurz in die WM-Berichterstattung eingeschaltet haben. Es handelt sich dabei um 3,2
Milliarden.
21
Optimismus in die Zukunft blickte.“ (Dilger 2014) Andererseits weist allerdings auch die Landeseigene Politik auf einen solchen Komplex hin, so zum Beispiel der ehemalige Präsident
Luiz Inácio Lula da Silva unter Tränen nach der siegreichen Olympia-Bewerbung:„Da wir ein
koloniales Land waren, waren wir daran gewöhnt, uns nichts zuzutrauen. Wir dachten, manche Dinge könnten nur andere Länder schaffen.“ (zit. aus: Dilger 2014) Lula da Silva spricht
somit den Minderwertigkeitskomplex Brasiliens an und räumt damit diesem Sachverhalt
einen zentralen Stellenwert in der öffentlichen Debatte ein. Dies unterstreicht die große Bedeutung des identifikationstiftenden Aspektes für das konkrete Beispiel noch einmal.
Nachdem in diesem Abschnitt eruiert wurde, dass es sich bei der Stadtpolitik von Rio de Janeiro um eine Form der Festivalisierung handelt und dies an den beiden aktuellsten Ereignissen der Stadt erklärt wurde, soll im Folgenden auf weitere Großereignisse der Stadt eingegangen sowie an diesen aufgezeigt werden, dass es sich hier um eine spezielle Form der festivalisierten Stadtpolitik handelt: gestaffelte Festivalisierung.
22
3.2.2
Rios gestaffelte Festivalisierung
XV. Panamerikanische Spiele 2007
zeitliche Befristung:
räumliche Begrenzung:
thematischer Fokus:
13. Juli-29. Juli 2007
Rio de Janeiro, 16 Sportstätten +
PanAmerican Village
(sportliches Ereignis, ähnlich den
Olympischen Spielen)
Rio de Janeiro, 27
Veranstaltungsorte
Os Jogos da Paz!
(The Peace Games!)
Rio de Janeiro
„Geht hin und macht zu Jüngern
alle Völker“
Brasilien, 6 Städte
Rio de Janeiro, Maracanã-Stadion
(sportliches Ereignis, „Vorturnier“
der WM)
Brasilien, 12 Städte
Rio de Janeiro, Maracanã-Stadion
Juntos num só ritmo
(Alle in einem Rhythmus)
Rio de Janeiro (besonders zu
erwähnen: Sambódromo)
(450 Jahre Rio de Janeiro)
5. CISM Military World Games 2011
16. Juli-24. Juli 2011
XXVIII. Weltjugendtag 2013
23. Juli-28.Juli 2013
FIFA-Confederations-Cup 2013
15. Juni-30. Juni 2013
FIFA-Weltmeisterschaft 2014
12. Juni-13. Juli 2014
450. Stadtjubiläum 2015
ganzjährig
Olympische Spiele 2016
5. August-21. August 2016
Rio de Janeiro, 37
Veranstaltungsorte
Dabei sein ist alles!
(olympisches Motto)
Viva sua Paixão
(Lebe deine Leidenschaft)
Zusatz: Olympia-Bewerbung 2004 (gescheitert), Karneval (jährlich, immer 4 Tage im Februar)
Abbildung 1: Rios Festivals (eigene Darstellung)
Zum Abschluss dieses Kapitels soll im Folgenden eine, im Prozess der vorliegenden Arbeit
entstandene Erweiterung der Theorie zur Festivalisierung der Stadtpolitik – basierend auf Beobachtungen der Stadtentwicklung Rio de Janeiros in den letzten Jahren – erfolgen. Die zentrale These dieser Erweiterung ist dabei, dass es eine neue Form dieser Festivalisierung gibt,
welche gezielt mehrere Großereignisse verbindet um so Effekte der „einfachen Festivalisierung“ zu verstärken. Die Erläuterung der These gründet im Wesentlichen auf einen Mix aus
Beobachtung sowie Interpretation der brasilianischen Praxis und theoretischen Überlegungen.
Die Grundidee der gestaffelten Festivalisierung ist, die Stadt durch eine Verkettung diverser großer Ereignisse permanent im öffentlichen Fokus zu halten, um einerseits die
bloße Präsenz sowie Bekanntheit aufrecht zu erhalten und andererseits gewünschte Effekte
der Festivalisierung weiter zu verstärken. Neben der Metropole Rio de Janeiro – deren Konglomerat großer Ereignisse in Abbildung 1 zu finden ist – könnte in diesem Zusammenhang
23
beispielsweise auch die bayrische Landeshauptstadt München26 genannt werden.
Der erste zu erweiternde Aspekt ergibt sich bezüglich einer Verstärkung der Effekte formaler
Kriterien – also Merkmale großer Ereignisse – der Festivalisierung:
Größe&Anzahl:
Die Ausrichtung mehrerer Großereignisse impliziert, dass man von Ereignis zu Ereignis weniger finanzielle Ressourcen in den Bau und Ausbau diverser Stätten investieren muss, da Veranstaltungsorte, die für ein Festival errichtet wurden für spätere Großveranstaltungen wiederverwendet werden können. Mit einer Zunahme an derartigen Events sinkt also der finanzielle
Aufwand für Neubauten, besonders im Bereich sportlicher Großveranstaltungen. Beispielsweise können Unterkünfte (Olympisches Dorf o.Ä.) für spätere (Sport-)Veranstaltungen genutzt werden. Im Falle Rio de Janeiros ist diesbezüglich anzubringen, dass für die Olympischen Spiele 2016 lediglich 27 % der Wettkampfstätten gebaut werden müssen, da man auf
die bereits bestehenden Bauten der vorangegangenen Großereignisse (Panamerikanische Spiele, Militärolympiade und WM) zurückgreifen kann. (vgl. rio2016 2014b)
Auch die politischen Risiken steigen nicht nur mit zunehmender Größe, sondern auch mit zunehmender Anzahl der Festivals. Zum einen, da eine schlechte Umsetzung der Ereignisse sich
so stärker auf die Außendarstellung auswirkt (sowohl die Außendarstellung der Stadt gegenüber der Weltöffentlichkeit als auch die der Stadtpolitik gegenüber der Bevölkerung) und zum
anderen, da die Wahrscheinlichkeit, dass die mehrheitliche Unterstützung – und somit die
breite Akzeptanz – des Stadtbürgertums im Laufe der Zeit verloren geht, höher ist. Auch dieser Aspekt konnte im Prozess der Festivalisierung in Rio de Janeiro beobachtet werden, so
war zum Zeitpunkt der Vergabe der Olympischen Spiele 2016 – am 2. Oktober 2009 – die
Mehrheit der Bevölkerung Rios noch für die beiden kommenden Sportgroßereignisse (vgl.
Dilger 2014). Diese scheint spätestens mit den zu Beginn des Confederations-Cup 2013, einsetzenden Protesten interpretieren allmählich verloren zu gehen .
(Industrie-)Brachen:
Dieser Punkt beschäftigt sich mit Lücken der industriellen Stadt, die durch die Ausrichtung
von Großereignissen aufgefüllt werden können. Je mehr Festivals veranstaltet werden, desto
mehr Lücken können gefüllt werden, beziehungsweise können so auch nachdem diese Industriebrachen ersetzt wurden, einzelne Stadtteile mit den dadurch zur Verfügung stehenden Geldern verbunden werden, um so die Infrastruktur einerseits für das jeweilige Ereignis und
26 In München häufen sich die Großereignisse nicht in dem Maße Rio de Janeiros, jedoch sind hier die
Beteiligung an der WM 2006, das Finale der UEFA-Champions League 2012, die Bewerbung als ein
Austragungsort der EM 2020, die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 sowie das alljährlich
stattfindende Münchner Oktoberfest anzubringen.
