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Rezension über:

Emily Löffler: Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944-1953) (= Brüche und Kontinuitäten; Bd. 3), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2019, 416 S., 7 Farb-, 5 s/w-Abb., ISBN 978-3-412-51425-9, EUR 60,00
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Rezension von:
Johannes Gramlich
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Redaktionelle Betreuung:
Annemone Christians im Auftrag der Redaktion der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Gramlich: Rezension von: Emily Löffler: Kunstschutz im besetzten Deutschland. Restitution und Kulturpolitik in der französischen und amerikanischen Besatzungszone (1944-1953), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2019, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 4 [15.04.2021], URL: https://www.sehepunkte.de
/2021/04/33740.html


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Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.

Emily Löffler: Kunstschutz im besetzten Deutschland

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Die Historikerin und Provenienzforscherin Emily Löffler widmet sich in ihrer Doktorarbeit der Frage, wie die Alliierten nach 1945 mit sichergestellten Kunst- und Kulturgütern in Deutschland umgegangen sind. Dazu untersucht sie die Restitutions- und die Kulturpolitik in der amerikanischen und der französischen Besatzungszone, wobei sie die Kunstrestitutionen als eines der Instrumente alliierter Kulturpolitik fasst. Neben der engen inhaltlichen Verzahnung beider Themenfelder begründet Löffler ihren Fokus auch mit personellen Überschneidungen in beiden Bereichen. Dies wiederum ist ihrem methodischen Ansatz geschuldet. Löffler wählt einen "akteurszentrierten Zugriff" (24) und interessiert sich für die praktische Umsetzung übergeordneter politischer Beschlüsse; sie analysiert ihren Untersuchungsgegenstand folglich "von unten" (24). Mit Verweis auf die Konzepte der "Histoire croisée" und der "Entangled history" geht ihre Studie multiperspektivisch vor, fokussiert "wechselseitige Austauschprozesse" (26) zwischen den alliierten Mächten und betont die "spezifische transnationale Ausprägung" der Kulturgüterrestitution nach 1945 (29).

Dass sich Löffler vor diesem Hintergrund auf die amerikanische und die französische Militärverwaltung konzentriert, hat unterschiedliche Gründe. So stellten die Amerikaner in ihrem Verantwortungsbereich besonders viele Kulturgüter sicher, unter anderem die umfassenden Kunstsammlungen von Adolf Hitler und Hermann Göring. An den Entwicklungen in der amerikanischen Zone hatten die kontinentaleuropäischen Staaten, die vom NS-Kunstraub betroffen waren, daher großes Interesse. Auf ihren beständigen Druck hin gewann die Praxis der Kulturgüterrestitution unter amerikanischer Verwaltung einen gewissen Vorbildcharakter. Dass Löffler zudem die französische Zone in den Blick nimmt, ist auch darauf zurückzuführen, dass ein zentraler Quellenbestand für das Thema im Archiv des französischen Außenministeriums erst seit 2008 zugänglich und seit 2014 erschlossen ist. Die Autorin hat somit die Chance ergriffen, dieses Thema erstmals umfassend mit Blick auf die französische Besatzungszone zu untersuchen. Zudem ist die Politik und Praxis der alliierten Kulturgüterrestitution auch für den amerikanischen Verantwortungsbereich bislang nicht erschöpfend erforscht worden.

Im ersten Teil ihrer Studie behandelt Löffler ausführlich die alliierte (vor allem amerikanische) Restitutionspolitik und -praxis als "französisch-amerikanische Interaktion" (35). Dabei unterscheidet sie drei Phasen. Zunächst waren es ab 1942/43 vor allem offizielle Fachkommissionen, die auf nationaler und interalliierter Ebene über Restitution und Kulturgüterschutz diskutierten. Da sich die Verhandlungen zur Restitutionspolitik zwischen den Besatzungsmächten auf Regierungsebene und im Alliierten Kontrollrat in die Länge zogen, gewannen die Expertengruppen auch für die Praxis der Kulturgüterrestitutionen früh ein besonderes Gewicht. Erste Rückführungen wurden bereits vorgenommen, noch bevor sich die Alliierten auf gemeinsame Regelungen verständigen konnten. Dem persönlichen Austausch von französischen und amerikanischen Kunstschutzoffizieren misst Löffler in diesem Zusammenhang große Bedeutung bei, sorgte er etwa dafür, dass Wissen über den NS-Kunstraub zirkulieren und gegenseitiges Misstrauen abgebaut werden konnte.

