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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 2
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Scheffler, Karl: "Lebendige deutsche Kunst", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0078

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„Lebendige deutsche Kunst". Zweiter Teil

Paul Cassirer und Alfred Flechtheim fahren fort, zu zeigen, welche Künstler sie für
lebendig, das soll wohl heißen: für Klassiker der gegenwärtigen deutschen Kunst halten.
Die Auserwählten der zweiten Ausstellung sind alle Fünfziger und Sechziger, mit Aus-
nahme von Gerhard Mareks, der in diesem Bruderkreis der Benjamin ist. Die Rang-
ordnung ist freilich schon vor zehn Jahren getroffen; sie erscheint jetzt weder richtiger
noch falscher als damals.

Der große Oberlichtsaal ist drei Malern eingeräumt: Heckel, Schmidt-Rottluff und Hofer.
Jedem ist eine Wand zugeteilt. Bei sehr guten Bildern müßte jede Wand, ja, müßte
der ganze Saal wie ein einziges Bild erscheinen. Die Bilder gehen aber nicht in Ein-
heiten zusammmen; nur Heckeis Bilderwand wirkt geschlossener.

Heckel ist von den dreien am feinsten, am geistvollsten, aber auch am kühlsten; Hofer
ist der Sturste, er stilisiert gewissermaßen den Stil; Schmidt-Rottluff ist der Anlage
nach der Sinnlichste (einige Aquarelle streifen Courbet), doch hat er sich die Sinnlich-
keit wegkasteit und das Rezept gewählt. Alle drei berühren in verschiedenartiger Weise
das Kunstgewerbliche: Heckeis Bilder lassen an einen malenden Architekten denken,
Schmidt-Rottluffs beste Landschaft (am Belasee) wirkt gobelinhaft, und Hofer nähert sich
der Afriche. Was die Wahltraditionen betrifft, so erinnern Heckels Bilder an alte deutsche
Meister und an Nazarener, Hofer vergewaltigt expressionistisch sein Deutsch-Römerium,
Schmidt-Rottluff läßt an Münch und an Prähistorisches denken. Heckels Talent hat einen
diplomatischen Zug, Hofers Talent wirkt ehrgeizig lehrhaft, Schmidt-Rottluffs Begabung
hat etwas gewaltsam Entsagendes. Sie alle regen, wie man sieht, mehr zu einer psy-
chologischen Deutung an als zu einer genauen Beschäftigung mit einzelnen Bildern.
In den Vorderräumen wird Kokoschkas theatralisch beschwingte Prospektmalerei gezeigt.
Barockes aus Wien und Prag. Motto: „Du Feuerwerker, der bengalische Lichter aufwirft!"
Omelette soufrlee! Sticht man kritisch hinein, so sinkt viel von der Herrlichkeit zusammen.
Viel solider als die Maler sind die Bildhauer. Kolbe bleibt stets zuverlässig; sein Können
ist ein sicheres Kapital, das redlich und konsequent erworben ist. Scheines bescheidene,
empfindungsvolleTüchtigkeit isr immer sympathisch. Mareks stellte sich neulich bei Flecht-
heim besser dar, zeigt aber auch hier - mit reizenden Kleinbronzen -, daß er zu unsern
Besten gehört. Barlach findet Töne, die unmittelbar packen: nicht selten aber schreibt
er auch sich selbst ab (in dem Hamburger Relief, zum Beispiel). Auch den Zeich-
nungen dieses depressiven Talents fehlt es an unmittelbarem Ausdruck.
Der Gesamteindruck: Kunst in einer Zeitenwende.

Der letzte Teil der Trilogie soll Arbeiten der Jüngsten bringen. Auf ihn spitzt sich
die Berliner Kritik besonders. Weil jeder seine eigenen Tips hat. Die Kritik hat sich
zu dieser Veranstaltung überhaupt besonders kritisch eingestellt, weil sie — im Vorwort
— selbst kritisiert worden ist. L'nd das mag sie nicht. Niemand ist empfindlicher als
der, der Empfindlichkeiten fortdauernd verletzt. K. Sch.

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