24
andererseits nachhaltig für die Stadtbevölkerung auszubauen.27
Sonderorganisation&Umsetzungsorientierung:
Sind die auszurichtenden Ereignisse ,der gleichen beziehungsweise ähnlichen Kategorie zuzuordnen, also zum Beispiel Sportereignisse oder Kulturfeste, so ergibt sich die Möglichkeit,
alle Festivals in einer Hand zu organisieren um Ressourcen jeglicher Art so sparsam wie möglich zu verwenden und einen – im besten Falle – transparenten, geordneten Gesamtüberblick
zu behalten. Ähnlich ist es in Rio de Janeiro der Fall, hier existiert, wie bereits beschrieben,
das Comitê Popular da Copa e das Olimpíadas, welches sich mit der Organisation der Weltmeisterschaft und der Olympischen Spiele befasst. Es ist allerdings zu erwähnen, dass die besagten positiven Effekte in diesem Zusammenhang nicht erzielt werden konnten (vgl. ZeitOnline 2014d).
Die Sonderorganisation durch ein einziges Komitee auf Seiten der Stadtpolitik kann allerdings
auch hemmende Wirkung für den Prozess der Festivalisierung mit sich bringen, einerseits da
das angesammelte Wissen sowie die Ideen und das Know-How auf eine Elite verteilt sind und
bei Ausscheiden von wichtigen Akteur_innen plötzlich ein Loch entsteht. Andererseits ist zu
beachten, dass die Organisationen, die ein Festival an eine Stadt vergeben – wie beispielsweise FIFA, IOC oder PASO – jeweils eigene Sonderkomitees für das entsprechende Festival entsenden. So kann es zu einer Art „Kompetenzblockade“ kommen, da der „Masterplan“ der
Stadtpolitik durch Einflüsse von außen gestört wird.
Private-Public-Partnership:
Die Effekte von PPPs verstärken sich dahingehend, dass nun langfristigere Partnerschaften
möglich sind, um so beispielsweise größere Infrastrukturmaßnahmen unter der Legitimation
des Staates durchzuführen. „Die brasilianische Gesetzgebung unterstützt [im Übrigen, T.K.]
Private-Public-Partnerships (PPP).“ (Landeshauptstadt Stuttgart 2011: 19)
Wettbewerbsorientierung:
Die gestaffelte Festivalisierung kann sich, je nach Umsetzung, positiv oder negativ auf eigene
Position in der nationalen wie internationalen Städtekonkurrenz auswirken. Werden die diversen Festivals gut durchgeführt, laufen reibungslos ab und bleiben den Gästen und Fernsehzuschauern somit positiv im Gedächtnis, so erarbeitet sich die Stadt in kurzer Zeit ein positives
Image und somit auch einen Vorteil in Bezug auf die Städtekonkurrenz. Entwickelt sich die
gestaffelte Festivalisierung in die entgegengesetzte Richtung resultiert daraus eine negative
Position im internationalen Städtewettbewerb. Die Proteste in Rio de Janeiro weisen darauf
hin, dass die Entwicklung hier am Ende negative Effekte zur Folge haben wird. Eine präzise
27 Siehe Kapitel 3.2.1.
25
Aussage kann dazu allerdings zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht gegeben werden, sondern
frühestens nach der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2016.
Neben diesen Effekten, auf formelle Rahmenbedingungen der Festivalisierung gibt es jedoch
weitere Potentiale einer gestaffelten Festivalisierung, beispielsweise die Schaffung von Identifikations- und Gemeinschaftsbildern für die Bewohner_innen der Stadt durch eine Reihe
sportlicher Großereignisse. Das, sich voneinander entfremdende Stadtbürgertum erfährt einen
Moment der Vergemeinschaftung durch die gemeinsame Zelebrierung und Unterstützung der
Athleten des eigenen Landes. Durch ein zweites sportliches Großereignis – wie es in Brasilien
geplant ist – kann man dieses Momentum möglicherweise aufrechterhalten, der sportlicher Erfolg ist dafür natürlich maßgebliche Voraussetzung.
Ein weiterer Grund auf diese spezifische Form der gestaffelten Festivalisierung zurückzugreifen ist, dass die „normale Stadtpolitik“ stagniert, beispielsweise durch unübersichtliche Problemlagen, auf welche diese nicht mehr adäquat mit den zur Verfügung stehenden Mitteln reagieren kann. Auch dieser Aspekt lässt sich auf die Situation Rio de Janeiros projizieren, da
hier versucht wird, durch die Festivalisierung auf die Problematik der Favelas und des
schlecht ausgebauten Infrastrukturnetzes zu reagieren. Weiterhin ermöglicht diese Festivalisierungsform eine an sich langfristige Stadtentwicklung in kurzer Zeit durchzuführen, da so mehr
Investitionen – und vor allem auch Legitimation – von Seiten des Staates akquiriert werden
können.
Gestaffelte Festivalisierung also im Wesentlichen zum Ziel, die Effekte der „einfachen Festivalisierung“ zu verstärken und dabei vor allem Identifikation des Stadtbürgertums mit der
Stadt selbst und gemeinschaftliches Miteinander unter den Bürgern zu schaffen. Es ist allerdings nicht außer Acht zu lassen, dass die politischen Risiken sowie die Komplexität der
Durchführung mit zunehmender Anzahl an Festivals steigt und diese Form der Festivalisierung um ein vielfaches fragiler ist als die ursprüngliche.
4
Nachhaltige Stadtentwicklung
Im folgenden Kapitel soll die Idee der nachhaltigen Stadtentwicklung skizziert werden. Bevor
dies geschehen kann, gilt es sich allerdings dem Begriff der Nachhaltigkeit im wissenschaftlichen Kontext zu widmen. Nach dem dieser Begriff definitorisch geklärt wurde, soll erläutert
werden, wie dieses Konzept auf die urbane Entwicklung adaptiert werden kann um abschließend ein Beispiel für Maßnahmen nachhaltiger Stadtentwicklung anzubringen.
Der Begriff der Nachhaltigkeit fand bereits im Jahr 1713 in Zusammenhang mit Hans Carl
von Carlowitz und seinem ressourcenökonomischen Prinzip der Forstwirtschaft Erwähnung.
