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Geldspielgesetz
Plötzlich Freunde: Schweizer Casinos brauchen ausländische Partner

Ohne ausländische Player dürfte Schweizer Casinos der Schritt ins Internet schwerfallen. Wer eben erst noch verteufelt worden ist, kommt nun als Partner infrage. Doch der Bundesrat will Kooperationen stark einschränken.

Sven Altermatt
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Die Schweizer Casinos dürfen bald auch Online-Glücksspiele anbieten.

Die Schweizer Casinos dürfen bald auch Online-Glücksspiele anbieten.

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Man kann die Sache ganz einfach zusammenfassen: Nur was aus der Schweiz kommt, ist gut und recht. Am 10. Juni sagte das Stimmvolk mit 72,9 Prozent deutlich Ja zum neuen Geldspielgesetz. Somit sind Glücksspiele fortan auch im Internet offiziell zugelassen – sofern sie von bereits konzessionierten Casinos aus der Schweiz angeboten werden. Ausländische Anbieter bekommen nicht einmal eine Chance, sich um eine Online-Konzession zu bewerben. Der Zugang zu ihren Plattformen wird mittels Netzsperren blockiert.

Der protektionistische Touch des Geldspielgesetzes sorgte vor der Abstimmung für hitzige Debatten. Vor allem die Vertreter der heimischen Glücksspiel-Lobby traten mit scharfen Voten hervor. Einzig Casinos mit Sitz in der Schweiz garantierten den Spielerschutz und sicherten Geld für die Allgemeinheit, argumentierten sie. Ausländische Anbieter wurden pauschal als «Casino-Haie» bezeichnet.

Nach dem Ja an der Urne geht es nun an das Eingemachte. Noch ist nicht bekannt, welche Casinos im Internet aktiv werden wollen. Das Casino Baden etwa verfolgt konkrete Pläne und testet schon Onlinespiele mit virtuellen Einsätzen. Auch Zürich und Luzern signalisieren Interesse an einer Konzession, während sich andere noch bedeckt halten.

Wie das Gesetz konkret umgesetzt wird, regeln die bundesrätlichen Verordnungen, deren Vernehmlassung unterdessen zu Ende gegangen ist. Die Stellungnahmen von Spielbanken und Verbänden zeigen unmissverständlich: Ohne ausländische Partner dürfte den Casinos der Schritt ins Internetgeschäft schwerfallen. Wer eben erst noch verteufelt worden ist, kommt nun für eine Kooperation infrage.

Auf Partner angewiesen

Es sei von grosser Bedeutung, dass man im Internet ein «kompetitives Angebot» schaffen könne, schreiben unter anderem die Casinos Basel, Baden und Bern in gleichlautenden Vernehmlassungsantworten. «Dazu muss dem Spieler eine vergleichbare Auswahl angeboten werden, wie diese auch bei ausländischen Online-Casinos zu finden ist.»

Die Schweizer Spielbanken denken dabei vornehmlich an die boomenden Live- Spiele, die in ausländischen Märkten seit Jahren hohe Wachstumsraten verzeichnen. Bei solchen Spielen können die Spieler in Echtzeit an einem Tisch mit richtigen Croupiers spielen, via Webcam oder Mikrofon sind sie ins Geschehen eingebunden.Die Spielbanken machen in der Vernehmlassung deutlich: «Die Schweizer Casinos können ein so breites Produktportfolio unmöglich selber betreiben.» Geht es jedoch nach dem Bundesrat, dürfen die Casinos nur bei Pokerspielen mit anderen Anbietern zusammenarbeiten. Bei Live-Spielen sollen Kooperationen nicht erlaubt sein. Der Schweizer Casino-Verband hat dafür kein Verständnis. Das Angebot von Live-Spielen sei nur «in Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Veranstaltern von Spielbankenspielen möglich». Sinnvolle Kooperationen würden verunmöglicht, kritisieren die Branchenvertreter und warnen: «Der Ausbreitung des illegalen Spiels kann nur mit einem attraktiven und kontrollierten Angebot entgegengetreten werden.»

