Papers by Nils Jacob Liersch
Kein anderer Religionswissenschaftler in der Geschichte der Disziplin hat eine so großflächige un... more Kein anderer Religionswissenschaftler in der Geschichte der Disziplin hat eine so großflächige und nachhaltige Wirkung gehabt, ist so viel gelesen worden, wie Mircea Eliade. Selbst heute verkaufen sich seine Bücher immer noch erstaunlich gut, obwohl viele seiner religionswissenschaftlichen Ansätze, Theorien und Konzepte von der Majorität der Vertreter der Religionswissenschaft bereits zu seinen Leb- und Wirkzeiten als obsolet und realitätsverzerrend betrachtet worden sind. Doch entgegen der Erwartung Eliade heutzutage, nach der zahlreichen niederschmetternden Kritik und seinem Ableben eher in den Hintergrund gedrängt zu sehen, wird er offensichtlich von den Gelehrten seines Fachs doch noch nicht gänzlich ad acta gelegt.
Sein Werk, seine Person, seine Geschichte haben im jüngeren Diskurs nicht nur die Profilbestimmung der Religionswissenschaft gewinnbringend stimuliert, sondern er wird in den letzten Jahren immer noch lebhaft diskutiert. Sein Erbe wird etwas überraschend zwiespältig betrachtet. Vor allem regte u.a. die Bekanntmachung seiner Nähe zur Eisernen Garde , der nationalsozialistischen, stark antisemitischen Gruppe, die von Corneliu Codreanu gegründet wurde, zu einem neuen Aufflammen der ohnehin schon recht lebhaften Debatte über Eliades Werk und Person an, die derzeit immer noch nicht abgeschlossen zu sein scheint. Diese “Offenbarungen”, wie Carlo Ginzburg sie zu nennen pflegt (Ginzburg 2010:1), sorgten für eine Verschärfung der kritischen Stimmen gegenüber Eliade und spalteten die Standpunkte der Gelehrten in zwei Lager, die ich wie folgt bezeichnen möchte: 1) Das Lager der “radikalen Kritiker,” 4 und das der 2) “kritischen Würdiger” . Dieses Bild spiegelt sich u.a. in einem rezenten Sammelband mit dem Titel Hermeneutics, Politics, and the History of Religions: The Contested Legacies of Joachim Wach and Mircea Eliade (2010) wider, zu dem einige namhafte Religionswissenschaftler und Historiker einen Beitrag leisteten. Tendenziell ist dieser Sammelband dem ersteren Lager zuzuordnen. Ein weiterer Sammelband, dessen Beiträge sich größtenteils in zweiteres Lager einordnen lassen, trägt den Titel The Centennial of Mircea Eliade (2008) und ist in der Zeitschrift Religion (Vol. 38) von Routledge erschienen.
Der hiesige Aufsatz möchte neben einer biographischen und wirkungsgeschichtlichen Einordnung von Mircea Eliade in die religionswissenschaftliche Disziplingeschichte unter besonderer Berücksichtigung von Eliades Involvierung in die Eiserne Garde, im Folgenden den Charakter, die Themen, zentralen Argumente
und Standpunkte, der in diesen beiden Sammelbänden zum Wort kommenden Akteure, dieses spezifischen Ausschnittes des rezenten Diskurses in der amerikanischen Religionswissenschaft über Mircea Eliade zusammenfassen und analysieren. Hierfür werden im Rahmen dieser Arbeit insgesamt vier programmatische Aufsätze selektiert 6 , welche die beiden oben voneinander differenzierten Lager der “radikalen Kritiker” und “kritischen Würdiger” exemplarisch am deutlichsten repräsentieren und im analytischen Teil der Arbeit gegenüberstellen. Insbesondere wird sich der Frage angenähert, inwiefern die Meinungen der Autoren über das wissenschaftliche Werk Eliades von der Frage nach seiner politischen Vergangenheit beeinflusst sind, und welche Auswirkungen die Spekulationen über seine damalige politische Gesinnung auf die Bewertung seiner wissenschaftlichen Beträge und das Bild von Eliade hat, welches die hier thematisierten Autoren zeichnen.
Im Rahmen dieser Arbeit soll darüber hinaus vor allem der Nutzen, sowie die Grenzen des religionswissenschaftlichen Arbeitens, im Lichte historischer Vertreter der religionswissenschaftlichen Disziplingeschichte am Beispiel von Mircea Eliade, theoretisch reflektiert werden.
