Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Kräftige Expansion - nachlassender Schub im kommenden Jahr
Roland Döhrn,
György Barabas,
Angela Fuest,
Heinz Gebhardt (),
Philipp an de Meulen,
Martin Micheli,
Svetlana Rujin and
Lina Zwick
RWI Konjunkturberichte, 2015, vol. 66, issue 1, 43-107
Abstract:
Die gesamtwirtschaftliche Produktion in Deutschland wurde zum Jahresende 2014 unerwartet kräftig ausgeweitet. Das reale BIP war im vierten Quartal 2014 um 0,7% höher als im Vorquartal. Auch für die ersten Monate dieses Jahres ist eine deutliche Expansion zu erwarten; darauf deuten die Konjunkturindikatoren hin. Im Industriebereich dürfte dabei der Aufschwung schwächer ausfallen als im Dienstleistungssektor. Hier dürfte sich auswirken, dass die Konjunktur zuletzt vor allem vom privaten Konsum getragen wurde, in dem Dienstleistungen überproportional vertreten sind. Treibende Kraft war dabei die Verbilligung von Mineralölprodukten, die die Realeinkommen der privaten Haushalte beschleunigt steigen ließ. Die Voraussetzungen sind günstig, dass die deutsche Wirtschaft im Prognosezeitraum deutlich expandieren wird, und zwar rascher als das Produktionspotenzial. Wesentliche Triebkraft wird voraussichtlich die Inlandsnachfrage bleiben. Die Realeinkommen der Privaten Haushalte dürften außerordentlich kräftig zunehmen und dem privaten Konsum Schub verleihen. Die steigende Kaufkraft lässt in Verbindung mit guten Arbeitsmarktaussichten und historisch niedrigen Finanzierungskosten auch die Wohnungsbauinvestitionen spürbar zunehmen. Die Investitionen der Unternehmen werden hingegen erst allmählich mit wachsender Kapazitätsauslastung an Fahrt aufnehmen. Vom Außenhandel kommen hingegen nur geringe Beiträge zur Expansion. Mit fortschreitender Erholung der Weltwirtschaft und aufgrund der Abwertung des Euro ist zwar ein beschleunigter Anstieg der Exporte zu erwarten. Die Einfuhren dürften aber wegen der lebhaften Inlandsnachfrage noch etwas stärker ausgeweitet werden. Alles in allem erwarten wir einen Anstieg des BIP um 2,1% in diesem Jahr. Im kommenden Jahr dürfte die Expansion des privaten Konsums und der Wohnungsbauinvestitionen an Schwung verlieren, weil die positiven Wirkungen des niedrigen Rohölpreises auf die Realeinkommen auslaufen. Da jedoch die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung voraussichtlich weiter zunehmen wird und die Zinsen niedrig bleiben, werden die Unternehmensinvestitionen wohl kräftiger ausgeweitet. Von der Außenwirtschaft sind weiterhin nur geringe Impulse zu erwarten. Im Verlauf des Jahres dürfte die Konjunktur etwas an Fahrt verlieren. Für den Jahresdurchschnitt prognostizieren wir eine Zunahme des realen BIP um 1,9%. Angesichts der kräftigen Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivität dürfte die Beschäftigung weiter zunehmen. Zwar wirkt die Verteuerung gering qualifizierter Arbeit durch den flächendeckenden Mindestlohn für sich genommen dämpfend. Allerdings ist es in einigen betroffenen Bereichen allem Anschein nach gelungen, die höheren Kosten in den Preisen weiterzugeben. Neue Arbeitskräfte werden weiterhin wohl im Wesentlichen aus einem steigenden Erwerbspersonenpotenzial rekrutiert. Die Arbeitslosenquote sinkt dementsprechend nur auf voraussichtlich 6,4% in diesem und 6,2% im kommenden Jahr. Eine der Ursachen der in diesem Jahr kräftigen Konjunktur ist der Kaufkraftgewinn aufgrund der gesunkenen Rohstoffpreise. Entsprechend wird die Inflationsrate in diesem Jahr mit 0,4% wohl gering sein, die Kerninflation (Verbraucherpreise ohne Energie) dürfte 1,1% betragen. Im Verlauf des Prognosezeitraums werden die Effekte niedriger Rohstoffpreise auf die Inflation annahmegemäß auslaufen, so dass sich die Teuerung im kommenden Jahr auf 1,5% erhöhen dürfte, die Kerninflation sich auf 1,6% beschleunigen. Die Lage der öffentlichen Haushalte hat sich im vergangenen Jahr deutlich verbessert, alle staatlichen Ebenen erzielten einen Finanzierungsüberschuss. Im Prognosezeitraum wird der Staat ungeachtet der leicht expansiv ausgerichteten Finanzpolitik weiterhin Überschüsse erzielen, weil die gute Konjunktur die staatlichen Einnahmen weiter kräftig steigen lässt. Der Staat wird in diesem und im kommenden Jahr einen Überschuss von je rund 16 Mrd. € bzw. in Relation zum nominalen BIP von 0,5% erzielen. Die kräftige Expansion in diesem Jahr ist zum Teil dem Rückgang der Ölpreise, zum Teil der expansiv ausgerichteten Geldpolitik der EZB zu verdanken. Letztere stimuliert sowohl direkt über günstige Finanzierungsbedingungen als auch indirekt über die durch sie mitverursachte Abwertung des Euro. Die Finanzpolitik ist zwar leicht expansiv ausgerichtet, die aus den strukturellen Haushaltsüberschüssen sich ergebenden budgetären Spielräume werden aber nicht zur Stärkung des Wachstums genutzt. In anderen Feldern tendiert die Wirtschaftspolitik eher zu regulierenden Eingriffen.
Date: 2015
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