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Abstract
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die sektorenübergreifende Zusammenarbeit bei Lungenkrebspatient*innen zu analysieren. Hierfür wurden im Rahmen einer retrospektiven 5-Jahres-Beobachtungsstudie folgende Aspekte detailliert betrachtet: soziodemografische Merkmale, die häufigsten Komorbiditäten, der Charlson-Comorbidity-Index, involvierte ambulante Fachärzt*innen, die Anzahl der Kontaktquartale zu ambulanten Fachärzt*innen, ambulante Fachärzt*innen der Erstdiagnose und regionale Unterschiede in Deutschland bei inzidenten Lungenkrebspatient*innen. Als Basis dienten Routinedaten einer anonymisierten Datenbank mit Längsschnittdaten von 7,2 Millionen Deutschen, die bei einer von über 70 deutschen gesetzlichen Krankenkassen versichert sind. Darüber hinaus wurden im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie die Perspektiven und Erfahrungen von Lungenkrebspatient*innen im fortgeschrittenen Stadium IV und die ihrer Angehörigen in Bezug auf die Koordination und Priorisierung von sektorenübergreifenden Versorgungsprozessen beleuchtet. Im Beobachtungszeitraum (2013 – 2017) wurde bei 13.111 Personen erstmals Lungenkrebs diagnostiziert (1-Jahres-Inzidenz von 36,4 pro 100.000). Die essentielle (primäre) Hypertonie (ICD-10-I10) war die häufigste Komorbidität von Lungenkrebspatient*innen in Deutschland (74,3 %), ohne größere Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern (62,8 - 84,4 %). Die zweithäufigste Komorbidität in Deutschland stellte die Diagnose „Störungen des Lipoproteinstoffwechsels und sonstige Lipidämien (ICD-10-E78)" (51,4 %) dar, gefolgt von „Sonstige chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen“ (ICD-10-J44)" (46,6 %). Insgesamt wurden während der Beobachtungsperiode 1326 verschiedene Komorbiditäten auf 3-stelliger ICD-10-Ebene diagnostiziert. Die mittlere Anzahl der Komorbiditäten über vier Quartale betrug 30,77 ± 13,18; der mittlere Charlson-Comorbidity-Index lag bei 6,66 ± 2,24. Die am häufigsten auf-gesuchten ambulanten Fachärzt*innen in Deutschland waren Allgemeinmediziner*innen (2,6 Kontaktquartale innerhalb von vier Quartalen), gefolgt vom Internisten/von der Internistin mit durchschnittlich 2,3 Kontaktquartalen innerhalb der vier patientenspezifischen Quartale. Bei 38 % der 13.111 inzidenten Patient*innen wurde Lungenkrebs im ambulanten Sektor von einem/einer Allgemeinmediziner*in diagnostiziert. Die durchschnittliche Anzahl der ambulanten Arztkontakte über vier Quartale hinweg betrug 35,82 ± 27,31. Deutschlandweit lebten im Zeit-raum von 2013 bis einschließlich 2017 80 % (n =10.500) der inzidenten Lungenkrebspatient*innen in städtischen Gebieten. Dies bedingt, dass 20 % der neu diagnostizierten Patienten (n = 2.611) in ländlichen Regionen ansässig waren. Im Rahmen der Interviewstudie berichteten Patient*innen und Angehörige, dass die sektoren-übergreifende Zusammenarbeit gut funktioniere, sofern Behandlungen wie geplant erfolgten. In diesem Fall wurde der Arztbrief als ausreichend, umfangreich und detailliert empfunden. Wenn es jedoch zu Mängeln oder Lücken in der Versorgung kam, wurden sich die Befragten zunehmend über die Relevanz einer gelungenen sektorenübergreifenden Zusammenarbeit bewusst und befürworteten einen intensiveren Austausch zwischen den Behandler*innen. In diesem Zusammenhang wurde die Nutzung einer elektronischen Plattform genannt, welche als Chance für die Stärkung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit angesehen wird. Die häufigsten Behandlungslücken wurden in Bezug auf die Medikation und das Therapieschema erlebt. Infolgedessen fühlten sich Patient*innen und Angehörige verunsichert und verpflichtet, Verantwortung für die Koordination der Gesundheitsversorgung zu übernehmen. Patient*innen gaben an, eine aktive Patientenrolle zu befürworten, waren aber der Meinung, dass die Koordination der Gesundheitsversorgung weiterhin in der Verantwortung eines/einer Leistungserbringers/Leistungserbringerin liegen sollte. In diesem Zusammenhang wurde der/die Allgemeinmediziner*in erwähnt, da er/sie derjenige/derjenige ist, der/die eine langfristige Beziehung mit Patient*innen und Angehörigen pflegt. Als eine Herausforderung für die sektorenübergreifende Zusammenarbeit wurde die Notwendigkeit einer quartalsweisen Überweisung durch den/die ambulanten/ambulante Lungenfacharzt/-ärztin gesehen, welche für die stationäre Behandlung benötigt wird. Diese Notwendigkeit stellt eine große organisatorische Herausforderung für Betroffene dar, die darüber hinaus keinen erkennbaren Nutzen im Rahmen der Versorgung darstellt. Dies impliziert Änderungen bezüglich der Notwendigkeit des Überweisungsverhaltens, die eine Anpassung des Gesundheitssystems erfordern. Da zu erwarten ist, dass eine solche Änderung zeitaufwendig und langwierig ist, werden Alternativen benötigt, um Patient*innen und Angehörige zu unterstützen. Eine Möglichkeit wird in der Nutzung eines elektronischen Überweisungssystems gesehen. Patient*innen schrieben einer erfolgreichen sektorenübergreifenden Zusammenarbeit eine hohe Relevanz zu, da sie optimale Ergebnisse in allen Aspekten des Versorgungsprozesses ermöglicht. Eine gleichberechtigte Partizipation und Kommunikation zwischen Versorger*innen und Patient*innen, welche auf Augenhöhe stattfindet, führt zu einem Gefühl der Entlastung. Daraus resultiert, dass insbesondere die Lebensqualität durch die Koordination der Versorgung beeinflusst werden kann, da Patient*innen durch eine kontinuierliche Versorgung mit definierten Verantwortlichkeiten weniger Belastung im Rahmen der herausfordernden Situation am Lebensende erfahren.
Document type: | Dissertation |
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Supervisor: | Wensing, Prof. Dr. Michel |
Place of Publication: | Heidelberg |
Date of thesis defense: | 17 March 2022 |
Date Deposited: | 06 Jul 2022 07:08 |
Date: | 2022 |
Faculties / Institutes: | Medizinische Fakultät Heidelberg > Medizinische Universitäts-Klinik und Poliklinik |
DDC-classification: | 610 Medical sciences Medicine |