Bookmarks Related papers MentionsView impact
Im hier konstruierten Vergleich werden die Postmortalitätsvorstellungen der religiös-philosophisc... more Im hier konstruierten Vergleich werden die Postmortalitätsvorstellungen der religiös-philosophischen
Offenbarungs- und Geheimlehre, die unter dem Namen Hermetismus bzw. Hermetik bekannt ist, anhand
des Corpus Hermeticum (CH), eine der bedeutsamsten Sammlungen von spätantiken Traktaten des Herme-
tismus, mit denen selektierter Schriften der Sāṁkhya-Philosophie, insbesondere der Sāṁkhya-Kārikā (SK),
dem Pātañjalayogaśāstra (Yogasūtra, YS), sowie der Śvetāśvatara-Upaniṣad (ŚU) untersucht. Ausgangspunkt
und Funktionsgebung des Vergleichs bilden rezente, im Internet kursierende individualreligiöse Konstruk-
tionen, welche die Ursprünge der Sāṁkhya-Philosophie auf die Lehren des Hermes Trismegistos, dem my-
thologischen Gründer der hermetischen Lehren, zurückführen. Das Ziel, der hier angewandten Kompara-
tistik, ist es die Assimilations- und Assoziationsmuster, die für die Identifikation des Hermetismus mit der
Sāṁkhya-Philosophie notwendig sind, herauszuarbeiten, um einerseits Rückschlüsse über die Mechanismen
der kreativen Neusynthetisierungsprozesse in der religiösen Gegenwartskultur zu ziehen und um anderer-
seits den Nutzen, sowie die Grenzen des religionswissenschaftlichen Vergleichens, hinsichtlich diesartiger
komparatistischer Szenarien, theoretisch zu reflektieren.
Bookmarks Related papers MentionsView impact
Drafts by Nils Jacob Liersch
Das Gorakṣayogaśāstra, kurz GYŚ, (“Das Yogalehrwerk des Gorakṣa”) ist ein
bisher wenig beachtete... more Das Gorakṣayogaśāstra, kurz GYŚ, (“Das Yogalehrwerk des Gorakṣa”) ist ein
bisher wenig beachteter Sanskrit-Text, erhalten in einem einzigen Manu-
skript in Nevārī-Schrift. Basierend auf den paläographischen Eigenschaften
der Handschrift kann dieser Textzeuge auf den Anfang des 15. Jh. datiert wer-
den. Da sich das GYŚ sich sehr nah am Inhalt und der Struktur der Amṛta-
siddhi (AS) orientiert , ist der terminus a quo der Komposition daher die AS,
welche auf das 11. Jh. datiert wird. Das GYŚ übernimmt mehrere Verse der
AS und paraphrasiert deren Inhalte. Aus diesem Grund wurde das GYŚ zwi-
schen dem 11. und 15. Jh. kompiliert.
Das GYŚ ist ein bedeutsamer Zeuge für die historische Entwicklung des
Haṭhayoga, da es die bindu-orientierten Techniken und die fundamentalen
metaphysischen Konzepte der AS, welche als ein buddhistisches Tantra und
ältester Text der Haṭhayoga-Tradition gilt , übernimmt, und deren Inhalte
für ein Śaiva-Publikum in Form eines neuen Textes adaptiert. Hierfür wird
die in der AS gelehrte physische Technik übernommmen, zumeist die spezi-
fische Vajrayāna-Terminologie entfernt und durch śivaitische Termini, Kon-
zepte und sogar Praktiken ersetzt bzw. ergänzt. Aufgrund der direkten Re-
zeption und Rekonfiguration der Lehrinhalte des AS und der vom Autor vor-
gekommenen Ergänzungen repräsentiert das GYŚ ein sekundäres formati-
ves Stadium in des Genese des sog. Haṭhayoga-Textkorpus, auch wenn der
Text selbst den Namen Haṭhayoga nicht explizit aufführt.