Mit der Einrichtung der amerikanischen Militärregierung änderten sich die politischen Rahmenbedingungen. Löffler rekonstruiert, wie sich der Prozess der Kulturgüterrestitution nun zunehmend regulierte und standardisierte. Die Franzosen konnten Vertreter an die amerikanischen Sammelstellen für sichergestellte Kulturgüter entsenden und übernahmen das Prinzip dieser Central Collecting Points parallel auch für ihre Zone. Für die praktische Umsetzung der alliierten Restitutionsbestimmungen spielten die Expertengruppen und Kunstschutzoffiziere auf beiden Seiten eine wichtige Rolle. Dasselbe galt auch in Streitfragen, in denen sie sich zum Teil lautstark Gehör verschafften. Insgesamt kommt Löffler zu dem Schluss, "dass die Initiativen der Restitutionspraxis weitgehend von unten nach oben verliefen" (374).

Mit dem Ende der direkten Besatzungszeit 1949 begann eine dritte Phase, die davon geprägt war, dass nun auch Vertreter auf deutscher Seite Einfluss gewannen und Verantwortung übernehmen konnten. Die französischen Kunstschutzoffiziere begegneten dieser Entwicklung mit Argwohn. Sie warfen den Deutschen vor, eine Fortsetzung der Kunstrestitutionen zu behindern. Zudem kritisierten sie, dass die Amerikaner den Prozess nicht mehr engagiert genug begleiteten. Allerdings verlor die Restitutionsfrage nun auch auf französischer Seite mit Blick auf den Kalten Krieg und die beginnende (west)europäische Integration langsam an Gewicht.

Im zweiten Teil ihrer Studie widmet sich Löffler dem Zusammenhang von Restitution und Kulturpolitik. Löffler betont die unterschiedlichen (vor allem nationalen, kommerziellen, moralischen und symbolischen) Dimensionen und Interessen, die mit dem Kulturgüterschutz verbunden waren. Besonders hebt sie die Bedeutung hervor, die die Restitution und Ausstellung von Kunstgegenständen als Teil einer cultural diplomacy für die zwischenstaatlichen Beziehungen hatten. Während eine funktionierende Restitutionspraxis imstande war, die interalliierten Verbindungen zu stärken, sollten die Ausstellungsprogramme in der amerikanischen und französischen Zone eine Re-Education, Demokratisierung und Verständigung mit Deutschland fördern. Die "scheinbare Widersprüchlichkeit", die zwischen einer strengen Restitutionspolitik und dem Ziel einer (kulturellen) Annäherung an Deutschland bestand, beschreibt die Autorin als "Ausdruck einer 'doppelten Deutschlandpolitik'", die von "bestrafenden und konstruktiven Elementen" geprägt worden sei (377).

Abschließend untersucht Löffler anhand unterschiedlicher Ego-Dokumente die Selbstwahrnehmung amerikanischer und französischer Kunstschutzoffiziere. Die amerikanischen Vertreter betrachteten ihren Einsatz in Deutschland und Europa vor allem als Rettungsmission für ein europäisches Kulturerbe, als dessen "uneigennützig auftretende Bewahrer" sie sich inszenierten (375). Die Schicksale der Beraubten und Verfolgten traten hingegen in den Hintergrund. "Die Raubgeschichte der Objekte wird also von der Verfolgungsgeschichte der Eigentümer entkoppelt" (289). Französische Museumsleute und Kunstschutzoffiziere nahmen stärker auf die Zeit der deutschen Besatzung Bezug, indem sie den Schutz von Kunstsammlungen als Akt des Widerstands deuteten und mit dem Résistance-Diskurs verknüpften. Die Rückführungen der Nachkriegszeit dienten hingegen vielfach der Selbstvergewisserung, Selbstdarstellung und Selbstinszenierung als Siegermacht. Gleichfalls sollten die Besinnung auf das nationale Kulturerbe und seine Widerherstellung dabei helfen, die "Traumata von Krieg, Beschlagnahme und Zerstörung" zu überwinden (369).

Löffler legt eine quellenreiche Forschungsarbeit vor, die viele wichtige Aspekte der alliierten Restitutionspolitik und -praxis gründlich rekonstruiert, analysiert und in Beziehung setzt. Auf durchweg gutem sprachlichem Niveau durchdringt sie ein äußerst komplexes Thema, dem die Vielzahl an Verantwortungsträgern und Hierarchieebenen auf amerikanischer, französischer und deutscher Seite eigen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es als lässlicher Kritikpunkt, dass die Gliederung des Textes und die Ordnung der Argumentation an wenigen Stellen hätten optimiert werden können. In ihrer Einleitung erklärt Löffler, viele Publikationen aus dem Bereich der Provenienzforschung zeigten, "dass diese stets über die empirische Erforschung des einzelnen Objekts hinausgeht" (19) und dabei wissenschaftlich anschlussfähige Erkenntnisse zu Tage fördern kann. Diesen Anspruch erfüllt ihre Studie fraglos.

Johannes Gramlich