26
In den gesellschaftlichen Fokus rückte der Begriff dann allerdings erst wieder in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts, zum damaligen Zeitpunkt stand er allerdings vielmehr – entsprechend den Ausführung von Carlowitz' – für den Naturschutz. In den 1980er Jahren wandelte
sich die Definition des Begriffs – nicht zuletzt aufgrund der fortschreitenden Globalisierung –
und gewann noch einmal an globaler Bedeutung, wie auch Richard A. Matthew und Anne
Hammill festellten: „[T]he concept of sustainable development only became a prominent and
perennial feature of world affairs in the late 1980s with the publication of the Brundtland
Commissions´s landmark report, Our common future.“ (Matthew/Hammill 2009: 1117) Die
besagte Brundtland-Kommission sollte im Auftrag der Vereinten Nationen nach Antworten
auf weltweite Problemlagen im Bereich der Ökologie, der Ökonomie und des Sozialen suchen. So definiert die 'World Commission on Environment and Development' (WCED) 28
nachhaltige Entwicklung wie folgt: „Sustainable development is development that meets the
needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own
needs.“ (WCED 1987: 43) Es gilt also zukünftigen Generationen eine Welt zu überlassen, die
mindestens dem Standard der unsrigen entspricht. Da dies allerdings nicht allein mit dem Umweltschutz zu erreichen ist, „berücksichtigt [eine nachhaltige Entwicklung, T.K.], dass Umwelt- und Entwicklungsziele nur erreichbar sind, wenn ökologische, soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge gleichwertig betrachtet werden (3 Säulen-Modell der Nachhaltigkeit).“
(Möller 2010: 43)
Bei nachhaltiger Stadtentwicklung handelt es sich um „die Konkretisierung des Nachhaltigkeitsleitbildes für die lokale bzw. stadtregionale Ebene.“ (Weiland 2010: 343) Demnach gibt
es auch keine allgemein geltende Definitionen, vielmehr „muss jede Stadt ihre eigenen Ziele
und ihren eigenen Weg finden. Dabei ist die Bestimmung von Zielen der Stadtentwicklung
i.d.R. ein konflikthafter Prozess: je detaillierter Ziele ausformuliert werden, desto schwieriger
die Konsensfindung.“ (ebd.: 346) Als Grundlage hierfür dienen der Stadtpolitik einige, von
den Vereinten Nationen erarbeitete, Maßnahmenprogramme und Leitbilder wie beispielsweise
die Agenda 21 oder das Programm Habitat II.29 Diese Leitbilder weisen regionale Unterschiede bezüglich Inhalt und Umsetzung auf, da zum einen die Problemlagen und zum anderen die
Gegebenheiten und Entwicklungen der Städte im globalen Vergleich große Diversität aufweisen. Weiterhin gibt es Unterschiede bezüglich der Implikation dieser Leitbilder in die Politik
der beteiligten Staaten.30 In Europa geschah dies bereits in so gut wie allen Ländern. „Auch in
28 Bei der WCED handelt es sich um den offiziellen Namen der Brundtland-Kommission, unter diesem wurde
auch der Bericht Our common future veröffentlicht.
29 Siehe hierzu United Nations (1992) und United Nations (1996).
30 Mit beteiligten Staaten ist an sind an dieser Stelle alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen gemeint, da
sich diese auf die Implikation dieser Leitbilder verpflichtet haben.
27
lateinamerikanischen Städten sind manche Leitbilder bereits implizit vorhanden, z.B. werden
die Ziele einer gerechten Verteilung der Ressourcen oder einer Bekämpfung der Armut formuliert.“ (Landeshauptstadt Stuttgart 2011: 6)
Trotz dieser zu implizierenden Leitbilder und dem unterschiedlichen Umgang mit diesen, lassen sich einige allgemeingültige Aussagen zur nachhaltigen Stadtentwicklung treffen. Hier
soll Johannes Meyer (2013: 19) angeführt werden, der in seinem Buch Nachhaltige Stadtund Verkehrsplanung – Grundlagen und Lösungsvorschläge die Grundregel formuliert, vor allem vorhandene Städte zu erhalten. Weiterhin nennt er vier Leitlinien für den Erhalt kleiner
bis mittlerer Städte, welche auch auf große Städte und Metropolen adaptierbar sind:
„In erster Linie ist der Ortskern zu entwickeln. Entwickeln bedeutet nicht nur Instandhaltung oder
Instandsetzung der vorhandenen Gebäude, sondern schließt auch die Möglichkeit von Neubauten
für neue Bedürfnisse mit ein. Zweitens sind die übrigen Baugebiete zu entwickeln, zum Beispiel
Wohn- und Gewerbeflächen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Besteht dann noch
weiterer Baubedarf, sollten drittens größere innerstädtische Brachflächen wie stillgelegte Industrieanlagen oder Güterbahnhöfe umgenutzt werden; und nur wenn die Innenentwicklung nicht ausreicht um etwa eine starke Baulandnachfrage zu befriedigen, ist viertens die Siedlungsfläche zu erweitern, aber nicht dadurch, dass man neue Siedlungskerne im Außenbereich schafft, sondern indem man Lücken zwischen vorhandenen Siedlungsgebieten schließt oder bestehende Baugebiete
abrundet.“ (ebd.: 19)
Meyers Grundregel stellt eine allgemeine Anleitung, wie Stadtentwicklung durchzuführen ist ,
dar und nimmt dabei – wenn überhaupt – eine ökologische Nachhaltigkeitsperspektive ein.
einige Aspekte die die einzelnen Säulen charakterisieren.
Die ökologische Dimension beinhaltet Aspekte wie CO2-Neutralität, den Erhalt sowie die
Schaffung von Grünflächen oder den Naturschutz.So bezieht die soziale Nachhaltigkeit im
Bereich der Stadtentwicklung unter anderem Barrierefreiheit, Partizipation, das Vermeiden sozialer und räumlicher Segregation bestimmter Gruppen oder auch den Ausbau der sozialen Infrastruktur mit ein. Die ökonomische Säule bezieht sich auf Faktoren wie die Bezahlbarkeit
von beispielsweise Öffentlichen Verkehrsmitteln oder Mieten (also sozialer Wohnungsbau),
die Schaffung beziehungsweise den Erhalt von Arbeitsplätzen oder auch das Vermeiden von
unnötigen Neubauten anstelle der Restauration von Gebäuden und dem Erhalt alter Bausubstanz. Die Säulen der Nachhaltigkeit sind allerdings nie unabhängig zu betrachten, vielmehr
handelt es sich bei nachhaltiger (Stadt-)Entwicklung um eine enge Verzahnung der drei Säulen. So ist beispielsweise der Ausbau der Infrastruktur (öffentliche Verkehrsmittel) der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit zuzuordnen, da so die Mobilität der Stadtbevölkerung zu
bezahlbaren Preisen gewährleistet wird und dies auch meist zu bezahlbaren Preisen. Weiterhin
lässt sich eine solche Maßnahme aber auch der ökologischen Dimension zuordnen, denn so
wird eine Alternative zur Autonutzung und der damit verbundenen Umweltbelastung bereitgestellt. Schlussendlich spielt auch die ökonomische Nachhaltigkeit eine Rolle beim Ausbau der
28
Öffentlichen Verkehrsmittel, da so Arbeitsplätze geschaffen beziehungsweise erhalten werden
und, wie bereits erwähnt, eine für die Bevölkerung bezahlbare Möglichkeit der urbanen Mobilität bereitgestellt wird.
In Brasilien ist die nachhaltige Stadtentwicklung durch das Estatuto da Cidade – das brasilianische Rahmengesetz zur Stadtentwicklung – implementiert, dessen oberster Grundsatz das
Anrecht auf eine nachhaltige Stadt ist. Dies wird „verstanden als Recht auf urbanen Boden,
auf Wohnungen, Gewährleistung einer sauberen Umwelt, Transport, öffentliche Einrichtungen, Arbeit und Erholung.“ (Landeshauptstadt Stuttgart 2011: 7) Weitere Grundsätze dieses
implementierten Leitbildes sind: Partizipation, gerechte Verteilung des Grundbesitzes, Vermeidung von Spekulation und Unternutzung mit speziellem Bezug auf den Zugang der armen
Bevölkerung zu formalem Besitzrecht und Wohnraum (vgl. ebd.: 7). Neben diesem, für ganz
Brasilien, gültigem Rahmengesetz sind an dieser Stelle außerdem die strategischen Regionalflächennutzpläne31 der Stadt Rio de Janeiro zu erwähnen, welche sich auch unter dem Handlungsfeld der Stadtplanung mit Bürgerbeteiligung zusammenfassen lassen, denn „[d]ie Bevölkerung kann sich bei öffentlichen Anhörungen zum Strategischen Stadtentwicklungsplan und
zu den Strategischen Regionalflächennutzplänen äußern, zudem gibt es eine formelle Bürgerbeteiligung auf der Ebene der Unterbezirke (…) als unterste und bürgernächste Verwaltungsebene.“ (ebd.: 13) Weiterhin gibt es in Brasilien nationale, bundesstaatliche sowie kommunale
Programme zum sozialen Wohnungsbau, exemplarisch soll hier auf das wohl bekannteste nationale Mietwohnraum-Programm verwiesen werden: Minha casa, minha vida (zu deutsch:
Mein Haus, mein Leben).