Bookmarks Related papers MentionsView impact
Uploads
Papers by Nils Jacob Liersch
Sein Werk, seine Person, seine Geschichte haben im jüngeren Diskurs nicht nur die Profilbestimmung der Religionswissenschaft gewinnbringend stimuliert, sondern er wird in den letzten Jahren immer noch lebhaft diskutiert. Sein Erbe wird etwas überraschend zwiespältig betrachtet. Vor allem regte u.a. die Bekanntmachung seiner Nähe zur Eisernen Garde , der nationalsozialistischen, stark antisemitischen Gruppe, die von Corneliu Codreanu gegründet wurde, zu einem neuen Aufflammen der ohnehin schon recht lebhaften Debatte über Eliades Werk und Person an, die derzeit immer noch nicht abgeschlossen zu sein scheint. Diese “Offenbarungen”, wie Carlo Ginzburg sie zu nennen pflegt (Ginzburg 2010:1), sorgten für eine Verschärfung der kritischen Stimmen gegenüber Eliade und spalteten die Standpunkte der Gelehrten in zwei Lager, die ich wie folgt bezeichnen möchte: 1) Das Lager der “radikalen Kritiker,” 4 und das der 2) “kritischen Würdiger” . Dieses Bild spiegelt sich u.a. in einem rezenten Sammelband mit dem Titel Hermeneutics, Politics, and the History of Religions: The Contested Legacies of Joachim Wach and Mircea Eliade (2010) wider, zu dem einige namhafte Religionswissenschaftler und Historiker einen Beitrag leisteten. Tendenziell ist dieser Sammelband dem ersteren Lager zuzuordnen. Ein weiterer Sammelband, dessen Beiträge sich größtenteils in zweiteres Lager einordnen lassen, trägt den Titel The Centennial of Mircea Eliade (2008) und ist in der Zeitschrift Religion (Vol. 38) von Routledge erschienen.
Der hiesige Aufsatz möchte neben einer biographischen und wirkungsgeschichtlichen Einordnung von Mircea Eliade in die religionswissenschaftliche Disziplingeschichte unter besonderer Berücksichtigung von Eliades Involvierung in die Eiserne Garde, im Folgenden den Charakter, die Themen, zentralen Argumente
und Standpunkte, der in diesen beiden Sammelbänden zum Wort kommenden Akteure, dieses spezifischen Ausschnittes des rezenten Diskurses in der amerikanischen Religionswissenschaft über Mircea Eliade zusammenfassen und analysieren. Hierfür werden im Rahmen dieser Arbeit insgesamt vier programmatische Aufsätze selektiert 6 , welche die beiden oben voneinander differenzierten Lager der “radikalen Kritiker” und “kritischen Würdiger” exemplarisch am deutlichsten repräsentieren und im analytischen Teil der Arbeit gegenüberstellen. Insbesondere wird sich der Frage angenähert, inwiefern die Meinungen der Autoren über das wissenschaftliche Werk Eliades von der Frage nach seiner politischen Vergangenheit beeinflusst sind, und welche Auswirkungen die Spekulationen über seine damalige politische Gesinnung auf die Bewertung seiner wissenschaftlichen Beträge und das Bild von Eliade hat, welches die hier thematisierten Autoren zeichnen.
Im Rahmen dieser Arbeit soll darüber hinaus vor allem der Nutzen, sowie die Grenzen des religionswissenschaftlichen Arbeitens, im Lichte historischer Vertreter der religionswissenschaftlichen Disziplingeschichte am Beispiel von Mircea Eliade, theoretisch reflektiert werden.
Offenbarungs- und Geheimlehre, die unter dem Namen Hermetismus bzw. Hermetik bekannt ist, anhand
des Corpus Hermeticum (CH), eine der bedeutsamsten Sammlungen von spätantiken Traktaten des Herme-
tismus, mit denen selektierter Schriften der Sāṁkhya-Philosophie, insbesondere der Sāṁkhya-Kārikā (SK),
dem Pātañjalayogaśāstra (Yogasūtra, YS), sowie der Śvetāśvatara-Upaniṣad (ŚU) untersucht. Ausgangspunkt
und Funktionsgebung des Vergleichs bilden rezente, im Internet kursierende individualreligiöse Konstruk-
tionen, welche die Ursprünge der Sāṁkhya-Philosophie auf die Lehren des Hermes Trismegistos, dem my-
thologischen Gründer der hermetischen Lehren, zurückführen. Das Ziel, der hier angewandten Kompara-
tistik, ist es die Assimilations- und Assoziationsmuster, die für die Identifikation des Hermetismus mit der
Sāṁkhya-Philosophie notwendig sind, herauszuarbeiten, um einerseits Rückschlüsse über die Mechanismen
der kreativen Neusynthetisierungsprozesse in der religiösen Gegenwartskultur zu ziehen und um anderer-
seits den Nutzen, sowie die Grenzen des religionswissenschaftlichen Vergleichens, hinsichtlich diesartiger
komparatistischer Szenarien, theoretisch zu reflektieren.