Streit um den «guten Ruf»

Ohne Kooperationen mit ausländischen Profis geht es nicht, darin sind sich die Spielbanken einig. Tatsächlich gilt der Schweizer Markt als zu klein, um eigene Spiele zu entwickeln. Zu diesem Schluss kommt auch eine 2017 vom Bund in Auftrag gegebene Studie.

Zur Diskussion stehen verschiedene Modelle. Die Casinos könnten ihre Spiele aus dem Ausland über Lizenzverträge mieten. So kooperiert etwa das Casino Baden, zu dem auch das Casino Davos gehört, mit belgischen Unternehmen. Derweil hat sich Swiss Casinos, die grösste Spielbanken-Gruppe des Landes, mit Entwicklern aus Russland, Grossbritannien und Estland zusammengetan. Möglich wären aber auch engere Partnerschaften; bis hin zu Modellen, bei denen ein Casino auf der Spiele-Plattform bloss noch durch seine Marke in Erscheinung tritt. Swiss-Casino-Chef Marc Baumann erklärte schon vor der Geldspielgesetz-Abstimmung in der «Handelszeitung», denkbar sei gar eine Finanzbeteiligung des Online-Partners im Gegenzug zu neuen Spielen für den Schweizer Markt. Besonders lukrativ dürfte die Kollaboration mit einem grossen Player sein – und zwar für beide Seiten. Der europäische Marktführer Pokerstars liess mehrfach durchblicken, man interessiere sich für eine Zusammenarbeit mit lokalen Partnern.

Doch just bekannte und bei Spielern beliebte Anbieter wie Pokerstars, Interwetten und Bwin sollen als Partner für Schweizer Casinos nicht infrage kommen: Der Bundesrat sieht harte Auflagen vor, um die Zusammenarbeit einzuschränken. Die Partnerfirmen müssen einen «guten Ruf» vorweisen können. Konkret dürfen sie in den fünf Jahren vor dem Abschluss einer Partnerschaft nicht in der Schweiz aktiv gewesen sein.

Das ist ein Killerkriterium: Fast alle international tätigen Unternehmen boten bisher in der Schweiz Glücksspiele an; sie wussten eine Gesetzeslücke für sich zu nutzen. Ihre Angebote waren wegen des Verbots von Online-Geldspielen theoretisch nicht zugelassen, wurden praktisch aber von den Behörden toleriert. Weil die Anbieter ihren Sitz in Ländern haben, in denen Online-Geldspiele legal sind, konnte die Schweiz nicht gegen sie vorgehen.

Unverständnis aus Brüssel

Ungeachtet dessen soll die Doktrin gelten: Wer in der Vergangenheit im Schweizer Markt aktiv war, hat keinen «guten Ruf». Für die European Gaming and Betting Association (EGBA) ist dies völlig unverständlich. Die geplante Regelung sei selbst in einem konzessionierten Markt eine «schwerwiegende Verletzung der Dienstleistungsfreiheit», moniert der Verband der europäischen Online-Casinos mit Sitz in Brüssel. Auch er zeigt sich überzeugt, dass attraktive Angebote für den Schweizer Markt nur mit Kooperationen möglich sind. Aus Sicht der EGBA würden Anbieter «retrospektiv für ein Verhalten verurteilt, für das es bis anhin gar keine Regelung gab». Damit werde am Rückwirkungsverbot geritzt (siehe auch Text links).

Der Bundesrat dürfte sich von dieser Kritik kaum umstimmen lassen. Als «wichtige Bestimmung» bezeichnet er die Regelung, die dazu führt, dass die meisten etablierten Anbieter als Kooperationspartner für Schweizer Casinos wegfallen. Welche Motivation hinter dieser Linie steckt, bleibt unklar. Nach dem Ende der Vernehmlassung überarbeitet die Landesregierung ihre Vorlage nun zwar nochmals. Mit grossen Änderungen ist jedoch nicht zu rechnen. Anfang 2019 sollen das Geldspielgesetz und die Verordnungen dazu in Kraft treten.