Als abschließendes Fallbeispiel für Projekte nachhaltiger Stadtentwicklung sollen an dieser
Stelle die Wohnungsbauprojekt Mangueira I und II der Stadt Rio de Janeiro dienen. Hierbei
wurde in der Favela Mangueira, im Stadtteil São Cristóvão, das Gelände der seit Jahrzehnten
stillgelegten Keramikfabrik CCB, mit dem Zweck des sozialen Wohnungsbaus revitalisiert
(siehe Abbildung 2 und 3). „Die 296 Wohneinheiten des Projekts wurden Anfang 2010 von
der Stadt Rio de Janeiro gekauft, um sie einkommensschwachen Familien (Familieneinkommen bis 750 Euro/Monat) im Rahmen des nationalen Förderprogramms „Minha Casa, Minha
Vida“ zur Verfügung zu stellen.“ (ebd.: 29)
31 Die Grundlage der Strategischen Regionalflächennutzpläne bilden das Lei de Zoneamento (Gesetz zur
Flächennutzung) und die Projeto de Estruturação Urbanistica (Projekte zur Stadtstrukturierung) (vgl.
Landeshauptstadt Stuttgart 2011: 13).
29
„Die Wohnungsbauprojekte Mangueira I und II konnten 2010 als Pilotvorhaben einer nachhaltigen Nutzung von Brownfields abgeschlossen werden.“ (Landeshauptstadt Stuttgart 2011:
29) Damit ist, neben der sozialen und ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit – welche
durch den sozialen Wohnungsbau gegeben ist – also auch die Dimension der ökologischen
Nachhaltigkeit erfüllt.
5
Zwischenfazit: Sind die Konzeptionen der nachhaltigen Stadtentwicklung und
festivalisierter Stadtpolitik miteinander vereinbar?
Im Folgenden soll ein erstes Fazit gezogen werden und zwar bezüglich der Vereinbarkeit der
beiden zentralen Theorien der vorliegenden Arbeit: die Theorie der Festivalisierung der Stadtpolitik und die nachhaltige Stadtentwicklung. Oder mit anderen Worten: Ist die Festivalisierung der Stadtpolitik mit Kriterien nachhaltiger Stadtentwicklung vereinbar? Dabei gilt es allerdings allein die theoretischen Konzeptionen in Beziehung zu setzen und nicht etwa die
praktische Umsetzung zu analysieren, denn dieser Schritt soll dann im nächsten Kapitel folgen, in dem anhand von Projekten der festivaliserten Stadtpolitik in Rio de Janeiro, Aspekte
der Nachhaltigkeit diskutiert werden.
Als eines der zentralen Charakteristika nachhaltiger Stadtentwicklung ist der Ausbau der Infrastruktur zu nennen, da dieser – mit der Reduktion von Schadstoffen durch städtischen Autoverkehr, der Bereitstellung urbaner Mobilität sowie der Schaffung von Arbeitsplätzen – alle
drei Säulen der Nachhaltigkeit miteinbezieht. Und auch festivalisierte Stadtpolitik sieht den
Ausbau der Infrastruktur als wichtige städtebauliche Maßnahme an, da so gewährleistet werden kann, dass die Zuschauerströme zu den jeweiligen Ereignissen gelangen und weiterhin die
Stadt erkunden können. Konzipiert man die Infrastrukturprojekte also von vornherein so, dass
sie wichtige Stadtviertel miteinander verbindet und auch vom Großereignis unabhängige Orte
in das Netz mit eingebunden werden, können solche Maßnahmen nachhaltige Wirkung
30
besitzen. Ein weiterer Aspekt der in diesem Zusammenhang zu nennen ist, ist, dass öffentlichprivate Partnerschaften (PPPs) – die vor allem in Verbindung mit Festivals gehäuft Anwendung finden – für solche Projekte bessere Voraussetzungen bieten, da so eine gesetzlich legitimierte Kooperation städtischer Akteure entsteht, welche meist eine effizientere Umsetzung
zur Folge hat.
Des Weiteren beinhaltet nachhaltige Stadtentwicklung, dass es zu vermeiden ist, die Stadt unnötig expandieren zu lassen, um so die umliegenden Naturflächen zu schützen beziehungsweise nicht weiter zu schädigen. Aus diesem Grund gilt es Neubauten – wenn es solchen bedarf – im Bereich industrieller Brachflächen zu errichten. Auch bezüglich dieses Punktes gibt
es Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Theorien, so gilt es auch mit den meist unumgänglichen Bauten im Zuge der Festivalisierung, Lücken der industriellen Stadt zu füllen. Weiterhin können Stätten die als Unterkunft für Teilnehmer der Ereignisse dienen (z.B. Olympisches
Dorf) nach diesem als Wohnkomplexe genutzt werden und somit als ein Teil sozialer Wohnungsbaumaßnahmen konzipiert werden32.
Ein Faktor, der bezüglich der Festivalisierung als maßgebend angesehen wird ist die Umsetzungsorientierung. Diese meint, wie bereits beschrieben, dass die Organisation der Events
nach Möglichkeit in einer Hand liegen soll. Dieser Aspekt kann auch unterstützend auf die
nachhaltige Entwicklung wirken, da so auch ein Überblick über die aktuellen städtebaulichen
Projekte und Maßnahmen gewährleistet ist. Es ist somit möglich die beiden theoretischen Anleitungen für Stadtpolitik und -entwicklung eng verzahnt mittels einer Organisation zu verwirklichen. Ein zusätzlicher Effekt, den diese organisatorischen Strukturänderungen mit sich
bringt, ist die (Wieder-)Belebung der Stadtpolitik selbst und zwar in dem Sinne, dass die
stadtpolitischen Akteure aus dem Alltagstrott gerissen werden und so auch die Möglichkeit zu
neuen Impulsen bezüglich städtebaulicher Maßnahmen gegeben wird.
Der in Bezug auf Nachhaltigkeit vielleicht förderndste Faktor der Festivalisierung ist der Beschleunigungseffekt, den diese auslösen kann, denn, wie in Kapitel 3.1. beschrieben, kann ein
Großereignis die Beschleunigung bereits eingeleiteter Entwicklungen zur Folge haben. Somit
kann eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Stadtentwicklung verkürzt und verstärkt werden
sowie Folgeinvestitionen akquirieren, welche wiederum in weiteren Maßnahmen und Projekten angelegt werden können.
Neben diesen diversen, der Nachhaltigkeit dienlichen Aspekten soll allerdings thematisiert
werden, dass die Festivalisierung an sich nicht unbedingt dem Grundgedanken einer solchen
32 An dieser Stelle soll auf das Beispiel der Nutzung des Olympischen Dorfes von München verwiesen werden.
Dieses wird mittlerweile als Studentenwohnheim genutzt.
31
Entwicklung entspricht. Diesbezüglich sind vor allem die hohen Summen zu nennen die nicht
in städtebauliche Maßnahmen wie die Infrastruktur oder den Wohnungsbau fließen. Gemeint
sind dabei vorwiegend Stadionbauten für sportliche Events oder auch Shopping-Malls und
ähnliche Gebäude die den Gästen als zusätzliche Attraktionen zur Verfügung gestellt werden.