Drafts by Nils Jacob Liersch
bisher wenig beachteter Sanskrit-Text, erhalten in einem einzigen Manu-
skript in Nevārī-Schrift. Basierend auf den paläographischen Eigenschaften
der Handschrift kann dieser Textzeuge auf den Anfang des 15. Jh. datiert wer-
den. Da sich das GYŚ sich sehr nah am Inhalt und der Struktur der Amṛta-
siddhi (AS) orientiert , ist der terminus a quo der Komposition daher die AS,
welche auf das 11. Jh. datiert wird. Das GYŚ übernimmt mehrere Verse der
AS und paraphrasiert deren Inhalte. Aus diesem Grund wurde das GYŚ zwi-
schen dem 11. und 15. Jh. kompiliert.
Das GYŚ ist ein bedeutsamer Zeuge für die historische Entwicklung des
Haṭhayoga, da es die bindu-orientierten Techniken und die fundamentalen
metaphysischen Konzepte der AS, welche als ein buddhistisches Tantra und
ältester Text der Haṭhayoga-Tradition gilt , übernimmt, und deren Inhalte
für ein Śaiva-Publikum in Form eines neuen Textes adaptiert. Hierfür wird
die in der AS gelehrte physische Technik übernommmen, zumeist die spezi-
fische Vajrayāna-Terminologie entfernt und durch śivaitische Termini, Kon-
zepte und sogar Praktiken ersetzt bzw. ergänzt. Aufgrund der direkten Re-
zeption und Rekonfiguration der Lehrinhalte des AS und der vom Autor vor-
gekommenen Ergänzungen repräsentiert das GYŚ ein sekundäres formati-
ves Stadium in des Genese des sog. Haṭhayoga-Textkorpus, auch wenn der
Text selbst den Namen Haṭhayoga nicht explizit aufführt.
Sein Werk, seine Person, seine Geschichte haben im jüngeren Diskurs nicht nur die Profilbestimmung der Religionswissenschaft gewinnbringend stimuliert, sondern er wird in den letzten Jahren immer noch lebhaft diskutiert. Sein Erbe wird etwas überraschend zwiespältig betrachtet. Vor allem regte u.a. die Bekanntmachung seiner Nähe zur Eisernen Garde , der nationalsozialistischen, stark antisemitischen Gruppe, die von Corneliu Codreanu gegründet wurde, zu einem neuen Aufflammen der ohnehin schon recht lebhaften Debatte über Eliades Werk und Person an, die derzeit immer noch nicht abgeschlossen zu sein scheint. Diese “Offenbarungen”, wie Carlo Ginzburg sie zu nennen pflegt (Ginzburg 2010:1), sorgten für eine Verschärfung der kritischen Stimmen gegenüber Eliade und spalteten die Standpunkte der Gelehrten in zwei Lager, die ich wie folgt bezeichnen möchte: 1) Das Lager der “radikalen Kritiker,” 4 und das der 2) “kritischen Würdiger” . Dieses Bild spiegelt sich u.a. in einem rezenten Sammelband mit dem Titel Hermeneutics, Politics, and the History of Religions: The Contested Legacies of Joachim Wach and Mircea Eliade (2010) wider, zu dem einige namhafte Religionswissenschaftler und Historiker einen Beitrag leisteten. Tendenziell ist dieser Sammelband dem ersteren Lager zuzuordnen. Ein weiterer Sammelband, dessen Beiträge sich größtenteils in zweiteres Lager einordnen lassen, trägt den Titel The Centennial of Mircea Eliade (2008) und ist in der Zeitschrift Religion (Vol. 38) von Routledge erschienen.