Hier gilt es auch die Nutzung nach dem Großereignis sowie die Notwendigkeit des eigentlichen Baues zu hinterfragen. Weitere negative Konsequenzen wurden von Collins et al. (2007:
459) zusammengetragen:
„...against any potential benefits of hosting sports events are likely to be a series of 'costs' that are
rarely considered in ex ante or ex post economic assessments. These might include the effects of
overcrowding and noise pollution, increased crime rates and 'hidden' costs associated with policing
and security, 'removal of undesirables', sanitization and property cost inflation around the venues.“
Zusammenfassend lässt sich für die Ausgangsfrage dieses Kapitels – sind festivalisierte Stadtpolitik und nachhaltige Stadtentwicklung miteinander vereinbar – konstatieren, dass zwar die
Festivaliserung an sich bezogen auf nachhaltige Entwicklung hinterfragt werden kann, einzelne Aspekte stadtpolitischer Maßnahmen allerdings die Nachhaltigkeit teilweise sogar fördern
können. So schlagen beide Theorien bezüglich der Bebauung die gleichen Brachflächen der
Stadt vor, beide fordern den Ausbau der Infrastruktur und die Beschleunigungseffekte der Festivalisierung können die nachhaltige Entwicklung einer Stadt zusätzlich noch vorantreiben. Es
bleibt jedoch abschließend zu erwähnen, dass die nachhaltige Wirkung der Festivalisierung
maßgeblich von deren Umsetzung abhängt.
6
Projekte festivalisierter Stadtpolitik in Rio de Janeiro im Fokus der Nachhaltigkeit
Nachdem in Form eines Zwischenfazits eruiert wurde inwiefern die Konzeptionen rein theoretisch miteinander vereinbar sind, gilt es nun die praktische Umsetzung am Beispiel Rio de Janeiros zu diskutieren. Dazu sollen zwei Projektkategorien genauer betrachtet und im Kontext
einiger Aspekte der Nachhaltigkeit besprochen werden. Es handelt sich dabei zum einen um
Entwicklungen und Maßnahmen im Zuge des Baus von Sportstätten für die diversen sportlichen Mega-Events der Metropole und zum anderen um die Vorgehensweise mit den städtischen Favela-Komplexen. Während letztere allein die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit –
unter anderem mit Bezugnahme auf die urbane Anomie – ins Blickfeld nehmen wird, sollen
zu Beginn alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit in der Diskussion Beachtung finden.
6.1
Der Bau von Sportstätten
Mit der Ausrichtung eines sportlichen Großereignisses ist so gut wie immer der Neu- beziehungsweise Umbau sowie die Sanierung von Sportstätten verbunden, so wird es beispielswei-
32
se bei den Olympischen Spielen 2016 insgesamt 37 solcher Wettkampfstätten geben, von denen zehn neu gebaut werden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass
acht Veranstaltungsorte nur temporär errichtet werden, um so die Etablierung „weißer Elefanten“33 zu vermeiden. Da sich die vorliegende Arbeit allerdings mit nachhaltiger Stadtentwicklung im Rahmen der Festivaliserung befasst, werden weniger solcher Projekte, als vielmehr
Projekte die auf ein dauerhaftes Bestehen ausgelegt sind, Beachtung finden.
Das wohl bekannteste Projekt bezüglich Rio de Janeiros Sportstättenbau, stellt die Sanierung
des bereits bei Rios erster Ausrichtung einer Großveranstaltung, der WM 1950, im Fokus stehende Estádio do Maracanã. Das Stadion erhielt im Vorfeld der WM eine Grundrenovierung,
deren Kosten sich auf 450 Millionen Reais (ca. 148,5 Millionen Euro) beliefen. Diese Renovierung beinhaltet eine Reduktion der Sitzplatzkapazität aus Sicherheitsgründen, die Überdachung des Stadion, den Bau eines 10.000 Stellplätze fassenden Parkplatzes sowie einer Shopping-Mall. „Ziel ist es, sich der Welt als eine „hochmobile globale Metropole“ zu inszenieren
(…). Dabei ist nicht nur das Aldeia Maracanã34 bedroht, an dem sich früher das Museu do Indio, das Museum indigener Kulturen befand, und das seit 2006 von verschiedenen indigenen
Gemeinden besetzt wird, sondern mit der Escola Friedenreich eine öffentliche Grundschule.“
(Bußler 2013: 39) Das Museu do Indio wurde im Übrigen im März 2013 von Spezialeinheiten
der Militärpolizei eingenommen und soll nun zu einem Olympischen Museum umgestaltet
werden. Des Weiteren wurde der, an das Maracanã-Stadion angrenzende Favela-Komplex
Mangueira bei den Umbaumaßnahmen außen vor gelassen wie Gaffney (2010: 20) anmerkt:
„The favela complex has been left out of the development project for the World Cup, placing
what will become an international tourist destination in painful proximty to a residential area
without basic infrastructure.“ Aus den durchgeführten Baumaßnahmen lässt sich also schlussfolgern, dass hier die nachhaltige Stadtentwicklung keine Beachtung fand und seitens der
Politik eher wirtschaftliche Faktoren im Vordergrund standen. So entsprechen der Abriss der
Grundschule sowie die Räumung des Museu do Indigo dem Gegenteil einer sozial nachhaltigen Entwicklung, da man einerseits Kindern die Chance auf Bildung verwehrt beziehungsweise erschwert und andererseits eine Einrichtung zur Erhaltung traditioneller brasilianischer
Kultur durch ein, auf (konsumorientierte) Touristen ausgerichtetes Museum ersetzt. Auch die
hohe Summe, die zum Teil in die Errichtung eines Shopping-Center und eines Parkhauses
floss, widerspricht dem Gedanken der ökologischen wie ökonomischen Nachhaltigkeit. Neben
33 Als weiß Elefanten bezeichnet man überflüssige Bauwerke, im Zusammenhang mit sportlichen
Großereignissen handelt es sich dabei zumeist um Stadien, die allein für das Ereignis konstruiert werden und
im Anschluss nicht keine Verwendung mehr finden (siehe hierzu z.B. Die Welt 2014a)
34 „Das Aldeia Maracanã ist eine Besetzung verschiedener indigener brasilianischer Völker und besteht seit
dem Jahr 2006.“ (Bußler 2013: 39)
33
diesen direkten Auswirkungen aus dem Bau des Stadions und seiner Nebenkomplexe, gibt es
weitere Konsequenzen für die (ärmeren) Bürger der Stadt. In diesem Zusammenhang ist vor
allem die zwei Kilometer umfassende Bannmeile der FIFA zu nennen, welche es allen nicht
von der FIFA lizenzierten Händlern verbietet ihre Waren zu verkaufen (vgl. Friedel 2014; goal
2013). Dies hat nicht nur zur Folge, dass offizielle brasilianische Händler und Lokalbesitzer
an Einkommen einbüßen, sondern auch der, für Rio typische und wichtige informelle Sektor
der Straßenhändler leidet stark unter dieser Auflage. Des Weiteren soll der Umbau des Stadions eine neue Besucherklasse aus internationalen Touristen und wohlhabenden Brasilianer_innen anziehen (vgl. Bußler 2013: 38) und somit auch einen Anstieg der Ticketpreise mit sich
bringen, wie auch der frühere brasilianische Sportminister Orlando Silva erklärte: „[T]he
World Cup will leave us among other things more attractive stadiums. Clubs will be able to
demand higher ticket prices, and our fottball will be able to finance itself better.“ (zit. aus:
Gaffney 2010: 20 f.) Als Konsequenz aus diesen Preiserhöhungen ist allerdings zu sehen, dass
damit den meisten Bewohner_innen Rio de Janeiros die Möglichkeit genommen wird kulturund identitätstiftenden Veranstaltungen – dem Fußball als National- und Volksport – beizuwohnen.
Ein weiteres Projekt, dass hier Erwähnung finden soll ist der Bau der Olympischen Golfanlage. Diese wurde in der Region Reserva da Marapendi, einem 1.180.000 Quadratmeter
großem Naturschutzgebiet angelegt. „The Reserva da Marapendi was one of the few remaining wetland spaces in the region and served as a significant lakeside biosphere reserve in a
region that has suffered from waterway pollution and a significant loss of wildlife.“ (Gaffney
2013: 3933) Für die Bebauung des Naturschutzgebietes änderte der Stadtrat Rio de Janeiros
sogar ein Gesetz zum Schutz dieser Region. Ebenfalls gab es eine Änderung der Limitierung
bezüglich der Höhe von Neubauten in diesem Teil der Stadt; waren es eigentlich sechs Etagen
die das Maximum darstellten, liegt die Grenze mittlerweile bei 22 Stockwerken, so dass nun
die Möglichkeit besteht dort 4- und 5-Sternehotels zu errichten, was wiederum als ein Anzeichen der Öffnung der Region für Immobilienspekulation zu interpretieren ist (vgl. ebd.:
3934), einem Aspekt der entsprechend des Leitbildes der nachhaltigen Stadtentwicklung sowie des Estatuto da Cidade zu vermeiden sind. Auch Golfe para Quem?(Golf für Wen?), eine
soziale Bewegung die sich gründete um den Bau der Anlage mithilfe öffentlichen Drucks zu
verhindern, scheiterte bei dem Versuch die Stadtpolitik umzustimmen. Somit widerspricht
auch dieses Projekt den drei Dimension der Nachhaltigkeit, da ein Enklave der Erholung und
Natur einem Komplex aus Hotels und einer Sportanlage, welche von einem Großteil der Bevölkerung schon aus rein ökonomischen Gründen nicht genutzt werden kann, weichen musste.
34
Am deutlichsten wurde jedoch die ökologische Säule der Nachhaltigkeit missachtet: „In short,
one of the the few remaining environmental protection in the Barra da Tijuca region has been
appropriated by the government, opened up for toxic land use patterns and handed over to a
private development firm for recreational and real-estate purposes.“ (Gaffney 2013: 3933)
Den Abschluss dieses Abschnittes sollen zwei Projekte bilden, die im Rahmen der Panamerikanischen Spiele 2007 durchgeführt wurden. Die Lagoa Rodrigo de Freitas, der Veranstaltungsort für die Kanu- und Ruderwettbewerbe sowohl der Panamerikanischen als auch der
Olympischen Spiele, war bereits seit 1954 eine öffentliche Sportstätte, welche von allen Bewohner_innen der Stadt genutzt werden konnte. Im Rahmen der Panamerikanischen Spiele
wurde das Gelände ebenfalls durch einen großen Freizeit-Komplex – mit Kinosälen, einer
Einkaufspassage, einem Food-Plaza und Parkplätzen – erweitert. Auch hier musste, ähnlich
dem Projekt Reserva da Marapendi, die Landschaft sowie der öffentliche Raum ökonomischen Interessen weichen, wie auch Curi et al. (2011: 150) feststellen:
„This initiative to appropriate the rowing stadium and incorporate it into an up-market commercial development involves much more than the destruction of an environmental and public landscape patrimony. This project replaces an activity in harmony with its surroundings with another use
that frustrates the contemplation of the beautiful natural landscape and aggravates the already
chaotic traffic in the area.“
Auch im Parque do Flamengo, genauer gesagt in Marina da Gloria, „a public space for all
the citizens, regardless of their class, ethnicity, or appearance“ (ebd.: 148), wurde im Zuge des
Ausbau der Region zum Veranstaltungsort der Segelwettkämpfe ein Einkaufskomplex errichtet und auch hier wurde die örtliche Vegetation zerstört. Beide Projekte stellen damit einen
massiven Einschnitt in die Natur Rio de Janeiros dar, die sich beispielsweise in der starken
Verschmutzung der Guanabara-Bucht und einem enormen Fischsterben – 65 Tonnen Fischkadaver wurden bereits in der Lagune der Ruderwettbewerbe geborgen – äußern (vgl. Die Welt
2014b). Außerdem gehen mit diesen Baumaßnahmen öffentliche urbane Räume, die von allen
Bürgern der Stadt, unabhängig von Einkommen oder Herkunft genutzt werden können verloren.
6.2
Der Umgang mit Favelas
Nachdem im vorangegangenen Abschnitt alle drei Säulen der Nachhaltigkeit besprochen wurden, soll im Folgenden speziell die soziale Dimension im Fokus stehen. Am Beispiel des Umgangs mit den Favela-Siedlungen der Metropole soll somit auch noch einmal Bezug auf die,
in Kapitel 2.2. beschriebene urbane Anomie genommen werden.
35
Bezüglich der Handhabung mit den Favela-Komplexen lassen sich zwei übergeordnete Strategien seitens der stadtpolitischen Akteure ausmachen: die Urbanisierung von Favelas und die
strategische Befriedung (vgl. Bußler 2013: 39 f.). Die Urbanisierung der Komplexe verläuft
im Wesentlich angekoppelt an das Projekt Morar Carioca, dieses wurde im Juli 2010 initiiert
und hat zum Ziel, alle Favelas bis zum Jahr 2020 sozial in die Stadt zu integrieren (vgl. Bußler 2013: 39). Die Integration soll dabei über den Ausbau der Infrastruktur, die Versorgung mit
öffentlichen Diensten sowie den Bau von Abwasserkanälen geschehen. Außerdem soll eine
Verbesserung des Zugangs zu Wohnraum gewährleistet werden, vorwiegend soll dies durch
die Umsiedlung von Familien aus Risikogebieten in Wohnungen des Wohnungsbauprojektes
Minha Casa, minha Vida stattfinden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass solche Umsiedlungen nicht immer im Einverständnis mit den Bewohner_innen verlaufen, sonder es sich teilweise um Zwangsumsiedlungen handelt. Exemplarisch für eine solche Zwangsumsiedlung
soll hier die Vila Autodromo – eine Favela in der Zona Oeste, nahe dem Viertel Barra da Tijuca – angebracht werden. Die Siedlung ist bereits seit 1992 von der Räumung bedroht, selbst
der 2005 erhaltene ZEIS-Status35, welcher eigentlich den Schutz solcher Siedlungen garantiert, änderte an den Plänen der Räumung nichts.
„Seit 1992 wurden insgesamt sieben Vorstöße seitens der Regierung unternommen, die die Räumung des Gebietes rechtfertigen sollten. Nach Angaben einer Bewohnerin wurde zunächst damit
argumentiert, dass sich das Gebiet im Naturschutz-, später im Risikogebiet befinde. Später wurden
Vorhaben, wie der Bau eines Sicherheitskorridors sowie eines unabhängigen Medienzentrums als
Argument angegeben“ (Bußler 2013: 45).
Im Zuge der Olympischen Spiele wird die Favela nun geräumt und ihre etwa tausend Bewohner_innen müssen sie verlassen. „Sie sollen (…) in eine extra für sie gebaute Appartmentanlage umziehen, weil das Viertel Teil des Olympischen Parks werden soll. Allerdings wollen
nicht alle so einfach ihr Zuhause verlassen.“ (Reese 2013) Der Grund, aus dem einige Favelados die Umsiedlung ablehnen ist – neben dem Verlust der Heimat – hauptsächlich ökonomischer Natur, denn nun müssen sie unter anderem für Strom und Wasser aufkommen.