Der hiesige Aufsatz möchte neben einer biographischen und wirkungsgeschichtlichen Einordnung von Mircea Eliade in die religionswissenschaftliche Disziplingeschichte unter besonderer Berücksichtigung von Eliades Involvierung in die Eiserne Garde, im Folgenden den Charakter, die Themen, zentralen Argumente
und Standpunkte, der in diesen beiden Sammelbänden zum Wort kommenden Akteure, dieses spezifischen Ausschnittes des rezenten Diskurses in der amerikanischen Religionswissenschaft über Mircea Eliade zusammenfassen und analysieren. Hierfür werden im Rahmen dieser Arbeit insgesamt vier programmatische Aufsätze selektiert 6 , welche die beiden oben voneinander differenzierten Lager der “radikalen Kritiker” und “kritischen Würdiger” exemplarisch am deutlichsten repräsentieren und im analytischen Teil der Arbeit gegenüberstellen. Insbesondere wird sich der Frage angenähert, inwiefern die Meinungen der Autoren über das wissenschaftliche Werk Eliades von der Frage nach seiner politischen Vergangenheit beeinflusst sind, und welche Auswirkungen die Spekulationen über seine damalige politische Gesinnung auf die Bewertung seiner wissenschaftlichen Beträge und das Bild von Eliade hat, welches die hier thematisierten Autoren zeichnen.
Im Rahmen dieser Arbeit soll darüber hinaus vor allem der Nutzen, sowie die Grenzen des religionswissenschaftlichen Arbeitens, im Lichte historischer Vertreter der religionswissenschaftlichen Disziplingeschichte am Beispiel von Mircea Eliade, theoretisch reflektiert werden.
Offenbarungs- und Geheimlehre, die unter dem Namen Hermetismus bzw. Hermetik bekannt ist, anhand
des Corpus Hermeticum (CH), eine der bedeutsamsten Sammlungen von spätantiken Traktaten des Herme-
tismus, mit denen selektierter Schriften der Sāṁkhya-Philosophie, insbesondere der Sāṁkhya-Kārikā (SK),
dem Pātañjalayogaśāstra (Yogasūtra, YS), sowie der Śvetāśvatara-Upaniṣad (ŚU) untersucht. Ausgangspunkt
und Funktionsgebung des Vergleichs bilden rezente, im Internet kursierende individualreligiöse Konstruk-
tionen, welche die Ursprünge der Sāṁkhya-Philosophie auf die Lehren des Hermes Trismegistos, dem my-
thologischen Gründer der hermetischen Lehren, zurückführen. Das Ziel, der hier angewandten Kompara-
tistik, ist es die Assimilations- und Assoziationsmuster, die für die Identifikation des Hermetismus mit der
Sāṁkhya-Philosophie notwendig sind, herauszuarbeiten, um einerseits Rückschlüsse über die Mechanismen
der kreativen Neusynthetisierungsprozesse in der religiösen Gegenwartskultur zu ziehen und um anderer-
seits den Nutzen, sowie die Grenzen des religionswissenschaftlichen Vergleichens, hinsichtlich diesartiger
komparatistischer Szenarien, theoretisch zu reflektieren.
bisher wenig beachteter Sanskrit-Text, erhalten in einem einzigen Manu-
skript in Nevārī-Schrift. Basierend auf den paläographischen Eigenschaften
der Handschrift kann dieser Textzeuge auf den Anfang des 15. Jh. datiert wer-
den. Da sich das GYŚ sich sehr nah am Inhalt und der Struktur der Amṛta-
siddhi (AS) orientiert , ist der terminus a quo der Komposition daher die AS,
welche auf das 11. Jh. datiert wird. Das GYŚ übernimmt mehrere Verse der
AS und paraphrasiert deren Inhalte. Aus diesem Grund wurde das GYŚ zwi-
schen dem 11. und 15. Jh. kompiliert.
Das GYŚ ist ein bedeutsamer Zeuge für die historische Entwicklung des
Haṭhayoga, da es die bindu-orientierten Techniken und die fundamentalen
metaphysischen Konzepte der AS, welche als ein buddhistisches Tantra und
ältester Text der Haṭhayoga-Tradition gilt , übernimmt, und deren Inhalte
für ein Śaiva-Publikum in Form eines neuen Textes adaptiert. Hierfür wird
die in der AS gelehrte physische Technik übernommmen, zumeist die spezi-
fische Vajrayāna-Terminologie entfernt und durch śivaitische Termini, Kon-
zepte und sogar Praktiken ersetzt bzw. ergänzt. Aufgrund der direkten Re-
zeption und Rekonfiguration der Lehrinhalte des AS und der vom Autor vor-
gekommenen Ergänzungen repräsentiert das GYŚ ein sekundäres formati-
ves Stadium in des Genese des sog. Haṭhayoga-Textkorpus, auch wenn der
Text selbst den Namen Haṭhayoga nicht explizit aufführt.