Neben den Zwangsräumungen hat die Urbanisierung des Weiteren die Gentrifizierung
der diversen Komplexe zur Folge, da die Geschäftinhaber_innen die durchgeführten Urbanisierungsprozesse zum eigenen Vorteil nutzen können (vgl. Bußler 2013: 40), während einige
Bewohner_innen enteignet werden oder gezwungen sind, in die Peripherie zu ziehen. Außerdem ist anzumerken, dass sich diese Projekt von früheren, wie beispielsweise dem Programm
Favela-Bairro, hinsichtlich der Partizipationsmöglichkeiten des Bürgertums unterscheidet:
„Während das Programm Favela-Bairro zumindest in kleinem Ausmaß die die Bevölkerung
35 Die Abkürzung ZEIS steht für soziale Sonderzonen, diese wurden 1991 als Voraussetzung für ein
Sanierungsprogramm eingeführt.
36
in das Urbanisierungsprojekt integrierte, so wird die Bevölkerung bei Morar Carioca nicht in
den Planungs- und Entscheidungsprozess mit eingebunden.“ (Bußler 2013.: 40)
Die Strategie der Befriedung der Favelas – durch UPP und BOPE – wird in Rio de Janeiro seit
2008 verfolgt und wurde im Kontext der Weltmeisterschaft und Olympischen Spiele initiiert.
„Dabei steht diese Vorgehen im Diskurs, mit der „Rückeroberung von Territorium“ in staatliche Hand, das seit langem bestehende Problem der öffentlichen Sicherheit anzugehen.“ (ebd.:
40) Zu diesem Zwecke wurde ein Sicherheitsgürtel um da Maracanã-Stadion sowie die Südzone in Richtung Barra da Tijuca errichtet. Es handelt sich somit allein um Favela-Siedlungen, die ein Ziel für Touristen oder aber für den Immobilienmarkt wertvolle Regionen darstellen. Die Konsequenz dieser sehr partiellen Befriedung ist, dass der ärmeren Bevölkerung zugunsten eines konsumierenden Bürgertums Wohnraum verloren geht und diese umsiedeln
müssen. Auch im Kontext der Befriedungsaktionen kann also von Gentrifizierungsprozessen
gesprochen werden.
Bezüglich der Handhabung mit Favela-Komplexen im Kontext der sportlichen Großereignisse
Rio de Janeiros kann also konstatiert werden, dass, sowohl die Urbanisierung als auch die Befriedung solcher Siedlungen Gentrifizierungsprozesse sowie (Zwangs-)Umsiedlungen mit sich
bringen. Des Weiteren werden zu großen Teilen, weder die Bewohner_innen in die Planungsund Entscheidungsprozesse, noch die Favelas in die formelle Stadt (Asfalto) integriert. Als
Konsequenz für die Entwicklung der urbanen Anomie lässt sich somit schlussfolgern, dass es
sich hierbei keineswegs um ein Angehen dieses Problems handelt, als vielmehr um eine oberflächliche „Säuberung“ der Stadt. So führen die Zwangsumsiedlungen und Enteignungen zu
einer Verstärkung der sozialräumlichen Segregation, da sich der urbane Lebensraum für die
Favela-Bevölkerung weiter verengt sowie verkleinert.36 Die sozialräumliche Segregation tritt
wiederum mit der ebenfalls voranschreitenden sozialen Exklusion. Aus diesen Aspekten ergibt
sich wiederum eine Verstärkung der Anomie-fördenden Faktoren der Desintegration, Verarmung und Orientierungslosigkeit und somit auch eine Verstärkung der urbanen Anomie an
sich.
7
Kritische Reflexion
Wie in der Einleitung beschrieben, hat diese Arbeit nicht den Anspruch eine Evaluation der in
Rio de Janeiro durchgeführten Festivals zu sein. Ein Umstand der im Wesentlichen auch die
größte Problematik beim Verfassen der Arbeit darstellte, war somit der begrenzte. Dies ist unter anderem mit dem Umfang der festivalisierten Stadtpolitik Rio de Janeiros zu begründen.
36 Man könnte in diesem Zusammenhang von einer Art der Ghettoisierung sprechen.
37
So bedarf eine detailliertere Betrachtung der stattfindenden Festivalisierung einem Mehr an
zeitlichen wie fachlichen Kapazitäten. Zudem ist eine Evaluation auch keineswegs das Ziel
der Arbeit, vielmehr geht es um die Kombination zweier Theorien am Beispiel Rio de Janeiros.
Des Weiteren stellte sich die Aktualität des gewählten Beispiels zum Teil als erschwerender
Faktor – in Form einer Kombination aus räumlicher Distanz und medialer Nähe – dar. Die
Konsequenz aus der räumlichen Distanz äußert sich dabei insofern, dass dem Forscher der
Gang ins Feld, und somit die Möglichkeit des Erhebens von Primärdaten durch beispielsweise
qualitative Interviews oder teilnehmende Beobachtungen, verwehrt blieb. Des Weiteren ist
hierbei die teilweise sehr unübersichtliche Quellenlage sowie die eng damit verbunden
sprachliche Barriere zu nennen, da die verschiedenen Onlinequellen bezüglich der, Rio de Janeiro betreffenden Themen, sowie auch einzelne Fachliteratur zum Teil nur auf portugiesisch
vorgefunden wurden. Die mediale Nähe meint in diesem Kontext die Omnipräsenz des Untersuchungsgegenstandes, nicht zuletzt aufgrund der medialen Berichterstattung. Der Grund
hierfür ist in der zeitlichen Überschneidung des Arbeitsprozesses mit der Weltmeisterschaft
2014 zu sehen. So fiel es zum Teil schwer die nötige Distanz zum Thema zu wahren.
Des Weiteren ist anzumerken, dass aus Gründen der Komplexitätsreduktion der Nachweis der
Stadtpolitik an wenigen Kriterien fest gemacht wurde. Außerdem bedarf mehr empirischer Arbeit sowohl in Form qualitativer als auch quantitative Forschung um hier eine verifizierte
Aussage treffen zu können.
38
8
Fazit
Den thematischen Fokus der vorliegenden Arbeit bildete die Theorie der Festivalisierung nach
Häußermann und Siebel in Bezugnahme auf die Theorie der nachhaltigen Stadtentwicklung
am Beispiel der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro. In diesem Kontext konnte anhand
formaler Kriterien sowie einer freien Erörterung nachgewiesen werden, dass es sich in Rio de
Janeiro um eine Form festivalisierter Stadtpolitik handelt und weiterhin, dass sich aufgrund
der Entwicklungen in Rio eine gesonderte Art herauskristallisierte: die gestaffelte Festivalisierung.
Die zentrale Frage, die es zu beantworten gilt ist nun, ob und inwiefern die Festivalisierung
der Stadtpolitik zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen kann. Die Beantwortung
dieser Frage bedarf der Betrachtung der Thematik auf zwei Ebenen, der Theorie und der Praxis. So sind die beiden Konzeptionen theoretisch miteinander vereinbar, da sie – wenn auch
zumeist aus unterschiedlichen Gründen – zum Teil gleiche oder ähnliche städtebauliche Maßnahmen, wie beispielsweise den Ausbau der Infrastruktur oder das Füllen industrieller Lücken
beinhalten und fordern. Außerdem kann eine auf Nachhaltigkeit ausgelegte Stadtentwicklung
teilweise durch die festivalisierte Form der Stadtpolitik verstärkt und gesteigert werden. Die
gestaffelte Festivalisierung bringt dabei im Übrigen zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten mit
sich und kann – natürlich alles unter der Voraussetzung einer adäquaten Umsetzung – noch
einmal nachhaltiger auf die Entwicklung einer Metropole wirken, da so beispielsweise langfristige Projekte angegangen werden können.
Die praktische Umsetzung Rio de Janeiros bietet dagegen ein konträres Bild zu der theoretischen Vereinbarkeit. Dementsprechend haben die beschriebenen Projekte gezeigt, dass die
Umsetzung der Theorie in die Praxis Schwierigkeiten mit sich bringt, aber auch, dass die Festivalisierung in der Stadt am Zuckerhut im Eigentlichen nicht unbedingt auf das Leitbild der
nachhaltigen Entwicklung ausgelegt ist. Man kann auch sagen, Rio hat sich die Chance, mit
Investitionen im Zuge der Festivalisierung auf unübersichtliche Problemlagen nachhaltig zu
reagieren, entgehen lassen. Demnach hat man seitens der Stadtpolitik nicht nur die Leitlinien
der Nachhaltigkeit nicht beachtet, sondern zusätzlich auch eigene Gesetze zur Implikation
derselben missachtet. So brach man gleich mehrfach mit dem Estatuto da Cidade, welches
dem Bürgertum das Recht auf urbanen Boden, Wohnraum, eine saubere Umwelt, Transport,
öffentliche Einrichtungen, Arbeit und Erholung gewährleistete. Wie die Diskussion der einzelnen Projekte darlegte, verweigern diese Maßnahmen einigen Bewohner_innen ihr Recht auf
(nachhaltige) Stadt. Im Einzelnen sind es die Zwangsräumungen und Enteignungen – beispielsweise der Vila Autodromo – die das Recht auf Wohnraum teilweise verhindern, zumin39
dest aber erschweren; die Bebauung von Naturschutzgebieten, wie dem Reserva da Marapendi inklusive dem damit verbundenen Fischsterben und der enormen Verschmutzung, welche –
unter anderem aufgrund der Änderung eigener Naturschutzgesetze – das Recht auf eine saubere Umwelt ad absurdum führen; sowie der Abbau von frei zugänglichen Naherholungsgebieten, wie dem Parque do Flamengo die einer starken Einschränkung der Erholung in öffentlichen Einrichtungen gleichkommt. Es soll an dieser Stelle jedoch nicht unerwähnt sein, dass
auch die FIFA und das IOC – stellvertretend für die veranstaltenden Organisationen solcher
Ereignisse – ihren Teil zu dieser der Nachhaltigkeit entgegen stehenden Entwicklung beitragen. Diesbezüglich sei hier noch einmal auf die zwei Kilometer umspannende Bannmeile
rund um das Estádio do Maracanã verwiesen, welches den umliegenden Laden- und Lokalinhaber sowie den unzähligen Händlern des „informellen Sektors“ für vier Wochen im
schlimmsten Fall die Lebensgrundlage entzieht.
Vor allem die Verdrängungs- und Gentrizierungsprozesse, die die Urbanisierungen der Favelas mit sich bringen, wiegen schwer in einer Stadt, deren vorrangiges Ziel – so die eingangs
aufgestellte Einschätzung – die soziale Nachhaltigkeit sein sollte, da hier die wohl schwerwiegendsten Probleme, in Form von enormer ökonomischer wie sozialer Disparitäten, der Metropole liegen. Jedoch zeigen die Projekte bezüglich der Favelas auf, dass es sich hier eher um
eine oberflächliche Lösungsorientierung der stadtpolitischen Akteure handelt und der Fokus
klar auf ökonomischen Faktoren liegt, wie Curi et al. (2011: 150) passend feststellen: „Everything camouflaged in the seductive rhetoric of global projection.“ So verstärken diese Prozesse die sozial-räumliche Segregation sowie die soziale Exklusion der ärmeren Schichten der
Stadt zugunsten einer konsumorientierten Klasse. Als Konsequenz dieser zunehmenden Segregation und Exklusion folgt eine Verstärkung der urbanen Anomie und der aus ihr resultierenden Gewalt, Angst und Kriminalität. Die Vorgehensweise hinsichtlich der Favela-Siedlungen wirkt somit als beschleunigender Katalysator sozialer Exklusionsmechanismen und fördert so die Entwicklung sowie die Verfestigung urbaner Anomie anstatt die Mechanismen der
sozialen Nachhaltigkeit.
Es sollten allerdings nicht nur negative Konsequenzen sein, die die Stadt Rio de Janeiro aus
diesen Veranstaltungen mitnimmt. So sind – neben dem Aspekt, dass mit den Olympischen
und Paralympischen Spielen 2016 noch ein Festival aussteht – auch Potentiale für die weitere
Entwicklung der Metropole zu nennen. Zum einen sind das Maßnahmen der Stadtentwicklung, die tatsächlich den Aspekten der Nachhaltigkeit nachkommen, vor allem die Projekte
Morara Carioca und Minha Casa, minha Vida. Die beiden Programme des sozialen Wohnungsbau ermöglichen einigen Familien den sozialen Aufsteig, zum Beispiel durch die Erfül40
lung eines Traumes in Form der eigenen vier Wände, und bieten zusätzlich bezahlbaren Mietwohnraum. Des Weiteren werden mit Wohnbauprojekten dieser Programme teilweise industrielle Brachflächen auf sozial-nachhaltige Weise gefüllt, wie die Projekte Mangueira I und II
verdeutlichen. Es lässt sich also eine Form der Integration Einzelner – nicht aber der Favelas
in die formelle Stadt – in das Stadtbürgertum nachweisen, jedoch nur unter gewissen ökonomischen Voraussetzungen, womit die ärmsten Bürger der Stadt außen vor gelassen werden.
Ein nicht zu unterschätzendes Potential, dass die Stadt aus den Ereignissen rund um
den Confederations-Cup und die Weltmeisterschaft nutzen kann, ist allerdings die identitätsund gemeinschaftsstiftende Wirkung der Proteste. So kann ein Effekt erzielt werden auch eines der auch eines der Ziele festivalisierter Stadtpolitik ist, allerdings in diesem Falle nicht
durch die optimale Umsetzung der Großereignisse, sondern durch problembehaftete; nicht
durch die breite Akzeptanz des Stadtbürgertums für die Mega-Events, sondern durch deren
Ablehnung, was allerdings nicht mit den Effekten einer positiven und nachhaltigen Umsetzung gleichzusetzen ist. Denn im theoretischen Sinne ist die festivalisierte Stadtpolitik nicht
nur mit der Idee der nachhaltigen Stadtentwicklung vereinbar, sie kann diese auch fördern, so
dass Städte, die bereits eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Stadtpolitik verfolgen somit positive Entwicklungen vorantreiben können.
Nutzt das Stadtbürgertum Rio de Janeiros sowie deren legitimierte Vertreter dieses Momentum des Eine-Stadt-Seins und setzt dies in einer positiv-partizipativen Art und Weise um,
könnten die Worte des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig in ihrer Gänze – und
nicht nur in Teilen – der Wahrheit entsprechen: „Es gibt keine schönere Stadt auf Erden, und
es gibt kaum eine unergründlichere, unübersichtlichere. Man wird nicht fertig, mit Rio de Janeiro.“
41
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46
10 Eigenständigkeitserklärung
Ich erkläre, dass ich vorliegende Arbeit selbständig und nur unter Verwendung der angegeben
Hilfsmittel und Quellen angefertigt habe. Die eingereichte Arbeit ist nicht anderweitig als Prüfungsleitung verwendet worden oder in deutscher oder einer anderen Sprache als Veröffentlichung erschienen.
Seitens des Verfassers bestehen keine Einwände, die vorliegende Bachelorarbeit für die öffentliche Benutzung zur Verfügung zu stellen.
Jena, den 06.08.2014
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Thomas Kämpfe
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